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Reingehört: Mit Locas In Love, Anajo, The Decemberists und The Indeliactes

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Lied: „Sachen“ von Locas In Love Ausgesucht weil: noch nie so schön all die namenlosen Erledigungen, Beschäftigungen und Unfreiwilligkeiten, eben „Sachen“, besungen wurden, die uns jeden Tag unsere Zeit rauben und an die wir uns am Ende eines Tages nicht einmal mehr erinnern können, sondern nur ein großes Gefühl der Leere und Nutzlosigkeit hinterlassen. Ausgesucht aus: der zweiten Locas In Love-Platte „Saurus“ (Sitzer)

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Puh, bei diesem Album der Kölner Band Locas In Love fällt es mir wirklich sehr schwer, nur ein Lied auszusuchen, so sehr mag ich diese Platte insgesamt: Schlichte, aber sehr berührende Melodien mit Gitarre, Schlagzeug und Bass, die manchmal durch eine Orgel, eine Geige, einen Bläsersatz oder einen schönen A-ha-Chorus aufgepeppt werden. Reduzierter Bombast aus leisen, sehnsüchtigen Momenten und großen, ausholenden Gesten, mit einem Sänger (Björn Sonnenberg), der sich traut, nicht zu reimen und dabei die poetischsten Texte hervorzaubert, und einer ganz bezaubernden Co-Sängerin (Stefanie Schrank). Endlich wieder eine Band, die einem aus der Seele spricht, ohne dabei die plattesten Alltagsbeobachtungen zu besingen oder diese zu romantisieren, und die sich originelle Bilder und Vergleiche ausdenkt, auf den Punkt gebracht in dem großartigen Opener „Sachen“, einem Lied für die Generation der „neuen Eigentlichkeit“: „Wir wollen immer etwas machen, aber es kommt immer was dazwischen, Wir stecken fest in einem Sumpf aus Ablenkung und Ausreden.“ Lied: „The Island“ von The Decemberists Ausgesucht weil: das mit Abstand das Verrückteste ist, was ich je gehört habe. Einfach genial. Ausgesucht aus: „The Crane Wife“, dem vierten Album der Decemberists (Capitol)

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Huch, wat denn nu los? Sind Pink Floyd auferstanden? Klingt der Opener des neuen Decemberists-Album „The Crane Wife 3“ noch nach den verspielten Folk-Frickel-Melodikern, ist da plötzlich ein Prog-Rock-Brett am Start. Fast 13 Minuten ist „The Island“, das Opus Magnum dieses Albums, lang - eine Mörderballade, die die Geschichte eines Mords erzählt, in drei Kapitel unterteilt ist: Die langsam rockende Ouvertüre „Come And See“, der durchgeknallt orgelnde Folk-Teil „The Landlord’s Daughter“ mit Falsett-Arien, die sich in höchste Höhen schrauben, und der Schlussteil „You’ll Not Feel The Drowning“, in dem die Melodiebögen in Trauer und Dunkelheit zu versinken scheinen. Zum Herz zerreißen. Mit „The Island“ kann sich zwar keiner der anderen Songs messen lassen, was aber nicht heißt, dass der Rest der Platte nicht auch großartig ist. Die Songs auf „The Crane Wife“ wurden um ein japanisches Volksmärchen herum gebastelt: Ein armer Mann rettet einen Kranich und pflegt ihn, bis er wieder fliegen kann. Ein paar Tage später kommt der Kranich als Frau zurück, sie heiraten und werden wegen der Webkünste der Kranichfrau sehr reich. Obwohl die Frau dem Mann verboten hat, sie beim Weben zu beobachten, bricht er sein Versprechen. Er erkennt, dass sie der Kranich ist und aus den Federn den Stoff für die Kleider gewinnt. Der Kranich entdeckt ihn und fliegt davon. Aus diesem Stoff entspinnt Colin Meloy, der „Welt bester Bänkelpopsänger und Moritatenteller“, seine eigenen fantastischen Geschichten von Mördergesellen, verfeindeten Familien und Bürgerkriegsromanzen, vertont sie mit barockem Zierrat, schwankenden Shanties und melodischem Jubilieren. Ein wahres Epos, diese Platte.


