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Zum Schulanfang. Die Accessoires unserer Grundschulzeit

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Der Wasserfarbkasten Als kleiner Mann wusste ich immer viel schneller, was von was kommt. Dass meine Wasserfarb-Bilder nicht so schön waren, wie die von den anderen, kam jedenfalls davon, dass ich keinen Doppelstock-Wasserfarbkasten hatte. Das war ein wunderbares Utensil, mit dem vor allem die Mädchen antanzten. Es bot nicht nur doppelt so viele Farbtöpfchen wie mein einfaches Pelikan-Basismodul, sondern auch absolute Kracherfarben wie Silber und Gold! Damit war es ja wohl ein Leichtes, glänzend zu malen! Man konnte sich damit auch zum Beispiel so einen speziellen Wasserbehälter an die Seite klemmen, während ich stattdessen mit einer alten Kaffeedose aus Schulbeständen vorlieb nehmen musste. Natürlich, so dachte ich, würden in den Luxus-Farbkästen auch nie die Farben austrocknen, wie es bei mir ständig geschah und das Blau länger halten. Ich quengelte meine Mutter dahingehend auch von der Seite an, was diese aber mit dem Verweis auf die Preise der Doppelstöcker und wohl auch auf mein überschaubares Talent, ignorierte. max-scharnigg


Der Schulranzen Meine Mutter war schon immer sehr praktisch veranlagt. Als ich vier Jahre alt war, schnitt sie im Sommer meine Zöpfe ab, weil sie fand, dass man meine Haare so besser waschen konnte. An Fasching hab ich mir, nicht wie alle anderen Kinder, ein Kostüm bei Karstadt gekauft, nein, mir wurden jeweils drei schwarze Striche auf die linke und rechte Backe gemalt. Meine Mutter dachte, diese angedeuteten Schnurrbarthaare genügten, um mich der Außenwelt gegenüber als Katze zu kennzeichnen. Als ich dann kurz vor meiner Einschulung einen Füller bekam, auf dem Fußbälle (!)waren, wurde mir klar: mit dem Scout wird das nix. Im Grunde war das nicht weiter schlimm: Mein Me-Too-Produkt war auch mit reflektierenden Tragegurten und ergonomischen Rückenpolstern ausgestattet. Und das solide Obstmuster fand ich eigentlich sogar schöner als diese verdrogten Regenbogen-Einhörner oder die Dinosaurier aus „In einem Land vor unserer Zeit“, die auf allen Scouts prangten. Aber es war wie mit Turnschuhen, die Adidas sein wollen, aber keine sind: an meinem Ranzen war ein vierter Streifen dran. In der zweiten Klasse überzeugte ich endlich meinen Vater davon, dass ich ohne Scout kein vollwertiger Mensch war. Mein Modell hieß „Fantasia“, ich glaube, es war mit blauen Wolken und Elfen, ich hasste Elfen, aber egal. Für den Rest der Grundschulzeit tauchte ich zufrieden in der gleichgeschalteten Scout-Masse unter. Dieses Schauspiel wiederholte sich, als ich ins Gymnasium kam. Neue Schule, neuer Lebensabschnitt, neuer Ranzen – ich bekam einen „4You“, diesen praktischen rechteckigen Kasten mit unendlich vielen Fächern, die viele so hoch trugen, so dass sie aussahen wie Enkelkinder des Glöckner von Notre Dame. Meiner war schwarz und unauffällig und eine Weile lang konnte ich in Ruhe damit leben. Dann tauchten in der 5. Klasse die ersten Schlaghosen auf und ich trug immer noch Clownshosen aus gelbem Cord, die mir meine Großeltern aus China zuschickten. Einige andere Mädchen kleideten sich da schon längst bei Orsay ein und verbrachten ihre Nachmittage in der Schminkabteilung von DM. Die hatten natürlich einen Eastpak. Weil das ein Spiel war, das ich nie gewinnen konnte, beschloss ich, Lippenstifte und Buffalos blöd zu finden und hielt mich fortan an jene Mitschüler, die ihre Bücher und Hefte in klassischen Lederranzen transportierten. Viele von ihnen trugen sie von der ersten bis zur dreizehnten Klasse. Sie hatten sehr weise Eltern. xifan-yang


