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Pop-Skandal: Süße Girls mit Koteletten lassen Andreas Dorau nicht ins Krankenhaus
Jede Woche stellen wir an dieser Stelle einige CDs vor, die diese Woche erscheinen. Nicht unbedingt die besten, nicht unbedingt die schlechtesten - sondern einfach die, die wir erwähnenswert finden.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Rough Trade Hal –Hal (Rough Trade/Sanctuary) Teenage Fanclub – Man-Made (PeMa) Maria Taylor – 11:11 (Saddle Creek) Like a stuntman – Fresh Air Is Not The Worst Thing In Town (Highpoint Lowlife) Andreas Dorau – Ich bin der eine von uns beiden (Mute/Emi) Hal - so heißen, wie jeder weiß, neurotische Computer beim Kubrick Stanley. Der Name ist deswegen schon ein bisschen strapaziert, genau wie die Idee, sich als Band auf die Beach Boys zu berufen. Wenn diese Wurzeln aber so gewissenhaft wuchern, wie bei Hal aus Dublin, will ich nicht weiter darüber nörgeln. Lieber über ein flottes Retro-Album giggeln, bei dem die Koteletten von selber sprießen, so überzeugend flötet und pfeift, glockenspielt und choralt es da. Ja, wir sprechen von Sunshine-Pop, von Bläserharmonie und einer Post-Surf-Lässigkeit, bei der man schon vom Zuhören Sommersprossen bekommt. Trotzdem haben diese Bonbon-Kapellen ja immer etwas Melancholisches an sich, so ähnlich wie Clowns oder Aufzieh-Äffchen mit Schellenkranz. Da tränt immer auch was. Oder geht das nur mir so? Nostalgische Verklärung? Ach, Hal, olle Megabyte-Kombüse, sag doch auch mal was. Bzw. Teenage Fanclub, sagt ihr doch mal was. Huch, tun sie ja! Teenage Fanclub sind der Opel unter den britischen Popbands. Zuverlässig, große Vergangenheit, aber irgendwie auch nicht mehr besonders aufregend. „Man-made“ macht da erst mal keinen dicken Unterschied. Die Platte hört sich halt so weg, ruhiger schottischer Pop, der sich heute gar nicht mehr von mittelamerikanischen Pop unterscheidet, aber das ist nicht so schlimm, können ja Freunde sein, die beiden Pops. Die Fanclub-Platte wird bei jedem Hören besser, das ist auch so eine trickreiche List von denen: Erst mich schön lange nicht nerven und im Hintergrund säuseln und irgendwann, wenn der Brockhaus-Heini anfragt, diktiere ich ihm ohne zu Zögern Teenage Fanclub in die Rubrik „Die zehn besten Popalben der Welt“. Weil sei halt nie genervt haben. White Stripes, Kings of Convienience, Nada Surf – nervt ja alles irgendwann mal, aber Teenage Fanclub nervt nie. Ach, ich bin Teenage Fanclub Clubfan. Ich bin aber auch im Fanage und nicht mehr so sehr Clubteen. Aus dem Stehgreif weiß ich vier Leute, die in die folgende Dame verliebt sind, bzw. waren, als sie mit ihrer Band Azure Ray auf Tour kam. Und sie sieht nicht nur gut aus, sie heißt sie auch noch Maria Taylor – Mädchen können wirklich voll die Wunderwerke sein. Maria Taylor also, der Schöpfung herrlichste Knospe, wäre aber nicht halb so toll, hätte sie ihre zierliche Musik nicht. Es flirrt und schwurbelt in Hörers Köpfchen, trauriger Mädchen-Folk mit sanft gestrichener Gitarre. Und dann hat auch Conor Oberst hat einen Gastauftritt! Diese Maria ist melancholisch und es geht oft um Liebe, aber ist’s ein Wunder? Wenn einem die Emo-Boys so hinterherlaufen, da gibt es immer Komplikationen. Massive Hörempfehlung für alle Ruhiggebliebenen. Mit Platten ist es ja übrigens wie mit aufgepitchten Wasserstoff-Blondinen. Sind sie hübsch eingepackt, hört man ihnen länger zu, auch wenn sie nur total anstrengende Sachen zu erzählen haben. Diese 1A-Parabel führt uns zu Like A Stuntman – attraktiv becovert, höre ich mir auch so ein