Lied: "There’s A Hole In Your Heart" von Monta Ausgesucht weil: die sanften Töne und zarten Melodien von Monta hier besonders perfekt klingen. Ausgesucht aus: "The Brilliant Masses” (klein records)

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Stimmung auf „The Brilliant Masses“ schwankt zwischen düster grollenden The Jesus and Mary Chain-Gitarren in „Capitulate“ und leisen, fast schon flüsternden Melodie- und Gesangsbögen in Stücken wie in „Good Morning Stranger“ und dem ausgewählten „There’s a Hole in Your Heart“. Bei Tobias „Monta“ Kuhn, dem ehemaligen Sänger der Würzburger Band Miles, habe ich immer das Gefühl, die Person Tobias Kuhn und die Musik, die er als Monta schreibt, sind eins und harmonieren vollkommen. Das hört sich alles so selbstverständlich an, so gelassen. So konzentriert und in sich ruhend, im Reinen mit sich und der Welt. Und das obwohl viele Lieder ein Gewitter anzukündigen scheinen, ein bedrohliches Grummeln aus dem Unterbewusstsein, das sich an die Oberfläche drängen will, oder es in ihnen stimmungsmäßig meist herbstlich nieselt. Tobias Kuhn singt auch eher selten von Liebe und Glück, sondern viel von Entfremdung, Zweifel, Einsamkeit und im Titelsong sogar davon, dass die „brilliant masses“ immer so glänzend funktionieren, man selber da aber nicht mitmachen kann und will und sich besser ertränken sollte. Dennoch blitzen da musikalisch immer Sonnenstrahlen durch und die Gewissheit, dass all der Scheiß eben einfach zum Leben dazu gehört. Man kann es eh nicht ändern. Also kann man’s auch ein bisschen gelassen angehen (vielleicht ist das so ein bayrisches Gen?). Das gibt Zuversicht – so wie Montas sehr schönes neues Album. Lied: „Sixteen“ von The Indelicates“ Ausgesucht weil: ich dieser Stimme von Sängerin Julia Clark-Lowes, Gründungsmitglied der Pipettes, nicht widerstehen kann und in drei Minuten alles auf den Punkt gebracht wird. Ausgesucht aus: der „The Last Significant Statement To be Made in Rock’n’Roll“-EP, der zweiten Veröffentlichung nach ihrer Single „We Hate he Kids“ (Sad Gnome Records)

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Duette sind ja die tollste Erfindung der Musikgeschichte. Man denke nur an Nancy Sinatra und Lee Hazelwood, an Johnny Cash und June Carter an Nick Cave und Kylie Minogue. Allein deswegen sind die „Indelicates“ spitze. Ex-Pipettes-Sängerin Julia Clark-Lowes und Simon Indelicate wechseln sich in jedem Lied ab, ergänzen sich, unterstützen sich, treiben sich gegenseitig an und schaffen es so in manchen Liedern wirklich „The Last Significant Statement To be Made in Rock’n’Roll“ zu setzen - so perfekt harmonieren sie, so punktgenau schrammeln die Gitarren, so schön sind die Melodien, so herrlich kitschig klimpert manche Pianostelle und so aufwühlend ist es, wenn Julia singt: „Let's go to town and switch the magazines / Drink milkshakes until we're sick / Oh, oh, it'll be so funny /We just wanna be sixteen (sixteen) / Sixteen (sixteen) /Even though we're twenty three“, dass man sich tatsächlich danach zurück sehnt, wieder sechzehn zu sein, obwohl ich es damals gehasst habe. Kein Wunder, dass Art-Brut-Sänger Eddie Argos das Quintett aus Brighton rund um die als seine Lieblingsband bezeichnete. Mit der Single „Waiting for Pete Doherty to die“ haben sie sich letztes Jahr schon viele Fans erspielt, mit dieser EP kommen garantiert viele dazu. Am Montag startet ihre Deutschland-Tour – präsentiert von jetzt.de. Termine: 12. Februar: Hamburg, Grüner Jäger 13. Februar: Offenbach, Hafen 2 14. Februar: Freiburg, Swamp 15. Februar: Berlin, Magnet 16. Februar: Würzburg, Café Cairo 17. Februar: München, Prager Frühling


