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Plan B: Jimi Tenor remixt Echophonic, die mit Nicky Wire und den Devastations Roman Fischer daheim besuchen

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Plan B – Who Needs Action When You Got Words (679 Recodings) Plan B ist nicht ganz der neue Mike Skinner, aber er kommt nahe ran. Ben Drew wuchs in einem Londoner Vorort vaterlos auf (der wollte lieber mit seiner Post-Punk-Band rumhampeln), die Mutter städtische Angestellte. Von ihr bekam er mit 14 eine Gitarre geschenkt und begann erst mal Akkorde zu lernen und sich niedliche Liebeslieder auszudenken. Damit trat er in Jugendclubs und später auch in echten Clubs auf. Aber dem Jungen mit der Gitarre hörte niemand zu, die Gäste redeten einfach weiter und der arme Ben wurde sehr frustriert. Zeit für Plan B: auch auf seiner Platte begleitet er sich immer noch auf der Gitarre, aber jetzt rappt er und hat mit „Plan B“ nicht nur ein Alias, sonder viele erschaffen. Er kann alt, jung, eine Frau, ein Cracksüchtiger sein. Das ist ganz schön toll und beeindruckend, wenn er zum Beispiel auf „Everyday“ einen Dialog mit Gott nacherzählt, zu dem er von der Slam-Poetry-Legende Saul Williams inspiriert wurde – und dazu nur von einem melancholischen Cello und Klavier begleitet wird.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Click Click Decker – Nichts für Ungut (Audiolith) Click Click Decker ist ein Singer-Songwriter aus Hamburg und zählt die Kettcar-Mannen zu seinen größten Fans. Seine Musik ist, wie bei Songwriters daheim so üblich, mal fiepsig und knarzelnd, manchmal sehr deutsch-indie-rockig. Hymnen schreiben und singen kann er auch. Trotzdem begeistert die Platte nicht so wirklich, vielmehr möchte man sie gerne an jemanden weiterreichen, dessen Geschmacksnerven sie mehr trifft – und den gibt es ganz sicher, nur sitzt er wahrscheinlich gerade in irgendeinem Café und liest die Sonntagszeitung. Der würde dann sagen „super Texte mit tiefsinnigem Hintersinn“, wo ich einfach kein Wort verstehe und Songtitel wie „Wer hat mir auf die Schuhe gekotzt“ nur so mittel-geschmeidig finde. Der würde auch Einflüsse und Querverweise entdecken, wo ich nur ratlos rumsitze und viel lieber selbst die Gesellschafts-Seiten durchstöbern würde.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Kasabian - Empire (Rca Int.) Sie sind die Tollsten von allen, ich will mit denen gehen. Mehr kann ich über Kasabian nicht sagen, weil ich sonst Schläge vom Kollegen bekomme, der eifersüchtig über diese nicht-mehr-Geheimhipster aus England wacht und mir Schläge androht, wenn ich Schlechtes über sie sage. Das ist natürlich keine gute Voraussetzung für eine entspannte Anhörung - also lass ich es lieber bleiben. Nur eins noch: die sind echt gut, machen Spass und könnten vielleicht sogar einen Gelegenheits-Fingerschnipser dazu bewegen, seine Kniescheiben im Takt zu verschieben. Doch, eigentlich bin ich mir da ganz sicher.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jimi Tenor - Deutsche Grammophon ReComposed by Jimi Tenor (Universal) Rimsky-Korsakov, Erik Satie, Steve Reich, dazu ziemlich viel Blubber, Synthesizer, Drum Maschinen, krasse Soundteppiche mit Flöten und Tambourines: Relativ schwer anhörbar, aber natürlich eine sehr gute Sache. Der tolle Jimi Tenor hat sich bei seiner Arbeit so viel gedacht, dass man es doch mal kurz aufschreiben sollte. Ihm stand, wie allen DJs und Produzenten, die bisher dabei waren, das gesamte Archiv der Deutschen Grammophon zur Verfügung. Ausgewählt hat er schließlich nur Stücke von Komponisten, die mit ihrer Musik versucht haben, selbst neue klangliche Dimensionen zu erschließen und Experimente zu machen. Dann hat er aber nicht einfach mit dem Material, das ihm zur Verfügung stand, gearbeitet, sondern selbst in die Kompositionen eingegriffen und die Stücke auseinander genommen, komplett dekonstruiert und dann wieder zusammengefügt. Extrem avantgardistisch und viel Arbeit und lobenswert, aber echt schwer anzuhören. Ganz ehrlich. Four Tet – Remixes (Domino) Auf zwei CDs hat der höchstwahrscheinlich sehr bekannte Künstler Four Tet eine Sammlung seiner besten Remixe der vergangenen 200 Jahre versammelt und zwar, das erklärt die PR-Person auf dem Begleittext recht umständlich, auf zwei CDs. Auf CD 1 sind seine Lieblingsarbeiten versammelt, unter anderem Remixe von Radiohead, Aphex Twin und Bloc Party. Auf der anderen sind alle Remixe versammelt, die jemals von seiner Musik gemacht wurden. Bisher habe ich unter dem Prinzip Remix ja eigentlich immer verstanden, dass jemand ein Lied hernimmt und versucht, es so lange auszudehnen, bis ihm endgültig die Nervenstränge reißen. Aber klar – eigentlich ist Remixen eine eigenständige und –willige Kunstform, die man bestimmt in Berlin auch studieren kann. Die Platte kann man kaufen, es aber auch bleiben lassen, wenn man auf Geklimper und Gefiepe nicht ganz so viel Wert legt.

