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James Morrisson taucht auf, Madsen rudern weiter, Hidden Cameras und Jan Delay sind auch noch dabei.
James Morrison – Undiscovered (Universal) Es handelt sich hierbei weder um den gleichnamigen Trompeter, noch um eine Coverband der Doors. James Morrison ist stattdessen einundzwanzig Jahre jung, kommt aus Rugby in England und war dort als Straßenmusikant unterwegs. Jetzt hat er sein erstes Album áufgenommen, das bei Amazon UK schon auf Platz Eins der Verkaufscharts steht. Auch die Karten für seine Konzerte kann man nur noch gewinnen. "Undiscovered" startet mit einem groovigen Jazzbeat und vielen ‚Mhs’, ‚Ahas’ und ‚wells’ sowie der tollen, rauchigen Stimme von Mister Songwriter Morrison. Alles, was folgt hat immer irgendwie Soul, der Song "Call the police" könnte aber genauso in einem dreckigen Club in Seattle gespielt werden, während "You give me something" eher für den Abspann eines Happy- End Filmes taugt. Schade nur, dass die Lieder immer gleich enden: Gitarre, Schlagzeug, Klavier und Bass werden zum Liedende noch mal lauter, Morrison auch und in diesem gemeinsamen Gedengel wird ein paar mal der Refrain wiederholt. Wirkt verstörend uninspiriert. Ansonsten hat dieses Album gute Vorrausetzungen, auch in Deutschland bis auf diverse Nummer Eins-Plätze gekauft zu werden. +++
Madsen - Goodbye Logik (Vertigo, Universal) Von der letzten Festivalsaison dürfte sich noch jeder an Madsen erinnern. Das sind die, die immer nur am Nachmittag spielen durften und die mit dem schreienden Sänger. Auf ‚Goodbye Logik’ schreit er etwas weniger und es geht ruhiger, melodischer, sanfter zu. Deswegen sind "Der Moment" und "Piraten" fast schon ein wenig wie Coldplay auf Deutsch. Das bereits ausgekoppelte Lied "Du schreibst Geschichte" ist nicht nur ein perfekter Opener, sondern zugleich wieder ein originelles und schönes Kompliment, so wie auf dem ersten Album "Die Perfektion". Textlich bleiben Madsen konkret und sagen, ohne viel Bildsprache und Drumherumgerede, was sie sagen wollen. Die sonderbare Madsen-Hasser Fraktion wird weiterhin nörgeln können, weil sie sich nicht groß verändert haben. Der Rest wird zufrieden sein. Madsen verdienen in Zukunft bessere Spielzeiten und mit "Ich komme nicht mit" passen sie ja eigentlich auch in den Sonnenuntergang. +++
The Pipettes – We Are The Pipettes (Rough Trade) "Dance with me and we’ll be alright" singen The Pipettes in "Pull Shapes" und beglücken mit ihrem Videoclip viele Leute: Drei klatschende Mädchen aus Brighton, die in kurzen Pünktchenkleidern mit den Beinen wackeln und schwer einen auf Sixties machen. Den Sound drumherum erzeugen Jungs, eine Backing-Band namens The Cassettes, das sind lauter so Britpopper. Die Pipettes selber machen sehr schnelle Beatpop-Lieder mit lautem Schepper-Schlagzeug und einem hellen bis quietschigen Gesang - superknackig und chic. "Judy" klingt mit den Orgelklängen fast nach Kirchenlied, hat damit aber nichts gemein, sondern handelt von einem Mädchen, das von ihren Geschlechtsgenossinnen beneidet und gehasst wird. Ein Grund mehr, warum Mädels auf The Pipettes abfahren werden und die sich immer wiederholenden Songzeilen (,Your Kisses are wasted on me!’) mitgröhlen und drauf tanzen werden. +++
