- • Startseite
- • Reingehört
-
•
Mehr Frauen ans Mikro, bitte!
Vollkontakt Diverse – Grlz – Women Ahead Of Their Time (Crippled Dick Hot Wax) Hidalgo – I Want A Girlfriend (Tapete) Orenda Fink – Invisible Ones (Saddle Creek) Black Rebel Motorcycle Club – Howl (Echo) DM Bob & Country Jem - Bum Steer (Hazelwood) Ach großartig, die erste Platte überzeugt mich schon, bevor ich sie gehört habe: Grlz - Women ahead of their time , eine Compilation, auf der frühe Punk- und Wave-Musikerinnen versammelt sind, die sich Anfang der 80er Jahre die Do-it-yourself-Attitüde von Punk zu eigen gemacht haben, drauf los spielten, sangen, was die Stimmbänder hergaben und damit das schwanzdominierte Musikumfeld aufmischten. Aber keine Angst, werte Herren, bei dieser CD sind keine singende Kampfmaschinen am Werk. Es geht dem Sampler weniger um politische Aussagen, sondern um das musikalische Selbstverständnis der Damen. Und das ist spitze. Rap, Disco, Reggae, afrikanische Trommeln, Soul, Funk, Punk, Wave – all das tönt einem auf den Stücken dieser Platte entgegen, mit Stimmen, die mal aufsässig schreien wie Janine Rainfort von Maximum Joy , mal ihren Text leise über einen lustig piependen Synthie-Teppich hauchen wie Dorothy , mal quiekend im Chor singen wie die Damen von Delta 5. Keine historische Abarbeitung an einer Ära, sondern eine Sammlung voller großartiger, unbekannter Hits. So kratzbürstig und eigen die 80er-Jahre Damen manchmal klingen, so lieblich, entspannt und beschwingt tänzelt die Stimme von Betty Mugler durch das zweite Hidalgo-Album „I Want A Girlfriend“. Endlich mal wieder eine deutsche Band, die sich nicht nur den Schulfest-Refrains verschrieben hat, sondern sich auch mal an komplexere Songstrukturen und gewagte Stilmixturen traut: swingende Easy-Listening-Lalas tauchen zwischen New-Wave-Synthie-Sounds auf, es gibt 4/4-Beats zum Tanzen, Melancholisches und Ohrwurm-Refrains, die manchmal in einen fast ins Wahnsinnige abdriftenden Gesang kippen. Aufgenommen wurde übrigens daheim im „Oma Recordings Studio“ zwischen Kronleuchtern, Ohrensesseln und Orientteppichen. Super. „I´m a romancer, calypso dancer, I´m stealing your heart for a while“, sang Betty Mugler auf dem Vorgänger-Album “Sing Guitar Sing”. Mein Herz haben sie. Bei der nächsten Dame wird es nun sehr viel ruhiger und geheimnisvoller. Nach Maria Taylor hat jetzt auch die "andere" von Azure Ray, die für ihre melancholischen Sirenengesängen und zerbrechliche Arrangements bekannt sind, ihr Solodebüt aufgenommen: Orenda Fink. "Invisible Ones" ist eine Reise von innen nach außen geworden, bei der einem alle Geister dieser Erde begegnen, eine Suche nach Versöhnung und nach Transzendenz mit einem Chor aus haitianischen Stimmen, mit Folkmusik, Gospelsongs und zerbrechlichen Klageliedern. Einfühlsame Geschichten, die in diesem kalten verregneten Sommer Trost spenden und einen Vorgeschmack auf den Herbst geben mit Sonntagen, an denen man in Decken eingewickelt Bücher liest, DVDs schaut und Tee trinkt. Natürlich ist auch nicht alles toll, was die Damenwelt so an Musikalischem hervorbringt. Als „Tipp für Leute mit dem Ohr am Außergewöhnlichen“ wird Barbara Cuesta angepriesen, eine Akustikgitarre spielende Chanteuse, die sich als Straßenmusikantin ihr Abitur finanziert haben und lyrische Balladen singen soll. Allerdings tönen mir gerade Textzeilen wie "Wozu brauch ich Lebertran / Wenn ich Sperma schlucken kann“ entgegen. Oh Schreck. Schnell wieder raus aus dem CD-Player. Auch enttäuschend die nächste Platte: “Supernature“ von Goldfrapp . Nichts mehr übrig von der einstigen „Felt Mountain“-Zartheit und Zerbrechlichkeit. Stattdessen Kabarett-Aufmachung, blonde Locken unter einem Zylinder und dazu eher langweiliger Glitzerpop. Deshalb schauen wir jetzt noch, was die Herrenwelt diese Woche so zu bieten hat und ist sehr erfreut nach zwei Alben und drei Jahren den Black Rebel Motorcycle Club