Lied: "Mein lieber Herr Gesangsverein" von Anajo Ausgesucht weil: Symptomatisch für diese Band - klingt vom Titel her irgendwie blöd und provinziell, ist aber hundertpro nach zweimal Hören eines von 14 neuen Lieblingsliedern. Ausgesucht von: Der zweiten Anajo-Platte, mit der diese Band wohl endlich ein paar mehr Ohren erreichen wird.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich mag Anajo, ich bin sogar regelrecht verknallt und zwar ist das jene Form von Verknalltheit, gegen die man sich eigentlich gewehrt hat. Es hilft nichts, die Stimme von Oliver Gottwald ist so markant, spitzbübisch, ich sage auch: süß, dass er mir schon seit einigen Monaten alles vorsingen könnte. Das tut er auch, denn die Anjao-Texte sind latent komisch, regelrechte Kalle-Blomquist-Lyrik, da geht es um Hotelpagen und Leute die in Häuser einsteigen, irgendwelche banale Sachen passieren – egal, das ist alles irgendwie saunett gereimt und mir viel lieber als das verzweifelte Kettcar-Ungewissheits-Texten mit „Ich-sitze-zwischen-allen-Stühlen-Melancholie“, wie es VJ! und andere immer noch hinpfriemeln. Anajo singen frei heraus und sind, zweiter großer Verknallgrund, so absolut gutgelaunt und wonnig, so herrlich cool-befreit. Wären sie ein Mann, würde man sagen: der steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Schon die letzte Platte war gut, das Album jetzt ist wirklich eine astreine Singles-Sammlung, wie ich sie lange nicht mehr von einer deutschen Band gehört habe. Perfekt getrimmter Orgelpop, immer bunt, immer lustig aber dadurch auch sexy und so, dass man ins Konzert gehen möchte. Mitreißend ist das Wort. Bitte auch mal reinhören, wenn man Jungspopbands aus mittelgroßen deutschen Städten eigentlich ablehnt – Anajo sind die reine Lust, sie können körbeweise Tage retten. max-scharnigg jetzt.de präsentiert die ausgiebige Anajo-Tour. Lied: „Diet Smoke“ von Ladyfinger (NE) Ausgesucht weil: ein bisschen Schweinerock auch mal nix schaden kann und „Diet Smoke“ eine ausgezeichnete Balance zwischen Melodie und Krach schafft. Ausgesucht aus: dem Debütalbum „Heavy Hands“ der vier apokalyptischen Reiter aus Omaha, (NE)braska „Ladyfinger (NE)“ (Saddle Creek)

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

War Saddle Creek nicht mal dieses Label mit den traurigen Folkbands? Ladyfinger sind auf jeden Fall das genaue Gegenteil davon und dieses Album ist ein eher schwerer Brocken. Black Sabbath und Motörhead, schräge, schnelle Gitarrensoli und ein erbarmungslos antreibendes Schlagzeug lassen grüßen. Viel Schweiß und viel Testosteron. Ich persönlich mag diesen Heavy Metal-esken harten Rock ja nicht so, aber Ladyfinger sind zweifelsohne eine gute Rockband mit einer unglaublichen Energie, weshalb ich sie euch nicht vorenthalten will. Denn trotz der riesigen, kraftstrotzenden Rockposen und Schallwände, schafft es Sänger Chris Machmuller einen immer wieder mit seiner quiekenden Stimme und dem Ansatz einer Melodie einzufangen – besonders gelungen in „Sea Leggs“ und dem ausgewählten „Diet Smoke“. Lied: „Citizens of Tomorrow“ von Tokyo Police Club Ausgesucht weil: das Stück Strokes-Qualität hat und sich das Handclapping und der Synthesizer am Anfang so wunderbar mit der lakonischen Stimme des Sänger mischen. Ausgesucht aus: der Debüt-EP „A Lesson In Crime“ der vier Kanadier Tokyo Police Club (Memphis Industries)

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Kanada diesmal anders: Tokyo Police Club sind kein weiteres dieser weirden hippie-infizierten Bandkollektive, die in den letzten Jahren aus Kanada zu uns herüberschwappten, sondern stehen in der guten alten Strokes- und Franz Ferdinand-NME-Gitarren-Indierock-Tradition. Sehr rotzig, sehr erfrischend wie da auf den Gitarren rum geschrubbt und auf die Trommeln eingedroschen wird, da kann man kaum wiederstehen. Lied: „Always On My Mind“ von Antennas Ausgesucht weil: man einen Elvis-Klassiker in welcher Version auch immer auf seiner Playlist haben sollte. Ausgesucht aus: Dem Album “Sins” (Decoder Records)

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Bis 2004 hießen die drei Schweden noch Novak und veröffentlichten ein erstes Album, als Antennas und nach leichter Umbesetzung kommt nun also ein weiteres: ein bisschen Lo-Fi und viel luftiger Indiepop, gepaart mit großem Orchestergedöns samt Streichern und Bläser-Pipapo. In voller Länge muss ich das nicht haben, weil man das Gefühl hat, das irgendwie alles schon mal ein bisschen besser woanders gehört zu haben. Aber die Single „Always On My Mind“ vereint die oben genannten Stilmittel so gekonnt, dass es eine Freude ist.

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