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Reingehört: Göttliches von "The Divine Comedy" und das Beste von Moloko

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The Divine Comedy – Victory For The Comic Muse (Parlophone) In einer Liste mit den schönsten Pop-Songs, in denen ein Banjo auftaucht, müsste „Mother Dear“ unbedingt auf Platz 1 landen. Genauso wie in einer Liste mit Songs zum Muttertag. Ein perfekter Popsong ist das. Und es ist nicht der einzige auf „Victory For The Comic Muse“, dem neunten Album der Meister des belesenen und üppigen Orchesterpops. Angeblich ist es im Vorübergehen entstanden: Zwischen Auftragsarbeiten und Nebenprojekten hat der Ire Neil Hannon mal eben so – nahezu aus Versehen - ein bezauberndes, herzzerreißendes Album rausgehauen, das andere Bands niemals schreiben werden. Das Loch soll schuld gewesen sein, in das Neil Hannon nach der Tour zum letzten Album „Absent Friends“ gefallen ist. Arbeiten bis zum Umfallen statt Depression, war wohl sein Motto. Und zwischen all den Soundtracks und Songs, die er für andere schrieb, entstanden eben auch noch 30 weitere Songs, von denen nun 18 für „Victory For The Comic Muse“ mit 28 Musikern, überwiegend live, aufgenommen wurden. „Die letzten beiden Alben waren ziemliche Nabelschau. Hier gibt es mehr Charakterstudien“, sagt Hannon über das Album. In „Diva Lady“ besingt der gerne als dandyhaft bezeichnete Musiker die Eitelkeiten eines modernen Stars und die Dummheit derer, die diesen Star auch noch anhimmeln. In „The Plough“ zieht ein Landei zu Walzertakten in die große Stadt und in die harte Realität, in „Lady Of A Certain Age“ geht es um eine gelangweilte Witwe, deren Blick auf die Welt durch Cocktails vernebelt ist. Ein echter Divine-Comedy-Song ist das, genauso wie die Ode an die Mama. Und einmal mehr gelingt es Hannon, dass trotz Streicher -Pathos, Cembalo-Herzschmerz und Oboen-Melodramatik niemals das Schmalz tropft.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

The Sounds – Dying To Say This To You (Warner) Hard Rock Heavy Metal steht absurderweise als Genrebezeichnung auf dem Promozettel zur neuen Platte von The Sounds. Der Opener „Song With A Mission“ ist zweifelsohne ein Rocksong, aber keine Angst, die Schweden aus Helsingborg grunzen auf ihrem zweiten Album nicht plötzlich über Heavy-Metal-Gitarren-Soli. Schon der zweite Song knüpft an den 80ties-Synth-Pop der ersten Platte an. Der will dann auch gar nicht mehr so recht aufhören, ein Popsong jagt den nächsten, einer will ohrwurmiger und zum-Füße-wippender sein als der andere, nur unterbrochen von der wirklich schönen Ballade „Night After Night“. Sie sind auf ihrem neuen Album etwas entschiedener geworden: Die Rocksongs sind mehr Rock, die elektronischen elektronischer und die Discosongs klingen nach Disco. Aber insgesamt haut einen das echt nicht vom Hocker. Ein ganz nettes Pop-, Punk-, Wave-, Disco-Gemisch ist das, das sich aber nicht tiefer in die Hirn- und Herzwindungen einschreibt. Im Gegenteil: Sobald der letzte Ton verklungen ist, sind The Sounds aus dem Musikkurzzeitgedächtnis auch schon wieder verschwunden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Moloko – Catalogue (Echo) Kaum hört man die ersten Gitarren-Akkorde und diesen tiefen, brummenden Bass von "The Time Is Now", dem Opener von „Catalogue“, fiebert man wieder der totalen Sonnenfinsternis entgegen und erinnert sich, dass die einzige Sorge damals war, ob mit der Jahrtausendwende wohl alle Computer zusammenbrechen würden oder nicht. Róisín Murphy hat noch nicht mal angefangen, mit ihrer unglaublich sexy Stimme zu singen, da ist man wieder in den boomenden Neunziger, in diesen unbeschwerten Zeiten, als Tanzmusik unangefochten regierte und Moloko den Soundtrack zum letzten Sommer des Jahrtausends lieferten. „Sing It Back“ machten Róisín Murphy und Mark Brydon 1999 nicht nur zu den Helden des Triphop, sondern auch reich. Sieben Jahre später erscheint nun also eine „Best of“ des Duos inklusive einer Bonus-CD mit einem Konzertmitschnitt in Brixton im Jahr 2003 und einem neuen Song („Bankrupt Emotionally“). Da stellt sich natürlich gleich die Frage, ob nach Róisín Murphys Soloalbum vielleicht doch noch mal eine neue Moloko-Platte kommt? Zwei Dinge fallen beim Hören von „Catalogue“ besonders auf: Auch ohne Fan gewesen zu sein, kenne ich fast jeden Song auf „Catalogue“ - Moloko müssen tatsächlich omnipräsent gewesen sein. Und das Zweite: Moloko hören sich auch heute noch top aktuell an. Man kann also nur hoffen, dass der neue Song „Bankrupt Emotionally“ wirklich Vorgeschmack und nicht Abschiedsgeschenk ist.

