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Über die Geographie des Garagenrocks und warum die Band Nada Surf immer am Schluss dran kommt.
amazon.de Wenn einem die Musik nicht weiterhilft und die Cover alle langweilig sind, kann man sich immer noch an die Geographie halten. Oder anders gesagt: Wenn man so viele Platten von weitgehend unbekannten jungen Rockbands vor sich liegen hat, wie ich in dieser Woche, nimmt man am besten erst mal die aus Großbritannien dran. Dann die aus Schweden, dann USA, anschließend die aus Deutschland und den Benelux-Ländern. Und am Schluss kommt immer Nada Surf. So haben das schon unsere Großväter gemacht. Black Wire – Black Wire (48 Crash/ Pias) Black Wire aus Leeds also zuerst. Spindeldürre Rotzlöffel die 2003 eine Band gründen – da muss man kein Prophet sein, um schon vor dem ersten Ton zu ahnen, wie das klingen könnte. Genau: Keine ausgebildete Tenorstimme, dafür etwas Punk, etwas Synthie, viel Bratz-Bratz-Bratz Schlagzeug. Insofern ist das Soll erfüllt. Leider aber gehen der Band Black Wire ein bisschen die Hits ab und damit bröckelt auch die Daseinsberechtigung. Mit eineinhalb brauchbaren A-Seiten im Gepäck oder zumindest einem einzigen aufpeitschenden Intro würde man sie ja gleich über den Zoll winken. Aber so: Importstopp wegen mangelnder Hype-Hygiene, zurück in die Quarantänestation und schrubben üben. Bestellen bei: Mediathek oder iTunes Richard Hawley – Coles Corner (Mute Records) Schleicht’s euch ihr jungen Heuler, hier kommt mit Richard Hawley einer der wirklich mal singen kann, wie ein alter Sack, nämlich um genau zu sein, wie der unvergängliche Scott Walker. Der war ein Songwriter vor dem Herrn, und prägte die 60er-Jahre und alles was danach kam mit 1A-britischer Larmoyanz, was bedeutet: mit sentimentaler Rührseligkeit. Hawley ahmt nun diesen traurigen Kammersänger-Chansonpop perfekt nach, knödelt sich makaber durch sein trauriges Dandytum. Früher war Richard Hawley mal Tourgitarrist von Pulp, jetzt macht er brauchbare Soloplatten für den Herbst, das ist ja immerhin schon mal mehr, als die meisten Chinesen von sich behaupten können. Bestellen bei: Amazon oder iTunes Black Belt – First Blood (Novoton Rec) Black Belt, davor Black Wire, glauben die Herren Rockbands eigentlich, wir würden ihre Einfalt nicht bemerken? Diese drei Knaben sind aus Schweden, das ja den Anschluss an die Spitze des Weltbandmarktes etwas verloren hat. Woran liegt’s? Produktionsengpässe beim Gitarrenzulieferer? Mädchenstarke Jahrgänge? Man kann nur spekulieren. Autsch, da ist ja schon eine Gitarrensolo im zweiten Lied. Solche sind das! Die im Led-Zeppelin-T-Shirt zum Barthändler gehen und sich da noch einen wilden Strubbelbart kaufen. Black Belt klingen exakt so, als würde man ein durchschnittliches Mando Diao-Lied über ein mittelmäßiges Soundtrack of our Lives-Lied mixen. Und weil es namensmäßig gut passt, sage ich, dass einige Stücke von den Black Crowes auch so klingen. Wir sprechen hier dennoch von Qualitätsrockmusik. Weil man von der nie genug haben kann, dürfen Black Belt passieren. Aber anstrengend ist das schon, immerhin haben damals vor einem Led-Zeppelin-Konzert alle Drogen nehmen dürfen, das sollte man bedenken, bevor man sich heutzutage als Band einen Strubbelbart kauft. Bestellen bei: iTunes oder Amazon The American Analog Set – Set Free (morrmusic) In die USA. Zu den herrlichen Menschen vom American Analog Set, die von ihren Müttern richtig erzogen wurden: Bloß nie schlechte Musik vor fremden Menschen machen. Das beherzigt diese ruhige Band, die jetzt beim Berliner Ex-Vorzeigelabel Morrmusic untergekommen ist. Die Musik ist so eine Wohltat. Nach dem ganzen