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Illustration: Julia Schubert

Roman Fischer – Personare (Blickpunkt Pop) Roman Fischer hat seine zweite Platte fertig gestellt, er sagt, er ist erwachsener geworden und hat das klassische Pop-Genre verlassen, das auf seinem Debut „Bigger Than Now“ vorherrschte. Aber singen und schwelgen, das kann er immer noch und tut es auch ausführlich auf der neuen Platte. Die Instrumentierung klingt erst mal recht karg: Klavier, Bass, Schlagzeug. Aber Fischer schafft es, daraus einen Klangteppich zu erstellen, in den man sich ohne weiteres einwickeln und von ihm wärmen lassen kann, während draußen der Regen an die Scheiben klopft und der Herbst gemein die Knochen auskühlt. All das ist jetzt nicht so irre mutig oder neu, aber sehr, sehr gekonnt und schön.


Echophonic – Echophonic (Pink Ink Music) Österreichische Indie-Popper mit weiblichem Gesang. Ach na ja – kaum ist die Platte im CD-Player, überfällt mich bleierne Müdigkeit. Da kann die Band natürlich gar nichts für. Es liegt nur an mir, aber irgendwie will mir gar nichts einfallen zu Songs, in denen die Sängerin Tina Böhsner reimt : „If you want to be my friend, be yourself, don’t pretend.“ Ja, Wahnsinn. Mach ich doch gleich mal. Ihr super-okayen Mädchen und Jungs von Echophonic: Nur weil ihr aus Österreich kommt, diesem hübschen kotelett-förmigen Land, heißt das nicht, dass ihr die plattesten Reime der Welt in einen Sack stecken und daraus dann ne Platte machen dürft. Die ganze Platte ist ungefähr so überraschend und unberechenbar, wie eine RTL2-Reportage „Unterwegs mit den Sozialhilfe-Betrüger-Detektiven vom Amt“.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Devastations – Coal (Beggars Banquet) Wenn Bassist und Sänger Conbrad Standish zu singen anfängt, möchte man gleich ein bisschen kichern, weil so eine sonore und ausgesprochen sexy Stimme die Ohren kitzelt und ganz einfach zum Kichern einlädt. Dann setzen die Geigen ein und alles wird noch schöner. Devastations kommen eigentlich aus Australien, sind schon mit Cat Power auf Tour gewesen und haben vor ein paar Jahren ihren Standort nach Berlin verlegt. Da soll man jetzt aber keinen falschen Eindruck bekommen: das, was die drei Herren machen, hat nichts, aber wirklich gar nichts mit anderen Expats wie Peaches oder Soffy O zu tun. Eher so eine Art NewFolk, Alternative aber ohne Rock, meist ziemlich ruhig und gelassen, auf einigen wenigen Stücken auch mal ein bisschen schneller. Wirklich hübsch, ausgesprochen. Harms Way – Oxytocin (Black Lodge) Das Debut einer schwedischen Viererformation mit Hang zum Gitarrenriff. Zwei Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug und Testosteron. Und weil die Musik so nichtssagend ist, erfährt man auf dem Beipackzettel nur die Geschichte der Bandentstehung, die so irre ist, dass man sich ununterbrochen an den Kopf fasst: Typ hat Band, Band geht den Bach runter, Typ gründet neue Band, später fällt noch irgendwo ein Sack Reis um. Gut daran: endlich mal was nicht so Tolles aus Schweden, schlecht daran: was, wenn zehnminütige Gitarren-Riff-Orgien wieder zurückkehren? Nicky Wire – I Killed The Zeitgeist (Red Ink) Nicky Wire ist der Manic Street Preacher und hat sich mal zwischen zwei Alben die Zeit genommen, ein Solo-Album aufzunehmen. Das ist ziemlich solide, manchmal ein bisschen arg von gestern geworden, aber insgesamt der perfekter Soundtrack für die Autofahrt zum nächsten Festival.


