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Wie man einen Verlag gründet

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2008, nach dem Ende meines Volontariats beim Rockbuch Verlag, wurde die Marke Rockbuch von einem Konzern in Hamburg aufgekauft, der nicht Konzern genannt werden wollte. Das Gute an einem kleinen Verlag war, dass man in alle Produktionsstufen eines Buchs Einblick bekam, im Konzern aber fehlte mir die notwendige Liebe zum Buch und so entschied ich mich, meinen eigenen Verlag aufzumachen. Die Gründung eines eigenen Verlags ist ja eine gute Idee, aber wo sollte der Standort sein? Meine ehemaligen Chefs besitzen glücklicherweise ein Haus in Berlin, in dem gerade eine Wohnung frei wurde. Also Berlin, zunehmend das literarische Zentrum Deutschlands (Hallo, Frau Unseld-Berkéwicz!) und dazu niedrige Lebenshaltungskosten. Da die Idee zur ersten Veröffentlichung schon fest stand und dazu mein Freund Johannes, ein Grafiker, die Schnauze von der Werbung voll und gekündigt hatte, war auch direkt der Mensch gefunden, der mir bei der Umsetzung von „Deutsch für den Ausländer“, einer Sprachlehrbuch-Parodie, helfen konnte. Schnell noch den Verlagsnamen festgelegt: GROSSKONZERN – der kleine Verlag. Und dann ging es los.

Wie stellt man das jetzt an mit dem Selbständigwerden? In meinem Fall, musste ich erst einmal arbeitslos werden. Ohne Arbeitslosigkeit keine Existenzgründerförderung vom Arbeitsamt. Die Leute dort waren so freundlich, mich in ein zweiwöchiges Seminar namens „Existenzgründung für Akademiker“ zu schicken. Dort tummelten sich neben einem Pädagogen, der einen Kindergarten gründen wollte, und dafür „Raum! Viel Raum!“ brauchte, einer Texterin und diversen anderen, eine Endfünfzigerin, die in der Vorstellungsrunde erzählte, sie wolle in Marzahn ein „Fitnessstudio für übergewichtige ältere Frauen ab Mitte 50“ aufmachen. Als ich in der Vorstellungsrunde an der Reihe war, teilte mir diese Expertin mit, „dass ein Verlag heutzutage doch nix abwerfen könne“. Aber alte, fette Frauen ins Fitnessstudio kriegen! Mit dem Angebot „ Ein Stück Kuchen pro Krafttraining“ vielleicht? Ansonsten wurde uns ausführlich erklärt, wir müssten Selbstvertrauen zeigen, selbstbewusst und nicht verdruckst auftreten. Über das Seminar bekam ich Kontakt zu einer Existenzgründerhilfe, ein Business-Plan und eine Vorhabensbeschreibung wurden erstellt, dem Finanzamt wurde Bescheid gesagt, dass ich eine Umsatzsteueridentifikationsnummer bräuchte, ein Gewerbeschein besorgt – und dazu traf ich mich tagtäglich mit Freund Johannes, um am Buch zu arbeiten. In einer Nachtsession erschufen wir für unser etwas anderes Lehrbuch die deutsche Familie Schmidt (Vater gelernter Fallschirmspringer und IM, Mutter Eve Ketwurstimbissbetreiberin, Tochter Doreen Möchtegernsuperstar und Et-Hertie-Fan und Sohn Sven, alias Svengster, ein selbsternannter Gangsta-Rapper). Schnell fanden Johannes und ich heraus, dass gemeinsames Arbeiten zu festen „Bürozeiten“ wesentlich zielstrebiger ist als Alleine-Wurschteln. Jeden Tag zwischen 10 und 11 Uhr morgens trafen wir uns, Johannes entwarf das Layout, illustrierte und erfand die Familie Schmidt grafisch, während ich die Texte zu den Kapiteln schrieb, die Grammatik an Hand von expliziteren Worten zusammenstellte, den Imperativ bildlich zu machen versuchte („Geh scheißen!“) und für die Bonus-Tracks Texte zu Themen wie „German Celebrities – From Gottschalk to Leni Riefenstahl“, „German Weather“ oder „German Inventions“ ausdachte. Wenn uns zwischendurch langweilig wurde, ließen wir die Zeugen Jehovas rein, um mit ihnen über Gott zu sprechen. Und dann, Anfang August, stand das Buch so weit, Johannes Freundin Lisa als Englischlehrerin und mein amerikanischer Freund Paul korrigierten die englischen Texte, wir alle lektorierten das gesamte Buch noch einmal, um möglichst alle Fehler zu beseitigen und eine Druckerei war mittlerweile auch gefunden. Liefertermin Mitte September. Der verzögerte sich dann noch einmal, weil die Druckerei eine falsche Prägeform für das Cover freigab, aber am 23. September war es dann so weit: 2000 Exemplare von „Deutsch für den Ausländer“ und ein leeres Konto – aber als Verleger muss das wohl am Anfang so sein. Zwei der vier Paletten voller Bücher brachten wir dann ins Lager, das Johannes Wohnung im 5. Stock war. Wieder was gelernt: Lager sollten ebenerdig sein! Und jetzt geht es darum, das fertige – und nebenbei wunderhübsche – Buch, an den Buchhändler und die Buchhändlerin zu bringen. Und das ist gar nicht so einfach. Amazon verlangt wenigstens 50 Prozent Rabatt auf den Ladenpreis, Thalia und Hugendubel gleichfalls und im Großhandel, bei den so genannten Barsortimentern, sieht es auch nicht viel besser aus. Deswegen die Ochsentour: Johannes und ich im Auto, den Kofferraum voller Bücher, Kundengespräche vor Ort, Rabattraten zwischen 30 und 40 Prozent, auf Kommission. Dazu Pressearbeit, Telefonieren mit Journalisten, Rezensions-Exemplare verschicken, Versandmaterial besorgen, die ersten Bestellungen. Alles läuft an – dank der großartigen Hilfe von Johannes, unseren Freunden und Unterstützern. Und jetzt die Buchmesse. Wir haben keinen offiziellen Stand, aber das ist nicht schlimm. So sparen wir uns 2000 Euro für einen Tisch bei den Klos in Halle 500 und machen eben Guerilla-Marketing oder nehmen eine Gangsta-Rap-Single für Svengster auf. Wurden auf der Buchmesse eigentlich schon einmal die Stände anderer Verlage oder Lesungen geentert? Mal sehen. Buchmesse, sieh Dich vor, wir kommen!

„Deutsch für den Ausländer“ ist portofrei für 19,89 € erhältlich über der-grosskonzern.de

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