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Wenig Lärm um die nackte Sharon
Es gab einmal eine Zeit, gar nicht allzu lange her, da konnten Filme noch ‚Sexskandale’ auslösen. ‚Basic Instinct’ zum Beispiel war ein solcher Film, 1992 Eröffnungsfilm in Cannes. Sharon Stone ohne Unterhose aber mit Eispickel, nymphoman, lasziv und so männertraumorientiert bisexuell, dass Homosexuelle in den USA wochenlang gegen den Film auf die Straße gingen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Die sexsüchtige, skandalöse Hauptdarstellerin werfe ein schlechtes Bild auf alle ‚echten’ Homosexuellen, so der Vorwurf. Doch nicht nur sie protestierten gegen ‚Basic Instinct’. Streng gläubige Dorfbürgermeister verbannten den Film ungesehen aus ihren Kinos, die Zensurbehörden in den USA kürzten minutenlange Sex- und Gewaltszenen aus der Originalversion heraus und als dann auch noch Hauptdarsteller Michael Douglas, pünktlich zum Kinostart, mit einem Bekenntnis zur eigenen ‚realen’ Sexsucht Öl ins Feuer schüttete, klingelten die Kassen lauter, als Sharon Stone auf der Leinwand je stöhnen konnte. Über 360 Mio. US-Dollar spielte ‚Basic Instinct’ ein, eine Fortsetzung wurde schon nach wenigen Monaten offiziell angekündigt. Jetzt hat es doch etwas gedauert. 14 Jahre, genauer gesagt. Nach Streit und Prozessen mit Sharon Stone, die auch in ‚Basic Instinct – Neues Spiel für Catherine Tramell’ wieder die Hauptrolle spielt, nach Regisseurwechsel, Hauptdarsteller- und Drehbuchquerelen und Uneinigkeiten in der Frage nach dem Drehort, hatte letzte Woche der zweite Teil des skandalträchtigsten Kinofilms der 1990er Jahre in London Weltpremiere, bei uns startet er nächste Woche.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Und? Man hätte es fast nicht gemerkt. So sehr sich die Macher auch bemühen, die sexuelle Sprengkraft zum Beispiel der Einstiegszene des Films vorab anzupreisen (Catherine Tramell hat Sex im Auto, nach einem Unfall stürzt das Auto in die Themse, Mann stirbt und Catherine erklärt trocken, dass an allem nur ihr fantastischer Orgasmus schuld gewesen sei), so richtig aufregen will sich keiner mehr darüber. Dabei gilt der Film als um einiges härter als der erste Teil. Immerhin: in den USA hat es mal wieder nur eine geschnittene Version in die Kinos geschafft, allerdings mit dem Bewertungslevel ‚R’ bedacht. Das heißt, dass Jugendlich unter 18 Jahren in Begleitung eines Erwachsenen den Film sehen dürfen. Der erste ‚Basic Instinct’-Film wurde seinerzeit, in der geschnittenen US-Version, mit ‚NC-17’ bewertet – also keine Chance für Zuschauer unter 18 Jahren. In Deutschland ist auch der zweite Teil – in voller Länge – ab 16 zu sehen, wie bereits der erste vor 14 Jahren. Härterer Stoff also heute, weniger strenge Zensur und viel weniger Aufsehen darum – die Zeiten, in denen Sex auf der Leinwand tatsächlich noch einen ‚Skandal’ auslösen konnte, sind lange vorbei. Da nutzt es nicht einmal, wenn Sharon Stone zum Start des neuen Films verkündet, sie sei enttäuscht darüber, dass viele Sexszenen, die beim Drehen viel härter und wilder waren, am Ende nicht verwendet worden wären. Damit sich heute noch so richtig jemand aufregt, muss man mindestens Kannibalen auf der Leinwand zeigen („Rothenburg“) oder antiamerikanische Sprüche von Türken („Tal der Wölfe“). Provokationen in der Liga von Sharon Stones Beinüberschlag reißen niemanden mehr vom Sessel. Wie sich die Bewertung dessen, was als skandalös oder provokant betrachtet wird, verändert hat, kannst du in diesem Interview mit Sabine Seifert von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) lesen. Bild 1: afp; Bild2: dpa