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Wer früher linkt ist länger Chef

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Das Karrierenetzwerk LinkedIn senkt das Mindestalter für Mitglieder ab Mitte September von 18 auf 14 Jahre. Das ist das Alter, in dem man in Deutschland im juristischen Sinne kein Kind mehr ist, sondern Jugendlicher. Damit schöpft die Firma nach eigener Aussage das Maximum dessen aus, was hierzulande rechtlich möglich ist.

“Wir verbinden Fach- und Führungskräfte weltweit miteinander, um diese produktiver und erfolgreicher zu machen”, so die Selbstbeschreibung von LinkedIn. Wer sich dort registriert, kann sich einen Lebenslauf anlegen, kann sich mit Kollegen (oder Mitschülern) vernetzen und bekommt passende Stellenangebote angezeigt. Muss man da wirklich schon mit 14 mitmachen? Ist das nicht ein bisschen früh für Karriereplanung und arbeitgebergerechte Selbstdarstellung?



Von vielen Seiten wird die Neuerung heftig kritisiert. Etwa schreibt Kritsanarat Khunkham in der Welt: “Früher steckte man sie in Fabriken. Heute sind sie in der Ganztagsschule. Und nun die nächste Stufe: LinkedIn senkt das Mindestalter für Mitglieder von 18 auf 14 Jahre.“

Gudrun Herrmann, Pressesprecherin von LinkedIn Deutschland, begründet den Schritt auf Anfrage damit, dass viele Jugendliche ja auch schon mit 16 eine Berufsausbildung anfangen würden. Praktika seien bereits mit 15 normal. Herrmann hat keine Bedenken, dass eine allzu frühe Karrierefixierung von Schaden für die Jugendlichen sein könnte: “Ich würde auch meinen Kindern raten, sich bei LinkedIn zu registrieren.”

Tatsächlich hat sich durch die Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre und durch den Wegfall der Wehrpflicht der Start ins Berufsleben für viele nach vorne verlagert. Für den Jugendforscher Bernhard Heinzlmann passt die Entscheidung dementsprechend zum Zeitgeist: “Jugendliche werden immer früher dem Ernst des Lebens ausgesetzt. LinkedIn reagiert nur auf den Markt.“ Die Fähigkeit, sich selbst zu verkaufen, sei in unserer Kultur sehr wichtig und müsse dementsprechend früh gelernt werden: “Wir leben in keiner Leistungs-, sondern in einer Inszenierungsgesellschaft.”

Anders als etwa bei Facebook muss man bei der LinkedIn-Registrierung allerdings überhaupt kein Geburtsdatum angeben. Nur ein Absatz in den selten gelesenen Nutzungsbedingungen weist darauf hin, dass es ein Mindestalter gibt, unter dem das Angebot nicht genutzt werden darf. Bei dem Unternehmen heißt es jedoch, anhand der Lebenslaufdaten könne man auf das Alter schließen. Man würde jede Neuanmeldung überprüfen und unzulässige Profile löschen.

Nur 5,8 Prozent der LinkedIn-Nutzer in Deutschland sind jünger als 25. Die größte Usergruppe ist die der 45- bis 54-Jährigen. Das Unternehmen muss also dringend mehr junge Kunden gewinnen. Die Zahlen zeigen aber auch, dass schon bei den Anfang-20-Jährigen das Interesse an beruflichen Netzwerken eher gering zu sein scheint. Auch sonst hat es die Jugend nicht so eilig mit dem Start in den Ernst des Lebens, wie oft suggeriert wird: Berufsausbildungen werden immer später angefangen, 2011 lag der Durchschnitt bei 20 Jahren.

Gut möglich also, dass die ganze Aufregung um die neuen Altersgrenzen umsonst war, weil sich aus der Zielgruppe kaum jemand dafür interessiert. Es gibt sicher eine besonders zielstrebige Minderheit, die schon vor dem ersten Bartwuchs mit der Karriereplanung anfängt. Deren Nachfrage wird von LinkedIn jetzt bedient. Alle anderen können dem Netzwerk ja weiterhin fernbleiben und ungezwungen ihre wilde Jugend genießen.

Text: christian-endt - Foto: Gerti G. / photocase.com

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