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Die Affenkapelle macht seit Freitag Dancemusik
Daft Punk / Virgin Jede Woche stellen wir an dieser Stelle einige CDs vor, die diese Woche erscheinen. Nicht unbedingt die besten, nicht unbedingt die schlechtesten - sondern einfach die, die wir erwähnenswert finden. Moby – Hotel (Mute) Daft Punk – Human After All (Labels/EMI) Malory – The Third Face (supermodern) The Concretes –The Concretes (Licking Fingers / EMI) Tss, Daft Punk und Moby in einer Woche, welcher Dancefloor-Schutzheilige hat denn das gefügt? Ich höre jetzt erst mal Moby, weil dem sein Päckchen opulenter ist: Pappschuber, Doppel-CD, handverfasstes Vorwort. Darin erklärt der sympathische New Yorker Geschäftsmann, warum sein fünftes Album nun also „Hotel“ heißen musste. Das hat mich aber gelangweilt, für Moby stehen Hotelzimmer irgendwie sinnbildlich für das menschliche Leben. Hähä, dann ist mein Leben ein ewiger Ausflug in die Minibar! Ich höre jetzt mal rein. Weiß gar nicht, was das letzte Moby-Lied war, das ich dufte fand, ich weiß aber wohl, dass ich irgendwann ganz früher auf einem Rock im Park stand und der Moby auch, mit seinen Trommeln, und dann habe ich getanzt und das war auch so ziemlich meine letzte Tanzaction überhaupt. Ich höre und höre und denke dabei, eigentlich ist Moby doch so etwas wie die R.E.M. der Dancemusik, vielleicht aber auch nur, weil er aussieht wie Michael Stipe. Ich höre und höre und höre gar nichts, es fließt so süffig in den Kopf, dass man ganz vergisst zu zuhören. Pop mit Beat. Und Moby singt. Ich ahne: Alles Hits. Ganz smarte Musik sowieso. Moby ist super, der weiß, wie man richtig viele Platten verkauft und trotzdem nicht zu DJ Bobo wird, das ist, glaube ich, die ganze Kunst in dieser Sparte von Popmusik. Das Album jedenfalls ist gut, keiner der da enttäuscht sein wird, wovon auch? Robbie Williams trifft Air. Nein, Moby eben. Die zweite CD kann ich leider trotzdem nicht mehr hören. Jetzt: Daft Punk is playing at my Hose. Daft Punk sind natürlich viel subversiver als Moby, und verkaufen trotzdem eimerweise Platten. Die neue heißt „Human After All“ und dängelt gleich wieder mit so Roboterstimmen rum, wie man das ja von ihrem Smash-Wash-Cash-Hit „One more Time“ noch im Ohr hat. Soweit also alles beim alten. Ich ziehe gleich vor bis zum dritten Lied, was insidermäßig das neue „One more time“ sein soll. Ist es aber gar nicht, ist ein ödes Weltraumschlachtinstrumental, da habe ich mich wohl verhört, beim Insiderstammtisch. Daft Punk kann man aber auch gar nicht sitzend toll finden, da muss man immer in Bewegung sein, aufgejazzt mit dem Roller rumfahren oder wenigstens mit elektronischen Bewegungen herumgehen. Ich bringe mal probehalber mit Daft Punk den Müll runter. Das Problem: Bevor das Lied richtig losgeht, so mit Tralalala und richtiger Basslinie, bin ich schon wieder oben. Das muss ich den lieben Musikanten eh mal sagen: Lange, sensible Intros nerven. Man steigt aus der U-Bahn und hat noch genau drei Minuten bis nach Hause, man will genau diese drei Minuten lang volle Affenkapelle auf den Ohren haben und was kommt im Walkman: ein mäanderndes Tönchen, ein schwieriges Gezupfe, ein zitternderer Synthesizer, der bis an den heimischen Suppentopf nicht weichen will. Lange Intros sind für Weicheier! Und ich meine jetzt nicht den Plural dieser einen Musikzeitschrift. Huch, Daft Punk sind ja immer noch da, da war bis jetzt aber noch nichts dabei, was ich meiner Frau in der Küche zugerufen hätte. Ich habe ja gar keine Frau! Und auch keine Küche! Aber Daft Punk haben eine radikale Computerplatte gemacht und die Hitdichte mal schön ausgedünnt. Muss ja auch wirklich nicht alle zehn Jahre was werden, mit Charterfolg und so. Oh, im vorletzten Lied sagt ein Kind ein Techno-Gedicht auf, das ist aber nett. Klingt super, ich nehme das mit der Hitdichte von vorhin wieder zurück. Dance-Fazit vom knallharten Dance-Judge: Moby reist mit BahnCard 50 und Erfrischungstüchlein im InterRegio, Daft Punk schlagen sich eher im Tarnanzug über die grüne Grenze und werden dabei struppig. Ach, weg mit dem Synthetiksex, her mit richtig hartem Rock’n’Bang. Oder was macht ihr, Malory aus, äh, iiih, Berlin? „Wir zelebrieren die Verschmelzung von Gitarren-und Elektrosounds.“ Ach Gott, dann lieber nichts sagen. Interessant ist, die Lieder von Malory klingen allesamt wie lange Intros, siehe oben. Epische Melodiebögen könnte man dazu sagen, wäre man bekloppt. Bisschen langweiliges, aber sonst sehr okayes Popzeugs mit traurigen Gitarren. Die frühen Low aus Deutschland. Ewiges Warten auf einen guten Einfall. Frauenstimme. Das wird schon noch mal was, nur dumm, dass „The Third Face“ schon das dritte Album von Malory ist. Da tickt die popbiologische Uhr schon laut. Weiter, jetzt freut's mich langsam nicht mehr, hoffentlich sind The Concretes tauglich. Aus dem engbeschriebenen, zweiseitigen Erklärtext werde ich nicht recht schlau, die sind zu acht, aus Schweden, irgendjemand ist gestorben und jetzt sind sie wieder zu acht, und sie üben nicht gerne, oder so. Ein Sticker klebt auf der Hülle, da steht, was die Zeitung „The Times“ zu der Sache sagt: „Gloriously catchy weirdness". Ach komm! Das erste Lied klingt wie Coco Rosie, die noch vier Geschwister bekommen haben: zerbrechliches Quietsch-Fabulieren auf einem Ton. Die Concretes sind sehr süß, das merke ich schon, kleine bunte Märchen-Lieder, immer alles in so einem Schunkel-Mädchen-Chor, traurig natürlich und es geht um Wahrsager und ein Glockenspiel und Geigen und, ach! Man möchte sich einen Kissen in den Schoß legen und summen. Eine wirklich phantastische Platte, wenn jetzt gerade Herbst wäre und Zimtkerzenkuscheln angesagt. Ist aber nicht, ist Frühling und die Affenkapelle soll aufspielen. Trotzdem sehr schön, die Singmädchen, The Concretes, bitte verbindlich reinhören und kaufen.