Laut&Angry, gibt es hier wohltemperierte Gitarren, sanfte geschwungene Soundschleifen, weiches Abfedern dunkler Gedanken in langen Songs. Wenn du gerade mit der S-Bahn an dem abblätternden Mietshaus vorbei fährst, in dem du aufgewachsen bist, das ist der Soundtrack. Bestellen bei: Amazon oder iTunes Junges Glueck – Hier im Vakuum ( Paul!) Recht unwirsch bin ich mit diesem deutsch singenden Trio. Blöder Bandname, aber mit „Hier im Vakuum“ immerhin konsequent auch ein blöder Albumtitel. Die Musik ist dann ein glattgerührter Teig aus smarten Indiepop und fader Wir sind Helden-Attitüde. „Und du faltest die Hände für einen Moment / gar nicht so angenehm / wenn es zwischen den Handflächen brennt“ Das kann nur Judith Holofernes glaubhaft singen und auch die nicht mehr lange. Handwerklich ist das schon alles okay, aber bitte Herr Ober, wo bleibt das Quentchen Blut oder ein Häubchen Ironie oder irgendwas, das mir beweist, dass hier nicht drei Emo-Roboter ihre perfekte Welle ausrechnen. Früher, da gab es mal bei L’age d’Or so eine ganz kleine Jungsband, Jonas hieß die, haben sich dann schnell im Leben aufgelöst. Die waren echt. Bestellen bei: Amazon Nada Surf - The Weight Is a Gift (City Slang) Tja, wenn alles ausgeraucht ist, wenn dir die Ohren runterhängen wie Goofy, wenn du auf der Tastatur kein anderes Wort mehr findest als „wert“, weil diese Tasten nebeneinander stehen, wenn du Gitarren gesetzlich verbieten möchtest und coole Frisuren, wenn dein Telefon schon mal nach Hause gegangen ist, wenn die Putzfrau dir schon zum dritten Mal feucht zwischen die Beine will, wenn du noch nie richtig zu Rockmusik getanzt hast, wenn dir die ganze Welt vorkommt wie ein Teller, den du schon lange leer gegessen hast, wenn die Flüsse kalben und die Gletscher singen, wenn der Duden dich blöd anmacht, wenn dein ganzer Mut dich eines Nachts verlassen hat oder nur deine Hände schon lange nicht mehr im Himmel waren – dann höre die neue Nada Surf und alles, alles ist gut. Bestellen bei: Amazon oder iTunes Tokyo Sex Destruction – 5th Avenue South Klassische Rock’nRoll-Band aus Barcelona, die wieder die Frage aufwirft, warum meist mittelmäßige Rockbands unbedingt die recht hässliche Stadt Tokyo im Namen führen wollen. (Z. B. Crash Tokio, Tokio Hotel oder Tokyo Ono, die ja sogar die Beatles kaputt gemacht hat.) Allerdings diese Band hier: tiptop, schöner Lärm, Mitglied im International Noise Motorcycle Club. The Zephyrs – Bright Yellow Flowers On A Dark Double Bed (acuarla) Zartes aus Schottland, wir sagen Mogwai, wir sagen Arab Strap und die Sache ist richtig eingeparkt. Wundervoll natürlich, nichts für eilige Menschen, sondern für solche, die gerne Mädchenherzen brechen aber mit anderen Mitteln als gutem Aussehen. Sehnsüchtiger Melanchofolk. Minor Mountaineer – Apollo Songs (Al!ve) Gefühliges aus Deutschland mit einem CD-Cover das auch Teenage Fanclub gut gefallen hätte: viel Himmel und unten kleine Häuser. Minor Moutaineer aus Köln machen ihre Sache ganz ordentlich bis eigentlich sehr gut. Ihre Sache, das ist so ein ruhiger Gitarrenpop, wie er zu Beginn des Jahrtausends recht populär war, Feeder oder Travis wären hier als Referenzen zu nennen und zwölf andere auch. Wenn man die Augen zumacht, könnten das hier ganz easy die biologischen Kinder der Genannten sein. Chapeau nach Köln! Außerdem erscheinen diese Woche: James Blunt – Back to Bedlam (Wea) Hip Whips – dto.(V2) Safety Scissors – Tainted Lunch Erdmöbel – Für die nicht wissen wie (tapete) Kane – Fearless (Sony) Douglas Heart - I Could See The Smallest Things (Labrador Records/ Brokensilence) Du möchtest dir diesen Text vorlesen lassen? Dann hör mal rein in den jetzt.de-Podcast!