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Wie junge Autoren mit lustigen Stipendien in die Provinz gelockt werden
Wer Künstler oder Schriftsteller ist, kann nur selten von seinem Job richtig leben. Deshalb gibt es im deutschsprachigen Raum eine große Zahl von Preisen und Stipendien, mit denen den Kreativen zumindest für kurze Zeit sorgenfreies Nachdenken, Schaffen und Schreiben ermöglicht wird. Mit Vorliebe rufen Städte und Gemeinden in der Provinz solche Stipendien aus und suchen gerne und oft „Stadtschreiber“. Für die Stadt handelt es sich dabei um schönes Marketing und der erwählte Künstler freut sich über eine Zeit, in der er einigermaßen sorgenfrei arbeiten kann. Allerdings muss er sich plötzlich für Orte interessieren, die er vorher nicht beim Namen kannte. Wir haben uns einige dieser Stipendien angeschaut und fragen: Sind die wirklich alle erstrebenswert? 1. Das Tanzbären-Beobachtungs-Stipendium Bulgarien ist nicht gerade eines der von deutschen Touristen überrannten Urlaubsziele und nur wenige Kinder schenken dem Tanzbären ihre Aufmerksamkeit. Um Land wie Tier ins Gedächtnis der Republik zu rufen, schloss sich "VIER PFOTEN – Stiftung Tierschutz" mit Autorin Juli Zeh kurz. Zeh wurde zur Tierschutzbotschafterin ernannt und verbrachte von Mitte September an einige Wochen in einem Natursteinhaus am Fuße des Tanzbärenparks von VIER PFOTEN in Bulgarien. Dort arbeitete sie an ihrem neuen Roman und ließ sich laut Pressemitteilung „durch die eindrucksvolle Landschaft des Rila-Gebirges und die Beobachtung der inzwischen 20 befreiten ehemaligen Tanzbären“ für die Arbeit an ihrem neuen Roman inspirieren“. VIER PFOTEN stellte die Unterkunft zur Verfügung. Juli Zeh zu ihren Erwartungen an den Aufenthalt im bulgarischen Bärenschutz-Zentrum: "Wer schreiben will, muss den Menschen verstehen. Wer den Menschen verstehen will, muss wissen, was ein Tier ist. Wer wissen will, was ein Tier ist, muss die Natur begreifen. Wer die Natur begreift, kommt sich selbst näher. Und wer sich selbst nahe ist, wird früher oder später den Wunsch nach Ausdruck verspüren. Zum Beispiel durch Schreiben".
Das ist Juli Zeh während ihres Aufenthalts auf Sylt, wo sie 2004 "Inselschreiberin" war. (Foto: dpa) 2. Das Bahnhäuschen-Stipendium Seit 1992 vergibt die Stadt Esslingen am Neckar das Stipendium mit dem Namen: „Esslinger Bahnwärter“. Während des dreimonatigen Aufenthalts bekommen die bildenden Künstler oder Literaten eine Künstlerwohnung, einen Atelierraum und monatlichen Unterhalt - das Werk, das in dieser Zeit entsteht, sollte sich mit der Stadt Esslingen und der Region auseinandersetzen. Die Wohnung hat zweieinhalb Zimmer und liegt in einem Bahnwärterhaus am Rande der Bahnstrecke München-Stuttgart. Bei der Bahnstrecke handelt es sich um eine hochfrequentierte ICE-Strecke. 3. Das Burg-Kämmerlein-Stipendium Seit 13 Jahren laden Stadt und Kreis Beeskow Literaturstipendiaten für ein halbes Jahr in das Burgschreiberstübchen der Burg Beeskow. Dort steht ein Computer und auch eine Dusche und eine Kochgelegenheit gibt´s. Von den Bewerbern wird, fordern die Ausschreiber, "eine schöpferische, literarische Auseinandersetzung mit Beeskow und seiner Umgebung und eine aktive Teilnahme am öffentlichen Leben der Stadt erwartet". Beeskow hat 9.000 Einwohner und liegt gut 80 Kilometer südöstlich von Berlin. An die polnische Grenze sind es noch um die 35 Kilometer.
