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Wählen: Der bessere Molotov-Cocktail
Während zum Jahresende einige Länder im kollektiven Rückschautaumel versinken, geht es in Frankreich noch einmal richtig zur Sache: Die Rapper des Projekts Explicit Politik werden alle Kräfte mobilisieren, um noch möglichst viele Jugendliche aus den benachteiligten Vorstädten an die Urnen zu treiben. Jeder französische Bürger ab 18 Jahren muss sich bereits bis 31.12. in einer Wahlliste eintragen, damit er an den Präsidentschaftswahlen am 22. April und 6. Mai 2007 teilnehmen kann. Die Stimme der Banlieues war bei der letzten Wahl 2002 sehr schwach vertreten, und das wollen Boris, Skar J., Seno und Big Jagger, die Gründer von Explicit Politik, diesmal ändern.
Die Jungs von "Explicit Politik" Foto: Explicit Politik Unter dem Motto „Wählen ist ein Grundrecht – und es ist auch der bessere Molotov-Cocktail“ starteten sie ab Ende des Jahres 2005, nach den Banlieuekrawallen, ihr Projekt: Selbst in Vororten groß geworden, gaben sie teils ihre Jobs als Gebäudereiniger oder Transportmanager auf, investierten etwa 20000 Euro aus eigener Tasche, und trommelten fast 30 Künstler für kostenlose Konzerte zusammen. Sie wurden zu einer Radioshow von France Inter eingeladen, die eher rechtslastige Tageszeitung Le Figaro hat sie porträtiert – als „diese Rapper, die dazu aufrufen, wählen zu gehen“. Diese Rapper haben in Vororten wie Clichy-Sous-Bois und Epinay-Sur-Seine immer wieder erklärt, dass „eure Enthaltung zu den 18 Prozent vom Rechtsradikalen Jean-Marie Le Pen ( Vorsitzender der Front National) bei der letzten Wahl geführt hat“. Es gehe ums Mitreden. Darum, geschlossen zu zeigen, dass man existiert. Explicit Politik besitzen eine Seite auf MySpace, auf der man ihnen beim Proben zusehen und zwei Lieder von ihnen anhören kann, in denen sie von der Drangsal durch den Staat und seine Polizeigewalt erzählen. Und davon, nicht nur mit Feuer, sondern überlegter zu reagieren. Auftrittsvideos findet man leider nicht, eine CD von Explicit Politik wird voraussichtlich erst am 24. Januar unter dem Label Dias Music erscheinen – aber vielleicht zählt das alles jetzt gerade auch nicht. Vielleicht kommt es darauf an, dass jetzt, gegen Jahresende, die Wahlbereitschaft der Jugendlichen zwischen 18 und 25 Jahren, die sich an den Wahllisten ablesen lässt, in einzelnen Vororten um knapp 70 Prozent höher liegt als im Vorjahr. Das ist schon jetzt, unabhängig vom Wahlausgang, ein großer Erfolg.