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Was die Musik deiner Eltern mit dir zu tun hat
Der olle Rock-Papa
Papa ist im Keller und guckt nach seinen Platten. Papa hat vom Flohmarkt einen alten Plattenspieler mitgeschleppt. Papa möchte dir im Keller dringend was vorspielen. So geht das 14 Jahre lang, weil sich der Rock-Papa vorgenommen hat, über die Musik seiner Jugend einen heißen Draht in die heutige Jugend zu legen. Schließlich war das damals alles auch schon mörderisch verstärkt und verzerrt, fast wie heute also. Und schließlich hat Papa auch mal in die Lederjacke gepasst (Ein Beweispunkt, der Mama immer sofort melancholisch werden lässt). Verzerrt ist dann jedenfalls auch das Lächeln seiner pubertierenden Brut, wenn sie mit ihm gemeinsam das Schlagzeugsolo von Iron Butterfly nachvollziehen sollen. Das dauert nämlich alleine schon mal gute zehn Minuten und entfaltet nur auf LSD jene Wirkung, an die Papa sich heute noch so gut erinnert. Vom Feinsten, sagt der Rock-Papa und wühlt eifrig in der Kiste. Jeden der Schätze, die er hebt, preist er mit einem neuen Superlativ, jeder bringt ihm seine eigenen Glücksgefühle näher. Komisch nur, dass er nie eine dieser Platten wirklich hört, sondern immer nur dreimal im Jahr zum Anfassen in den Keller wankt. Die restliche Zeit beschränkt sich seine Rockvergangenheit auf das Lauterdrehen von „Born to be wild“ im Radio. Das hören die Kinder: Vermutlich Hiphop oder elektronische Musik, jedenfalls nichts, was mit einer Lederjacke in direkte Verbindung gebracht werden kann. Gut möglich auch, dass sie vor lauter „früher waren die Gitarrenbretter noch richtige Bretter“-Propaganda vorsichthalber nur kroatischen Eurotrash über Kurzwelle hören.
Die lustige Radio-Mama
Ein bisschen lalala muss immer dabei sein. Egal, ob es die Blaulichtsirene hinter ihrem Twingo ist oder irgendein Energy-Bummssender aus dem Autoradio, Musik liegt bei Mama immer in der Luft. Hat das nicht schon Connie Francis gesungen? Ach, das war jedenfalls noch flotte Musik damals, und das kommt ja jetzt alles wieder, Esther und Abi Ofarim, herrlich, warum die nix mehr machen, naja. Abba könnte sie ja immer hören, aber auch von den neuen Sachen, dieses eine, Babah-Bogerfäis, super. Bis zur ernsthaften Musik ist die Radio-Mama nie ganz durchgestoßen und eine Platte gekauft hat sie so richtig eigentlich auch noch nie. Wozu auch? Musik muss vor allem Spaß machen, Musik ist getanzte Architektur oder gestanzte Akkupunktur oder irgendwas, was der Nette von den BeeGees gesagt hat. Carmina Burana ist jedenfalls auch supertoll. Eigentlich mag die Radio-Mama alles, was kommt und irgendwas kommt ja immer. Die alten Schlager sind witzig, auch wenn das gar nicht die Originale sind, sondern deutsch nachgesungen, klingt gut, ironisch natürlich, sonst stöhnen ja die Kinder gleich wieder, wenn sie so was sagt. Aber Schlaghosen waren jetzt ja auch wieder in, sie hätte noch welche im Schrank...und warum soll sie im Urlaub nicht tanzen, wenn ihr die Musik gefällt? Weil da nur 20-Jährige auf der Tanzfläche der Hoteldisko sind? Na und? Hallo Kinder, hier drüh-hü-ben! Mama legt ‚ne kesse Sohle aufs Parkett, hui.... Das hören die Kinder: Aus Trotz ziehen sie entweder ihr Harfen-Studium durch oder verschreiben sich düsterer Shoegazer-Musik. Nützt aber nichts, auch der kann Mama ein paar Hüftschwünge abgewinnen.