Malente – How can you still stand to stand still? (Unique) "Who got the funk?" fragt sich Mike Skinner. Der deutsche DJ Malente hat ihn. Funk ist die Überschrift und drinnen ist noch viel mehr. Wir haben Hip Hop, Elektrozeugs, Stromgitarren und Soul. "Everything I think is golden" zum Beispiel. Gameboysound, eine Stimme, die zu einem spricht, der Beat und der Bass! Was kann man anderes tun als tanzen? "Don’t let ’em take your smile away" ist ein Kommen und Gehen von Computermusikelementen und dadurch irgendwie aufregend. Fehl am Platz ist dieser Tom Jones Verschnitt, der in "For the Revolution" und "Open Secret" rumgröhlt. Ansonsten sind die Stimmen, die im Takt singen, reden, rappen oder rufen sehr cool. Manchmal, wie bei "Washington DC", das leider nur nach Kinderspielzeugen klingt, manchmal ist es einfach zu viel Gedudel. Alles in allem macht es aber Spaß diese Platte zu hören. Übrigens: Wer an Malentes Musik auch mal rummixen will, kann dies auf seiner Homepage probieren. +++
The Hidden Cameras - Awoo (Rough Trade) Auf einer meiner Lieblingsplatten steht auf der Rückseite der Hülle der wunderbare Satz: „Endlich ein Lesben-Album für die ganze Familie!“ Es war das zweite Solo-Album der ehemaligen Team-Dresch-Sängerin Kaia und ist zwar schon uralt, aber auch heute noch sehr herzzerreißend. Der musizierenden Groß-WG The Hidden Cameras kann man diesen Satz leicht abgewandelt ebenfalls auf jede Hülle ihrer ebenfalls sehr herzzerreißenden Alben schreiben. Ihre dritte Platte haben die „Gay Church Folker“, die 2003 mit ihrem Debüt ‚The Smell Of Our Own’ so was wie die Vorhut des aktuellen Kanada-Booms bildeten, diesmal dem Laut gewidmet, den Wölfe beim Anheulen des Monds machen: „Awoo“. Eine in den Lattenzaun geschnitzte Mondsichel haben sie gleich mit aufs Cover gedruckt und die Auswirkung des Mondes auf den Menschen besingen sie natürlich auch: nimmt er ab, wird man verlassen. Oh weh. Verhandelt werden in den 13 Songs zudem allerlei Psychologisches und Spirituelles und natürlich die Licht- und Schattenseiten des Lebens im allgemeinen und des schwulen Lebens im besonderen. Musikalisch verlassen sich The Hidden Cameras auf das bewährte Modell der letzen beiden Alben: Streicher- und Piano-Balladen mit Glockenspiel-Einsatz wie bei „Waning Moon“, Wandering“ und dem großen „Fee Fie“ oder fröhliche Folk-Pop-Stücke à la Belle & Sebastian wie „Hump for Bending“. Am meisten überzeugen aber die beiden Songs, die man von den Hidden Cameras so noch nicht gehört hat: der Country-Folk-Schmachtfetzen „Death of A Tune“ mit der wunderbar hoppelnden Gitarre und das rock’n’rollende Stakkatofeuer „Lollipop“. (bereits letzte Woche erschienen) caroline-vonlowtzow +++ The Seesaw - Couch Crisis (Freefall) The Seesaw sind drei Männer aus Österreich, drei nicht mehr ganz so junge, die abwechselnd aber gleichberechtigt singen und an Gitarre und Bass zupfen - und das seit fünfzehn Jahren. Genau das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum sie sich auf dem neuen Album gelegentlich so anhören, als wären sie die Austro-Smiths (zum Beispiel bei ‚Count the stars’). Wenn ‚On and on’ anfängt, wippt der Fuß, ‚Polaroid Lovers’ lässt viel erwarten, doch es verfestigt sich bei jedem Lied das Gefühl, sowas schon mal gehört zu haben. Die Songs sind arg Refrainlastig und warten darauf, dass genau dieser richtig gut ist. Das ist er aber wirklich nur bei ‚These Days’, dem besten Stück auf der Platte, weil es sich ganz von den anderen abhebt. Alles andere ‚hört sich eben so’ und deswegen neigt man dazu, Seesaw in die überfüllte Kiste mit langweiligen Gitarrensound einzuordnen. Alles ein bisschen zu unkompliziert. Letztendlich machen The Seesaw eher Musik für 40-Jährige beim Autofahren. Wer The Seesaw in Bestform hören will, greife ruhig mal zum Album ‚Before Sunset’ (VÖ 2002). +++ Sebastian Hämer - Der fliegende Mann (3p) Der eigentliche Extremsportartenbetreiber kam in einer Karaokebar zum Singen. Sebastian Hämer kann das auch wirklich sehr gut und wurde von Moses Pelham unter Vertrag genommen. Dennoch klingt das Album nur nach einem Xavier Naidoo Verschnitt. Fast identische Stimme, ähnliche Texte, etwas weniger fromm, und sogar