Weit weg und schön versteckt: Die Domizile deutschsprachiger Literaturstipendiaten. Hier die Burg Beeskow, von der es nur acht Minuten Fußweg nach Beeskow mit seinen 9.000 Einwohnern sind. (Das Foto haben wir der Heimseite www.burg-beeskow.de entnommen.) 4. Das Gartenhaus-Stipendium Seit mehr als 20 Jahren bewerben sich Künstler für einen fünfmonatigen Aufenthalt im Städtchen Otterndorf an der Nordsee. Otterndorf, nicht groß aber am Wasser, zählt etwas mehr als 7.000 Einwohner und spendiert schreibwilligen Bewerbern eine Bleibe im „Gartenhaus am Süderwall", Strom zahlt die Stadt und obendrauf gibt’s 4.350 Euro Zuwendung. Die Stadt schreibt Bewerbern dies: „Ihre Erwartungen kennen wir nicht. Wir gehen davon aus, dass Sie Ihre bisherige Arbeit in Otterndorf fortsetzen, denn wir wissen, dass dieses Stipendium nicht ausreicht, um einen fünfmonatigen Urlaub bei uns zu verbringen. Wir erwarten, dass Sie den Sommer - soweit es Ihre Verpflichtungen erlauben - bei uns verbringen und bereit sind, Land und Leute kennen zu lernen. Wir hoffen, dass Sie den interessierten Mitbürgern, die Sie mit Sicherheit ansprechen und aufsuchen werden, offen gegenüberstehen. Wir wünschen, dass Sie uns Ihre Arbeit vor Ort vorstellen. Wir freuen uns, wenn Sie mit den Schulen, der Volkshochschule und den Medien zusammenarbeiten und dazu beitragen, den kulturellen Sommer bei uns zu gestalten.“ 5. Das Tertiarschwester-Stipendium Die 13.000 Einwohner von Schwaz in Österreich freuen sich jedes Jahr über die Auswahl eines neuen Stadtschreibers, der ein bis drei Monate weilt. Für die Stelle im Jahr 2005 hatten sich 150 Schreiber beworben, bekommen hat sie Michail Jelisarow. Er logierte bei freier Kost und Logis im Franziskanerkloster, bei den Tertiarschwestern. 6. Das Krimi-Insel-14-Tage-Schreibstipendium Das Abgeschiedensein auf der Insel Juist sollen deutschsprachige Krimiautoren auf der Insel Juist nutzen. Ihnen wird 14 Tage Kost und Logis gesponsert. In dieser Zeit sollen sie an einem Krimi arbeiten, müssen aber den Inselaufenthalt im Impressum des entstehenden Buches erwähnen. Damit kein Zweifel an der Qualität des Stipendiums aufkommt, geben die Veranstalter gleich eine als Beispiel gedachte Text-Vorlage: „Das fünfte Kapitel ist auf der wunderschönen Insel Juist entstanden, vielen Dank an das Hotel … und das Haus …“ 7. Das Leistungsstipendium Wer in Ranis zum Stadtschreiber gekürt wird, bekommt 100 Tage freie Unterkunft und 1500 Euro obendrauf. Bewusster Schreiber soll ein Werk schaffen, das einen Bezug zu Ranis erkennen lässt. Ein bisschen Leistungsdruck gibt´s auch: Es muss ein Manuskript abgeliefert werden! Sonst gibt´s die zweite Rate des Stipendiums nicht. Ranis liegt in Thüringen, zwischen Ziegenrück und Krölpa. 8. Das Struwwelpippi-Wilibrord-Stipendium Die Kinderbuchautorenresidenz „Struwwelpippi kommt zur Springprozession“ fördert Kinderbuchautoren, die einen Monat im luxemburgischen Echternach leben und arbeiten sollen. Der Aufenthalt fällt, absichtlich, mit der alljährlichen Springprozession zu Ehren des heiligen Willibrord zusammen. Das ist ein irischer Wandermönch, der im siebten Jahrhundert in Echternach eine Abtei gründete.