Die gemütlichen Fernsehgarten-Erzeuger
Musik? Das ist doch das Geräusch wenn man den Staubsauger anmacht. Dieser Elterntyp hatte in all dem Durcheinander der letzten 25 Jahre die schönen Künste allgemein und die Musik im Besonderen etwas vernachlässigt. Es war „damals auch nicht so“ mit der Musik und woher soll es schließlich jetzt kommen. Bei der Fernsehunterhaltung immerhin werden die Musikeinlagen von „Wetten dass...“ und „Fernsehgarten“ umso kritischer rezensiert, damit ja niemand (wer eigentlich?) die Brachfläche im musikalischen Universum bloßlegt. Dieser Lionel Richie wäre also früher auch besser gewesen, der Joe Cocker ist ganz schön alt geworden und die diese Celine dingsbums, naja, was die für ein Gwand anhatte. Die musikalische Früherziehung der Kinder wurde hier pflichtgemäß mit Flötenkurs und Topfschlagen absolviert. Wenn das Radio mal an ist, weil gleich die Verkehrsnachrichten kommen, wird das „Gedudel“ sofort leiser gedreht, man kann sich ja gar nicht mehr konzentrieren. Immerhin, ja, man war mal bei einem Musical in Füssen, das ist jetzt auch schon wieder acht Jahre her, aber da die Akteure immer noch regelmäßig im Fernsehgarten mit ihren Musical-Kostümen auftreten, kann man sich damit schon noch zeitgemäß fühlen. Was läuft sonst noch? Ach ja, der Vater summt in der Kirche den Brummbass mit, die Mutter wünscht sich zum 100. Hochzeitstag „Karten für Verona“ wobei keiner der Angesprochen plus sie selber eine rechte Ahnung haben, worum es sich bei diesen Karten handelt. Das hören die Kinder: Weil hier Musik als anti-elterliches Bollwerk hervorragende Dienste leistet, kommen die größten Musiknerds aus solchen Familien. Die Namen von Bands und Instrumenten sind für sie wie Geheimcodes, deswegen werden sie auswendig gelernt und die Plattensammlung wie ein Schatz vor den Brainbugs Eltern gehütet.
Die geschiedene Klassik-Mutti oder der geschiedene Jazz-Vati
Wenig Haare, Brille, Rollkragenpullover, nicht dick - Steve Jobs ist das optische Rolemodel für die Jazz-Väter. Wer mit 50 so aussieht signalisiert ziemlich klar: Ich achte dermaßen auf mich und habe Angst vor der Midlife-Crisis. Diese Männer kaufen sich zum 50. Geburtstag einen Landrover oder eben eine neue HighEnd-Anlage mit glimmenden Verstärkern. Den Jazz hören sie darauf weniger wegen der Kunst, sondern weil das Wort so gut zu den Kaschmirrollkragen passt und weil es ihnen den Anstrich ewiger Jugend verleiht ohne als kindisch zu gelten – so zwischen Wild und Konzertsaal. Da sie als Zahnärzte, Ingenieure und Regisseure aber ohnehin kaum Zeit für Musik haben, verstaubt die gediegene Sammlung langsam im Designregal.
Ihre Ex-Frau, die Klassikmutti, findet allerdings auf jeder Cocktailparty wieder und seit der Scheidung erst recht „neuen Jazz sehr schwierig“ und nur die alten Sachen gut und hört gerne mal einen Batzen Brahms oder noch lieber eigentlich die Vier Jahreszeiten von Vivaldi. Da kann man so beschwingt zu die Fenster putzen. Obwohl sie selber von den vier Jahren Klavierunterricht in ihrer Jugend nur noch ein bisschen Keyboard-Klimpern zu Weihnachten in die Gegenwart gerettet hat, sollten die Kinder aus dem Kinderwagen weg Bratsche lernen bzw. Flügelhorn. Hat dann aber nicht geklappt. Genau wie die halbjährlichen Versuche des Jazz-Vatis, die Kinder an seine Musik zu gewöhnen, die immer mit den Worten beginnen: „Hör mal genau hin, das ist eigentlich, ja, wie Popmusik.“
Das hören die Kinder: Typische Gegenreaktion auf gutbürgerliches Klassik- plus Jazzgedudel in den prägenden Jahren wäre Black-Metal mit raushängender Spaltzunge. Meistens wird es aber doch Indie mit einer Prise Punk.
Text: fabian-fuchs - Illustration: katharina-bitzl