wieder in der CD-Kiste zu finden. Aber nix da mit rebel was das Zeug hält, Rock’n Roll, schmutzigen Gitarren-Hymnen und Psycho-Rock und so. Die drei Herren haben in ihrer Zeit der Abstinenz eine ruhige Seite an sich selbst entdeckt und sind wohl durch harte Zeiten gegangen. Sie wussten plötzlich nicht mehr, warum sie machen, was sie machen, wurden von Selbstzweifel und Sinnkrise geplagt, Schlagzeuger Nick verließ den Club, kehrte dann doch wieder zurück usw. Aber nun ein kompletter Neuanfang. „Howl“ ist ein Americana-Album mit Blues, Folk und Singer/Songwritertum und einem Riesenschuss Gospel. Ruhig, nachdenklich und gesittet. Aber so was von toll! Zum Dahinschmelzen. Also nix da mit enttäuscht aufheulen und schreien „what happened to my Rock’n’Roll“, sondern sich auf ein spitzenmäßiges Weltjugendtagsalbum freuen. Und wo wir schon bei Americana-Sound sind, bleiben wir da gleich noch etwas und legen DM Bob & Country Jem ein. Deutschmark Bob kommt aus New Orleans, lebt aber seit Jahren in Hamburg, wo er sich als Englischlehrer unter anderem für die Klitschko-Brüder verdingt. Er malt „cheap art“ – vor allem Stiere und längst verdorrte Musiker-Legenden - und ab und an bringt er auch eigene Platten heraus. Country Jem, eigentlich Jem Finer, kommt aus der selben englischen Stadt wie Robbie Williams und war einer der Gründer der „Pogues“. All das ist aber nicht so wichtig. Denn „Bum Steer“, die Platte der beiden, kann man sich ganz ohne dieses halbseidene Insiderwissen anhören und anschließend lobpreisen. Die beiden schlendern wunderbar unverzagt ihre Songs entlang, stellen die wichtigen Fragen („Who Put The Cunt In Cuntrey“) und singen von den nicht ganz so herrlichen Seiten des Lebens („Lou Short For Loser“). Dann rumpelt es im Karton und die Ziehharmonika wird dazu herzzerreißend gedrückt und geherzt. Damit haben DM Bob und Country Jem ganz sicher nicht musikalisches Neuland betreten, trotzdem sehr gut diese bierselige Weinerlichkeit. (christina-kretschmer) Außerdem erscheinen diese Woche: Kaiser Chiefs – Employment (B-Unique): Es stimmt wirklich: diese Woche erscheint offiziell das Debütalbum der Kaizer Chiefs. Und obwohl Stücke wie „I Predict A Riot“, „Everyday I Love You Less And Less“ und „Oh My God“ absolute Knaller sind aber auch Lieder wie „Modern Way“ oder „You Can Have It All“ angenehm Beatles- und Blur-esk ins Ohr schwappen, kommt mir das Album doch schon wie eine olle Kamelle vor. Vielleicht weil man wegen absurder Veröffentlichungstermine hierzulande die Platte schon seit Monaten im Schrank hat. Johnny Cash – The Legend (Columbia Records): Vor 50 Jahren erschien die erste Single von Johnny Cash. Begonnen hat seine Karriere allerdings schon vorher in Landsberg am Lech, wo er von 1951 bis 1953 als GI stationiert war und zum ersten Mal in einer Band spielte, den Landsberg Barbarians. Auch der Text für seine erste Single „Hey Porter“ soll hier entstanden sein. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums erscheint nun eine 4-CD-Box mit 104 Liedern (davon 7 unveröffentlichten), einem umfangreichen Booklet von Cash-Biograph Patrick Carr und vielen vielen Bilder. Boozoo Bajou – Dust my Broom (!K7): Ein Meisterwerk der Gemächlichkeit, Langsamkeit und Zurückgelehntheit und einer musikalischen Bandbreite, die von Reggae, Soul, Blues, Folk und Jazz reicht. Dazwischen aber auch tanzbare Stücke wie „Killer“. Für den Heimgebrauch, die Kaffee-Bar genauso wie die Lounge bestens geeignet. The Gnomes – The Gnomes (Crafty Recordings): Adam Greens Live und Studio-Band legt ihr erstes Album vor: eine schöne Mischung aus Singer/Songwriter, Country-Rock-Hymnen und psychedelischem Pop, die einen aber auch nicht total umhaut. Diverse – Crystal Woman Riddim Compilation (Rootdown Music) The New Pornographers – Twin Cinema (Matador/Beggars Group) Beangrowers – Dance Dance Baby (Strange Ways) Zero in on – The Oblivion Fair (Watermelon)