ganze Lieder ähneln sich sehr. Und ‚Sommer unseres Lebens’ hat zwar einen coolen Beat, ist aber bereits das fünfte deutsche Lied in den Charts, das zum großen Sommerhit werden möchte. Die Chancen stehen dennoch nicht schlecht, denn es befindet sich bereits auf Platz neun, allerdings geht es mit dem Sommer auch schon langsam zu Ende. +++ Hope Of The States – Left (BMG) Was für ein Wahnsinns-Intro. Hochdramatisch, mit Glockenspiel und allerlei anderen wunderschönen Klängen, die einen umhüllen wie ein Schleier. Leider wiederholt sich das nicht, im Gegenteil, es folgt eine gewöhnliche Stimme, unterlegt mit gitarrenlastigem Rumgerocke. Schwermut regiert, flattert über Gesang und Instrumente und wird nur bei ‚Industry’ richtig wütend. Toller erster Eindruck, Rest etwas eintönig. Aber die Gitarre ist gut! +++ Hip-Hop und Artverwandtes mit hannes-kerber: Jan Delay - Mercedes-Dance (Buback/Universal) Warum nicht Curtis Icefield oder Neil Jan? So hieß er früher, wenn er Funk gemacht hat. Ja, vielleicht hätte dann nicht jeder gleich Jan Phillip Eißfeldt (also known as Eizi Eiz) erkannt, aber man hätte dann eben auch andere Erwartungen gehabt. Auf dem legendären Klassiker „Searching For The Jan Soul Rebels“ klebte ja ehemals der Aufkleber: "Vorsicht: Kein Hip Hop!" So eine Warnung hätte vor der Vermutung (oder der Hoffnung?) geschützt, dass auf dem zweiten Delay-Album wieder Rootsreggae zu hören ist. „Ein neuer Jan, ein neuer Anfang: Reggae ist tot, jetzt ist Funk dran“ – Jetzt sind wir mit Jan Delay und „Mercedes-Dance“ bei James Brown, bei Kool & The Gang, den The Crusaders und bei Miles Davis angekommen. Denn Jan Delay ist einer der deutschen Künstler, die nicht auf Genres achten, aber manchmal offen- und absichtlich einen bestimmten Stil annimmt und weiterinterpretiert - er ist eine Madonna des Deutsch Raps. So finden wir hier eckige 70er-Pilotenbrillenfunk-Bläser-Tracks ebenso, wie die ruhige Disco Nummer „Für immer und dich“, einem freien Rio-Reiser-Cover. Und das alles dann mit den immer noch sehr großartigen Texten (besonders bei "Kartoffeln" und "Feuer"), die inhaltlich schwer an die früheren Zeiten erinnern: gesellschaftskritisch und trotzdem lebenslustig. „Mercedes-Dance“ ist vielleicht kein Album vom Format von „Searching For The Jan Soul Rebels“, aber es ist eben auch nicht einfach nur „das Album nach dem erfolgreichen Album“. À la bonne heure! +++ Joy Denalane – Born & Raised (Nesola/Four Music) Joy Denalane ist, natürlich, stimmgewaltig und deshalb auch nicht nur die „Queen of German Soul“, wie sie MTV zu nennen pflegt, sie ist der deutsche Soul. Aber es ist nicht nur ihre Stimme, die „Born & Raised“ zu einem großartigen Album macht, das man besitzen sollte. Es ist vor allem auch die „Hintergrund“-Musik. Das Produktionskonzept von Max Herre und Götz Gottschalk ist komplex: die auf Samples basierenden Tracks wurden mit Live-Instrumenten eingespielt und dann wieder mit den programmierten Beats unterlegt. Meine Anspieltipps sind die beiden Strorytelling-Tracks „Born & Raised“ und „Soweto“, sowie die beiden Rap-Feature-Tracks „Change“ (mit Lupe Fiasco) und „Heaven or Hell“ (mit Raekwon). +++ Blumentopf – Horst EP (Four Music) Selbst für alle, die nicht auf die Single “Horst” abgehen können (was man ja nachvollziehen kann), lohnt es sich, die Single zu kaufen: Neben dem Titellied findet man die komplette Blumentopf-WM-Berichterstattung, die „RAPortagen“, sowie das Lied „Lass die Show“ und den „Horst“-Videoclip. +++ Boozoo Bajou - Juke Joint II (K7 Records) Der sehr gute zweite Teil der „Juke Joint“-Compilation ist so etwas wie anspruchsvolle Kaffeehaus-Musik und bietet einen kaleidoskopischen Blick auf die Welt der globalen Musik von Jazz bis Downbeat.