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Die Alben der Woche: Beck, Aeronauten, Enik und noch vierzig andere

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Beck – The Information (Universal) Viel Gefrickel und noch viel mehr Gedanken, die sich der Allround-Künstler da gemacht hat. Die Platte – ein einziges Konzept, ausgeweitet auf ein nicht existentes Cover-Artwork, das dem Kunden freie Hand lässt (man darf auf Mathe-Millimeterpapier von Künstlern gestaltete Aufkleber kleben und hat dann ein Unikat von einer Beck-CD, die man in einem Jahr als „einzigartiges Sammlerstück!!! Sehr WERTVOLL“ auf Ebay versteigern kann und hoffen, dass irgendein Depp einen Sack voll Euros dafür bezahlt. Des weiteren hat Beck für jedes seiner Stücke ein Video gedreht und diese auf Youtube veröffentlicht. Dort harren sie der Kreativität der Fan-Cutter, die daraus dann wieder... Diese Platte ist ein einziger Traum für Museumspädagogen. Aber – und das ist ein guter Grund, das lang gehütete Fässchen Portwein zu öffnen – rausgekommen ist dann doch auch noch Musik. Anspiel-Tipps: die Single „Cellphone’s Dead“, die gut vorwärts treibt und „Strange Apparation“, in dem die Gitarre mit viel Leidenschaft schrummelig bearbeitet wird und ein Klavier reizend durch den Song taumelt. Ansonsten ist auch musikalisch viel Konzept und viel Crossover und Kunst untergebracht. Alles in allem also eine Platte, über die gerne mal eine ganze Doktorarbeit geschrieben werden könnte. Sie sich am Stück anzuhören, könnte dagegen zu einem etwas komplizierteren Unterfangen werden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jet – Shine On (Elektra) (nachgeliefert) Die arme Band! Sie leidet unter dem einen Hit „Are You Gonna Be My Girl“, den sie mal hatte und verzweifelt schön langsam daran. Da kann man natürlich hämen und behaupten: Wer seine Musik an einen großen Konzern verkauft und in die Gehörgänge der Massen hineinschwurbelt, hat es nicht anders verdient. Jetzt haben sie ein Problem, das sie lösen müssen. Die neue Platte klingt, und das ist die gute und zugleich schlechte Nachricht, kein Fitzelchen schlechter als das vollkommen solide 2003er-Debut „Get Born“ mit dem Mobilfunk-Hit und anderen Tollheiten wie „Rollover DJ“. Nur: Seitdem hat sich die Erde ein paar Mal gedreht, die ehemaligen Zujubler haben in der Zwischenzeit geschätzte zweihundert andere Lieblingsbands gehabt und wieder ersetzt und da kommen Jet und wollen wieder mitspielen. Bei manchen Liedern gelingt es ihnen fast, „All you have to do“ ist zum Beispiel ein schönes Schallala-Meisterwerk mit orgiastisem Gröhl-Refrain. Ansonsten wird viel wütendes Post-Teenage-Angst-Gehämmer geboten und das war’s dann auch schon. Diese armen Mobilfunk-Australier.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Fankritik von Max Scharnigg: Die Aeronauten – Hier: Die Aeronauten (L’age d’or) Ach die herzensguten Aeronauten. Die waren ja mein erster bewusst genossener Live-Act überhaupt, in einer Zeit als beim L’age d’or-Label noch die besten Bierdosen-Slacker der Nation das Szepter führten und nicht wie heute nur noch so Ecstasy-Elektrorocker. Die Aeronauten waren nie eine große Band, dazu war ihr Sound stets zu verschrammt, die Lieder und die Typen einen Tick zu onkelig und dann sind sie ja auch noch aus der Schweiz. Trotzdem konnte man mehrere Sommer in die Aeronauten verliebt sein, weil sie in ihrem Folkpunk-Trompeten-Gesamtwerk eben unfassbare Lieder haben. „Schuldigung“, „Früh-Spät“ oder der Kurzhit „Weltmeister“ und ihre liebenswerten französischen Coverversionen wurden stets zu Höhepunkten von Mixkassetten, die keinen kalt ließen. Mit den Mixkassetten verschwanden auch die Aeronauten, waren schon ganz schön alte Männer geworden und irgendwie dachte ich eines Tages, sie hätten sich aufgelöst. Das fühlte sich an, als ob der alte Hofhund gestorben wäre, den man lange nicht mehr gekrault hatte. Traurig. Aber jetzt sind die Aeronauten wieder da, alt und ein bisschen heiser, aber immer noch mit einem Raubein-Charme, als wäre es 1994 und Manfred-Krug-Gedenkjahr. Als würde man Element Of Crime zum Randalieren schicken, so klingt das. Die Stimme von Olifr „Guz“ Maurmann ist wild, roh und dick und wird zum Glück von dem gutgelaunten LoFi-Chansonpop der Kollegen entschärft. Einige Lieder sind mal wieder etwas zu eigenbrötlerisch und komisch geraten, aber bitte, die Perlen rollen auch wieder, zum Beispiel bei „Mein bester Feind“, das mit den schönen Zeilen beginnt: Es tut mir alles weh/draußen ist es sonnig/ich liege im Bett/und höre Tocotronic...und dahinter knüppelt ein Schlagzeug, wie es nostalgischer nicht sein könnte, es kommen Trompeten, ein 100-Prozent-Refrain, es ist super, her mit der Mixkassette! Total unmodern ist das natürlich, aber so sind die Aeronauten: Nicht gerade vorzeigbar, doch insgeheim die feinsten Seelentierchen, die man sich wünschen kann.