Hiphop mit hannes-kerber

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Prinz Pi – Donnerwetter! (No Peanuts) Prinz Pi, der früher als Prinz Porno aufgetreten ist und auf den bürgerlichen Namen Friedrich Kautz hört, ist eines der Berliner Rap-Urgesteinen. Diese waren es, die 1998 im Freestyle-Club Royal Bunker den Berliner Rap definierten und „Berlin Nr. 1 Vol. 1“, das legendärste Tape des deutschen Hiphop, veröffentlichten. Jetzt legt er sein „erstes richtiges Album“ vor, so heißt es, anders als man es nach einem Blick ins Plattenregal vermuten würde, im Pressetext zum neuen Album „Donnerwetter“. Und wirklich ist da ein Unterschied zu allem, was man bisher von Pi kennt. Nicht dass die 52 Tracks für ihn ungewöhnlich wären – das 2005 erschienene Best-of-Mixtape „Geschriebene Geschichte“ zählte ebenfalls 40 Lieder. Ungewöhnlich – macht das aber ein „richtiges“ Album aus? - ist der Aufbau des Doppelalbums „Donnerwetter“: Die erste CD ist ein normales Rap-Album, das man mögen kann, weil es gut ist. Die zweite CD ist ein Rap-Hörbuch, das man mögen und bewundern muss, weil es toll ist und es so etwas noch nie gab. Die Geschichte dieses Hörbuchs spielt in einem „fernen Land vor langer Zeit“. In barokisierter Sprache erzählt Pi über 50 Minuten einen mittelalterlichen Heldenepos, einer Mischung aus „Herr der Ringe“, „Robin Hood“ und „Parsifal“. Gleichzeitig ist die Geschichte ein geschickt gezeichnetes Spiegelbild der deutschen Rapszene. Beeindruckend ist besonders der atmosphärische Rap - vom gerappten Sauflied bis zu Schlachtenschilderungen. Deshalb ist „Der Herr der Dinge“, so der etwas unglückliche Titel, das Interessanteste und Progressivste, was man derzeit aus der Berliner Szene kaufen kann. Manuellsen – Insallah (Deluxe Records) Weil uns die CD zu spät erreicht hat, liefern wir diese Rezension nächste Woche nach. Außerdem erscheinen diese Woche: mr lab! - And Now It's Time To Go (Jay Jay) The Grand Opening - This Is Nowhere To Be Found (Tapete) Nesti - Irgendwann (LaCosaMia) V.A. - Neue Holländische Welle 30 (musicXport) Gecko Turner - Chandalismo Illustrado (Love Monk) God Is An Astronaut - All Is Violent. All Is Bright (Rocket Girl) Âme - Mixing (Sonar Kollektiv)

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