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Illustration: Julia Schubert

Diverse – Beyond Istanbul. Underground Grooves of Turkey (Trikont) In der Türkei wird nicht mehr nur schmalzige Arabesk-Musik von schnauzbärtigen Sängern oder cheesiger Pop von Diven à la Sertab gehört. Das zeigte die Ska-Punk-Band Athena schon vor zwei Jahren, als sie die Türkei beim Song Contest vertrat. Die Compilation „Beyond Istanbul“ beleuchtet nun, wie sich in den letzten Jahren in den Kellerclubs und Proberäumen von Istanbuls Underground Tradition und Moderne, globale Musikstile wie Hiphop und Elektro mit lokalen Sounds vermischt haben. Das Label Trikont bemüht sich schon seit Jahren darum, diese weltweiten Entwicklungen bekannter zu machen. Auch diesmal entführen einen das Booklet und die Compilation in eine Welt voll unbekannter, interessanter Musik. Zusammengestellt wurde die CD von DJ Ipek Ipekcioglu, die im Club SO36 in Berlin-Kreuzberg seit Jahren Deutschen und Türken ungewohnten türkischen Sound nahe bringt. So entdeckt man die bezaubernde Nil, die Elektro-Pop mit orientalischen Motiven verbindet und über Schönheitswahn sowie die Probleme von Mädchen mit Männern und Müttern singt. Oder Ayhan Sicimoglu, der das Genre "Dancehall-Reggae meets türkische Volksmusik" kreiiert hat. Allerdings gibt es auch einige Songs auf „Beyond Istanbul“, die gewöhnungsbedürftig sind – der Jazz-Neo-Psychedelic von Baba Zula nervt zum Beispiel ein bisschen, genauso wie die Percussion von Burhan Öcal.

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Illustration: Julia Schubert

Sam Ragga Band – Situations (SAFA Records) “Sie finden dich nach Monaten vermodert und verwesen, im Zimmer aufm Bett, zwischen Jointstummeln und Pizzaresten und Erbrochenem“ – eine meiner Lieblingszeilen aus meinem Lieblings-Sam-Ragga-Band-Lied „Die Welt steht still“. Das hören die fünf Musiker bestimmt nicht so gerne, auch wenn das Lied ein Riesenerfolg war. Denn auch Jahre nach „Searching for the Jan Soul Rebels“ wird die Band immer noch mit Jan Delay in Verbindung gebracht. Deshalb konzentrieren sie sich auf ihrem dritten Album (das erste auf dem neuen, bandeigenen Label SAFA Records) ausschließlich auf Seanie T. als Sänger und verzichten komplett auf Gäste. „Wir wollen ein klareres Bild der Band erreichen“, sagen sie in Interviews. Auf Live-Konzerten seien sie immer gefragt worden, wo denn Jan Delay oder Samy Deluxe seien. „Situations“ klingt denn auch anders als die bisherigen Sam Ragga Alben. Im Vergleich zum eher experimentellen, dancehalligen und jazzigen „Sound of Sam Ragga“ ist „Situations“ ein eher konventionelles, aber gutes Roots-Reggae-Album geworden. Was am meisten auffällt: Es gibt keine deutschen Texte mehr. Dafür erzählt Seanie T. zu den Riddims alle möglichen Geschichten aus dem Alltag eines jungen Engländers. Und der ist nicht immer einfach. Es geht um Geld- und Alkoholprobleme, um alltägliche Waffengewalt, um das Gefühl, aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein. Oder darum, wie es ist, im Knast zu sitzen. Aber keine Angst, „Situations“ ist keine depressive Platte geworden. Ein paar schöne Momente werden auch bereimt – meistens geht es dann um heiße Mädels und Parties wie in „Come Rock With Me“. Wohlig entspannt und warm basst es da vor sich hin – ein Song und ein Album zum Seele baumeln und Fünfe gerade sein lassen. Aber Obacht geben beim Hören, nicht dass es dann vor lauter Abhängen irgendwann über dich heißt: „Sie finden dich nach Monaten vermodert und verwesen, im Zimmer aufm bett, zwischen Jointstummeln und Pizzaresten und Erbrochenem (...) denn deine Welt stand still.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jazzanova - ...Broad Casting (Sonar Kollektiv) Und noch eine „Best of“: Zehn Jahre broadcasten und DJen Jazzanova nun schon und haben deshalb auf dieser spitzenmäßigen Compilation die Highlights der jüngsten Veröffentlichungen und exklusive neue Tracks von Langzeitmitgliedern und Neulingen des Sonar Kollektivs vereint. Und die Liste der Weggefährten ist bei den Berlinern ganz schön lang. Âme aus Karlsruhe, die 2005 die De:Bug-Jahrescharts anführten, gehören dazu, genauso wie die Neuseeländer Fat Freddys Drop und MC Capitol A. Und das Schöne daran: „... Broad Casting hört sich tatsächlich wie eine liebevoll für einen guten Freund aufgenommene Geburtstags-Mix-CD an – mit lauter Lieblingsliedern. Auf steineerweichenden Soul folgt entspannter Elektro darauf Hiphop, Reggae, Synthie-Jazz und wieder von vorne. Mit „The Slapped Eyeballers“ findet sich sogar eine Indie-Hymne. Wenn Geburtstage so gefeiert werden, sind sie super – so viel steht fest. Außerdem sind diese Woche erscheinen : Billy Talent – Billy Talent II (Atlantic) Seerena-Maneesh – Serena-Maneesh (Playloudrecordings) 4 Ugly Daughters – 4 Ugly Daughters (Coast Rock) Robin Guthrie – Continental (Rocketgirl) Elevator Action – Society, Secret (MoRisen) The Sammies – The Sammies (MoRisen) Lostprophets – Liberation Transmission (RedInk) Shinedown – US And Them (Atlantic) Angels & Airwaves: We Don't Need To Whisper (Geffen)

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