Stereotyp – Keepin’ Me (G-Stone) Wer hätte das gedacht. Drum’n’Bass ist immer noch nicht im Altkleidersack verschwunden. Zumindest nicht in Wien. Sterotyp heißt in echt Stefan Moerth und ist Mitglied der Dub Club-Clique. Seine Musik ist sehr vokal-lastig, ziemlich oft ein wenig arg nach Marvin Gayes sexy Hymne „Let’s get it on“ schielend, aber absolut massenkompatibel und äußerst solide verarbeitet. Super Lounge - sprich Fick-Musik, für musikalisch weniger ambitionierte Menschen, die ihre kostbare Jugend lieber damit verbringen, die Karriere nach vorne zu bringen, anstatt einer ominösen Indie-Credibility nachzujagen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ben Kaan – Zuause Wohnen – The Extrovert Album (Lamm Records) Ben Kaan ist 22 Jahre alt und das hier ist sein erstes Album. Sehr ruhig, sehr Singer-Songwriter-haft und deutsch. Gar nicht mal schlecht und fast perfekt, wenn man die Zuckerguss-Schichten von seinen Liedern runterkratzen und die darunter liegende Schönheit zum Vorschein bringen könnte. DFA - The DFA Remixes Chapter Two (DFA/EMI) Voll kränk. “She Wants To Move” von N.E.R.D. verwandeln die beiden eklektischen Elektriker Tim Goldsworthy und James Murphy in eine geradezu schwule Camp-Hymne. Auch die anderen Remixe von Nine Inch Nails, Goldfrapp und Hot Chip sind ganz großartig geraten. Endlich mal ein Album, bei dem auch der ahnungsloser Musik-Laie endlich kapiert, warum Remixe eine tolle und nützliche Erfindung sind. Wolke – Möbelstück (tapete records) Die Stimme des Sängers dieser Band schreit Berlin, in Wahrheit kommen sie dann doch aus Köln. Die Musik ist so: allerhöchstens mal in Trabgeschwindigkeit singen Oliver Minck und Benedikt Filleböck bedeutungsschwangere Zeilen, die in das eine Ohr rein und beim anderen sofort wieder rausmarschieren. Gute Songstruktur können sie aber und Melodien zaubern ebenfalls.