Harmonika-Kinderkeyboard-ProLogic-Gesumse fast bis zum Schluss an. Manchmal klingt das wie Beck zur „Odeley“-Zeit. Lustig ist, dass mein emsiges iTunes vermeldet, es hätte die Platte in das Genre „Unclassifiable“ eingeteilt. Das gab’s noch nie, notfalls wird sonst alles in Pop/Rock eingemeindet. Die Stuntmänner kommen, wie ich lese, aus Frankfurt, was man ihnen partout nicht anhört. Würde sie aus Glasgow kommen, sie dürften glatt im Vorprogramm von Mogwai auftreten. Eigentlich gefällt mir das gut, es ist halt nur wieder Musik, für die ich keine Zeit habe. Zum Autofahren zu diffus, zum Rad fahren zu schlapp, zum traurig Rumsitzen zu lustig, zum Frühstücken zu wach, zum Sex machen zu unsexy. Also ab in die Kiste, auf der steht: Musik für wenn man mal länger im Krankenhaus liegt. Andreas Dorau soll mich im Krankenhaus bitte nicht besuchen. Der ist so sophisticated, dass ich bestimmt einen Ausschlag am Kopf kriege. Außerdem ist Andreas Dorau immer sehr gut angezogen und das will man ja überhaupt nicht sehen, wenn man selber nur Kanülen anhat. Sein siebtes Album also, der Mann ist ein wandelndes NDW/Punk/New Pop-Museum und hat mittlerweile ein wirklich komisch hohe Stimme. Die singt interessante Texte: „Ja die Wunderwelt der Pflanzen / Kann schon sehr erregend sein / Fingerhüte munter tanzen / Und die Veilchen lächeln fein“ Dazu jingelt und syntesizet es eher ruhig als aufgedreht, aber auch nicht besonders vertrackt. Leider klingt es manchmal sogar nach Paula. Klar, Dorau beherrscht das Spiel mit den naiven Refrains und auch die Arrangements lächeln fein. Aber sonst? Manche Platten werden, glaube ich, ausschließlich für die Spex produziert. Aber ist das ein Verbrechen? Nein. Herzen stehlen ist ein Verbrechen und das tut Dorau nicht. Das tut nur die Maria Taylor. Außerdem erscheinen diese Woche: Gorillaz - "Demon Days" (EMI) Ach ja, die Gorillaz. Da wurde wieder gehörig zusammengekocht und allerlei Beatz verpulvert. Taugt schon, allerdings ist mir das blöde Comic-Konzept ein Gräuel. Ist mir schleierhaft, warum Damon Albarn immer noch darauf setzt. The Ga Ga s – Tonight The Midway Shines Hey, das erste Lied heißt “Sex”. Und das erste Instrument heißt Bratzgitarre. Was bedeutet das? Rock! Richtiger OldSchool-Rock, wie er sonst nur noch an amerikanischen Colleges gemacht wird. Hier aber aus Großbritannien. Irre, irgendwie, aber auch sauhohl. Kool Savas – Die John Bello Story (Optik Records) Sandkasten-Streit im Deutschrap. In der rechten Ecke schmollt Fascho-Fler, Eko hat King Kool Savas die Schaufel geklaut, der hat Eko dann die Sandburg kaputt gemacht. Das ist alles nicht nur schrecklich lustig, sondern auch noch wunderbar produktiv: Kool Savas, der selbsternannte „King of Rap“, und seine Optik-Jungs haben – schon wieder – ein Mixtape (klar, als CD) veröffentlicht – „Die John Bello Story“. Und, wer über schmutzige Sprache und nicht seltenen Sexismus lachen kann, ist bedient, denn schlecht ist Savas wirklich nicht. Ein besonders Schmankerl unter den 29 Tracks ist „Das Urteil“, Höhepunkt des Eko-Savas-Streits und jetzt erstmals auf CD. Trotzdem: Wenn alle ein bisschen älter sind, machen wir einen Stuhlkreis. (hannes-kerber) Nico Suave – Mit Liebe Gemacht (No Limits Records) Eigentlich ist nur eines zu bedauern am neuen Suave-Album „Mit Liebe gemacht“: Die Jazz-Elemente sind durch straightere amerikanischere Beats ersetzt worden. Trotzdem hat der Mendener Rapper ein gutes zweites Album abgeliefert, auf dem vor allem „Nie Mehr“ (zusammen mit den Beginner) und das Blumentopf-Feature„Ich wär so gern…“ herausstechen.(hannes-kerber)