Der Popel im Heft Papier ist Papier. Papier kauft man, um darauf zu schreiben. Genauso wie ein Stift ein Stift ist und ein Stift gekauft wird, um mit ihm zu schreiben. Aber so einfach war es nicht. Vielleicht wollte man uns damals, in den Klassen 1 bis 4, auf den später folgenden Konsumterror vorbereiten und uns so schockartig an die Produktvielfalt der BRD gewöhnen. Vielleicht litt der zuständige Mann im bayerischen Kultusministerium auch unter zwanghaften Zuordnungswahn. Auf jeden Fall brauchte ich zu keinem anderen Zeitpunkt meines Lebens mehr unterschiedliche Papierformen als in der Grundschule: weiß liniert ohne Rand, weiß liniert mit Rand rechts, weiß liniert mit Rand an beiden Seiten, kariert mit und ohne Rand, ganz weiß ohne irgendwas, oder Umweltpapier? (schmiert aber), Löschblatt nicht verschlampen und so weiter. In der zweiten Klasse musste ich mir ein neues Matheheft kaufen. Das alte war leer. (Es war natürlich nicht leer, sondern voll, aber ständig sagte irgendjemand: „Frau Schottenbichler, mein Heft ist leer!“, worauf dann wieder alle lachten. Nur Sabine nicht, aber die fiel auch durch die theoretische Fahrradprüfung.). Von all diesen verschiedenen Bezeichnungen verwirrt stand ich im Dorfkiosk und verlangte ein „kastriertes Heft“. Worauf mich die kurz vor der Rente stehende Verkäuferin mit großen Augen anblickte und abermals nachfragte. „Ein kastriertes Heft!“, wiederholte ich, weil kastrierte Hefte ja Kästchen haben und keine Karos. Ich bekam es schließlich, aber erst Jahre später fiel mir ein, warum die Verkäuferin damals so komisch geschaut hatte. Aber das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen. Ich wollte vom Popel erzählen. Das Stück hat in meinem Leben eine erschreckende Konstanz. Gleichzeitig brach es wie ein schmutziger Komet in die blütenweiße Bildungswelt herein. Es war, als hätte jemand in den Elfenbeinturm geschissen. Das Stück begleitet mich wie ein frühkindliches Trauma, das man im tiefen Keller des Unbewussten vergraben hat und das man besser dort unten lässt. In diesem Fall handelt es sich allerdings um den Speicher. Dazu kam es so. Alle karierten, linierten Hefte mit und ohne Rand steckten wiederum in verschiedenfarbigen Einbänden. Mathe war blau, Heimat- und Sachkunde war grün und Deutsch war rot. Mein Banknachbar hieß Christoph Gimperl und bohrte oft in der Nase. Er war ein bisschen dicklich. In den Pausen aß er immer nur Schokoriegel, während ich mein Vollkornbrot mümmelte. Ansonsten war er ein ganz umgänglicher Zeitgenosse. Manchmal gab er mir auch ein Stück von seinem Schokoriegel ab. Ich war krank und die letzten drei Tage mit einer Mandelentzündung im Bett gelesen und hatte deswegen den Anschluss verloren. Ich schlug mein Heft auf und Frau Schottenbichler bat Christoph Gimperl mir zu zeigen, wo wir gerade sind. Christoph Gimperl zog daraufhin seinen Finger aus der Nase und fuhr damit über mein liniertes Heft mit weißen Rand. Als ich ihn angewidert anblickte, entschuldigte er sich bei mir. Ich starrte den Popel noch eine Zeitlang an, dann entschloss ich mich, die Seite zuzuklappen und nie wieder zu öffnen. Christoph Gimperl und mich hat die Zeit nach und nach auseinander gezerrt. Ich glaube, er wohnt noch immer im selben Dorf und arbeitet bei einer Versicherung. Vor etwa einem Jahr wühlte ich im Speicher herum und fand ein rotes Heft. Weiß liniert mit doppelten Rand. Er war noch immer da. philipp-mattheis


Die Hausschuhe

In der Grundschule hatten wir alle unseren eigenen Haken an der Garderobe, hübsch personalisiert mit kleinen Bildern von Vögeln, Raupen und Bäumen. Und unter diesen Haken standen unsere Hausschuhe. Meine waren Hüttenschuhe aus Filz von der österreichischen Traditionsfirma „Giesswein“. Und wenn wir im Winter im Ganzkörperschneeanzug und an den Füßen kleine Bergstiefelchen die vierhundert Meter zu Schule gewandert waren, dann schälten wir uns alle aus Outfit und waren in Wollstrumpfhosen und Hausschuhen bestens ausgestattet – wenn auch zugegebenermaßen einigermaßen leger - für einen neuen Schultag. Heute dagegen? Wird der Kollege schon schief angeschaut, wenn er sich mal vor lauter Gemütlichkeit heimlich unterm Schreibtisch die Schuhe auszieht. Wie viel besser wäre es doch, wenn man sich auch im Büro so zuhause fühlen würde, dass man in Strumpfhosen (obligatorisch mit diesen kleinen Wollknötchen an Knie und Knöcheln) und Schlapfen herumwandern könnte, ohne dass man vom Chef eine Abmahnung erhält. Aber so ist es eben mit dem Erwachsenwerden, dessen Elend sich alleine schon in der Abschaffung des Hausschuh-Tragens manifestiert. christina-waechter


Pausenmilch In jener Zeit, in der Tafelschwammschwitze und der Dunst durchgewalkter Gymnastikmatten mein Arbeitsleben namens „Schulzeit“ bestimmte, war mir aromatische Abwechslung in den Pausen dringend willkommen. Es gab sie im Mini-Tetrapack und sie hörte auf den Namen „Pausenmilch“ und leuchtete in den Fürst-Pückler-Farben Schoko, Erdbeere und Vanille. Alle drei Sorten waren fiese und durchsüßte Aroma-Pusher von Graden. Irgendwann fragte ich mich aber, weshalb die Süßwarenkultur in ihrer Gesamtheit auf nur diesen drei Geschmacksrichtungen aufbaut? Ich kam nicht umhin, die Schuld an diesem Geschmacksdiktat Kanzler Kohl zuzuschieben. SchwarzRotGold, so dachte ich – ein verstecktes Zeichen der Regierung, die ihren Landeskindern rechtzeitig Patriotismus eintrichtern will! Auch andere schienen den übermäßigen Milchkonsum unserer Generation in Frage zu stellen und es kam alsbald zu Misshandlungen. Ergebnis waren akkurate Schokomilchexplosionen und Schulkollegen, die nach der Detonation einer Pausenmilch blökend auf ihre befleckte Montur zeigten. Ein paar Explosionen später keimte die Pubertät und der Milchdurst war vorbei. Die Pausenmilch kullerte vom Speiseplan und die Ersten unter uns lernten, dass Bier ja auch eine Form von Pausenmilch ist. Und Bier fällt, stelle ich heute mit Blick auf die regional verankerten Hersteller fest, höchstens unter den Verdacht des Lokalpatriotismus. Schön. Es wird nicht alles schlechter, wenn man groß wird. peter-wagner

Text: jetzt-redaktion - Illustration: Katharina Bitzl

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