Boca 45 – Vertigo Sounds (Inique) Scott Hendy kommt aus Bristol, mag Fußball und Singles (die kleinen Platten, nicht die Menschen), deshalb der Künstler-Name. Von Beruf ist er DJ und Produzent und das hier, „Vertigo Sounds“, ist seine zweite Platte. Mit der ersten hat er es zu einigem Erfolg gebracht, der Radiogott Gilles Peterson hat eines seiner Stücke als „Tune of the Year“ empfohlen. Die aktuelle Platte ist ein schöner Haufen zusammengemixter Stile aus südamerikanischen Rhythmen, viel Vocals, ein wenig Drum-Maschine und viel Spaß an der Sache. Kann man gerne kaufen, muss man aber, wie immer, nicht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

The Golden Dogs – Every Thing In 3 Parts (True North) Ach, die Kanadier, die Schweden des amerikanischen Kontinents. „The Golden Dogs“ stammen von da, sind ausnahmsweise mal kein Kollektiv, sondern eine ganz normale Band, bestehend aus vier Jungs und einem Mädchen am Keyboard. Die wissen um alte Lieder und lieben ihren BRAVO-Beatles-Starschnitt. Das hört man, und das ist gar nicht doof, sondern super. Kaufen, wenn man kanadische Beatles mag. The Camping Group – So wie wir heute dastehen (Pavlek Records) Post-It-Zettel an alle Musiker zu verteilen: Superlustige Titel reichen oft gar nicht aus für einen ganzen Track. Das bedeutet in diesem Fall: so witzig der Liedtitel „Fantasyfilmfest Girl“ im Proberaum auch klingen mag, wenn in dem Lied dann nur die Worte Fantasyfilmfest, Girl und Liebe vorkommen, wird es für den gemeinen Zuhörer superschnell supertop-fad. Noch mal von vorne bitte und ganz anders diesmal. Superdanke.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Heinz Strunk – Mit Hass gekocht (tacheles!) Uff, Kurzhörspiele. Heinz Strunk macht das ja schon so lange mit Studio Braun und dann das Buch „Fleisch ist mein Gemüse“, der große Erfolg, die Anerkennung des Etablissements und jetzt „Mit Hass gekocht“. Für Menschen, die gerade etwas anderes zu tun haben (wie zum Beispiel Auto fahren oder im Suppentopf rumrühren) und nicht bekifft sind, kann die Platte ein wenig anstrengend werden, weil Strunk manisch seine tausend Charakter-Stimmen zusammenmixt und zum Teil enorm pubertäre Fäkal- und Geschlechtlichkeits-Witze hervorbringt, dass man nur betreten auf den Boden schauen will. Aber natürlich reißt er es bei jedem dritten Track dann doch wieder raus. Enik – Antenna EP (Labels) Enik hat gerade erst die halbe Musikjournaille Deutschlands in Aufregung versetzt (behauptet zumindest sein Label), da liefert er schon eine EP nach. "Antenna" hat sieben Stücke drauf, die alle zwischen richtig gut und interessant schräg rumtaumeln. Der Mann ist ein Gesamtkunstwerk, hat nicht nur eine, sondern viele Botschaften an die Menschheit und wenn man ihm länger zuschaut, bekommt man ein bisschen Angst vor ihm. Aber vielleicht liegt es auch nur an seinem exzessiven Eyeliner-Konsum und seiner frappanten Ähnlichkeit mit dem Selbstzerfleischer Nr.1 Ryan Adams. Außerdem erscheinen diese Woche: Jason Rowe – Lovelife V.A. – The ObliqSound Remixes Vol. 2 (ObliqSound) Sting – Songs From The Labyrinth Head Like Kite - Random Portraits Of The Home Movie Headlights - Kill Them With Kindness I Am Ghost -Lovers Requiem Solomon Burke - Nashville Antifamily - Antifamily Die Ärzte - Bäst Of

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