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Vom Leben gezeichnet: Die jetzt.de-Redaktion zeigt ihre Narben
Wir lassen ihn auf
Das ist der henrik-pfeiffer. Er wurde einmal aus- und dann wieder eingeräumt. Dezember 1996. Einige Tage vor Heilig Abend bekam ich mittelschwere Bauchschmerzen. Allerdings hatte ich auch jede Menge zu erledigen, deshalb verdrängte ich den Schmerz. Nach einigen Tagen schleppte mich meine damalige Freundin besorgt in die Notaufnahme. Dass der entzündete Blinddarm bereits vor Tagen geplatzt und somit zur akuten Lebensbedrohung avanciert war, stellte man erst bei der eilig durchgeführten Notoperation fest. Dabei muss der Mensch ganz aufgemacht, leergeräumt, von innen gesäubert, wieder eingeräumt und anschließend in ein künstliches Koma versetzt werden. Als ich eine Woche später daraus erwachte, war Weihnachten leider schon vorbei. Machte aber nichts, denn ich hatte noch ein ziemlich großes Loch im Bauch. Man lässt den Patienten nämlich vorsichtshalber “geöffnet”, für den Fall, dass doch noch was schiefgeht. Nach einem Jahr hat man mich wieder zugenäht. Bis jetzt hält alles. Nächste Seite: Christina Kretschmer bremst falsch.
Wirf den Lappen weg!
Das ist die christina-kretschmer. Sie hat mal mit dem Gesicht gebremst. Die Narbe hab ich mir ganz unspektakulär erworben: auf dem Nachhauseweg von der Schule wollte ich einem entgegenkommenden Auto ausweichen, bin mit dem Rad auf den Bürgersteig gehüpft, hab mich verschätzt und mit dem Gesicht gebremst. Dass ich blute habe ich erst nach ein paar Minuten gemerkt. Weil das Haus meiner Tante näher war, habe ich mit blutüberströmtem Gesicht bei ihr geklingelt und sie hat sich netterweise meiner angenommen, mich in die Badewanne gesetzt und mit einem Waschlappen erst einmal gründlich gesäubert. Dann hat sie mir ein Pflaster über die Wunde geklebt und mich nach Hause geschickt. Von meiner Kusine habe ich am nächsten Tag erfahren, dass meine Tante den Waschlappen weggeworfen hat – aus Angst vor AIDS. Irgendwie verständlich, auch wenn ich damals erst zwölf war und in meinem Leben noch nicht geküsst hatte, geschweige denn Sex gehabt hatte, noch eine Blutinfusion bekommen hatte. Aber Vorsicht ist ja bekanntlich besser als Nachsicht. Ich war trotzdem erst mal sehr beleidigt und verunsichert. Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich auf meine engsten Verwandten einen so unseriösen Eindruck machte. Die Narbe ist zum Glück nicht so groß, dass sie sehr auffallen würde. Und sie harmoniert auch gut mit allen anderen Dingen, die sich so auf meinem Gesicht tummeln: Sommersprossen, Pickel, Leberflecke, Essensreste, etc. Ich mag sie eigentlich ganz gerne. Nächste Seite: Dirk von Gehlen hat die Griffel an der falschen Stelle.
Scharnier! Blut!
Das ist der dirk-vongehlen. Der hat mal seine Hand wo hingestreckt, wo er nicht hätte sollen. Frühjahr 1980. Ich laufe über die Wiese des Kindergartens. Ich laufe ziemlich schnell, aber nicht schnell genug: das grüne Metalltor, das den Garten mit der Wiese von jenem mit den Kindern und ihren Turnbeuteln trennt, schlägt genau in dem Moment ins Schloß, als ich meine linke Hand an das Scharnier bringe. Blut tropft auf grünes Metall. Drei Wochen lang trage ich danach einen dämlichen Verband um meinen kleinen Kindergarten-Mittelfinger. Nächste Seite: Caroline von Lowtzow geht mit dem Kopf durch die Wand.
Gegen die Wand
Das ist die caroline-vonlowtzow. Sie rannte mit dem Kopf gegen die Wand. Irgendwann 1997 oder 1998. Genauere Informationen über den Monat oder den Tag wurden durch den und andere Vollräusche unwiderbringlich gelöscht. Eine Zeit jedenfalls, in der es mir nicht so richtig tiptop ging, wegen neu in der Münchner Schule, wenig Freunde, Unistart blöd und schwierig und vor allem wegen großem Liebeskuddelmuddel. Das alles führte zu großem Selbsthass und schlechter Laune und zu einem Morgen in besagter Zeitspanne, an dem ich mit riesigem Kater aufwachte, mich ins Bad schleppte und beim Blick in den Spiegel feststellte, dass ich eine große Platzwunde an der Augenbraue hatte. Schnitt und Rückblick: Die Nacht, in der ich mir die Narbe holte, begann eigentlich super, kippte in den frühen Morgenstunden wegen überhöhtem Alkoholpegel aber in übergroßen Schmerz über die Sinnlosigkeit meines nichtigen Lebens und weil mir mein Gejammer und Selbstmitleid selbst so sehr auf die Nerven ging, schlug ich meinen Kopf ein paar Mal kräftig gegen eine Hauswand. Wie ich nach Hause kam, weiß ich nicht mehr. Aber beim Arzt habe ich mich sehr dafür geschämt, als er die Platzwunde zunähte. Zum Glück ist von der Narbe nicht mehr viel zu sehen und auch die Krise überstanden. Nächste Seite: Roland Schulz kämpft in Sibirien.
Mutter, mal!
Das ist der roland-schulz. Er hat mal einem Arzt vertraut. Eine klassische Schein-Narbe: Sieht aus, als wäre damals in Sibirien, in dieser bösen Kneipe voller Männer mit verfaulenden Zähnen, in die dann plötzlich diese Nazis mit dem Nickelbrillen-SS-Schergen stürmten, um Indy und diese fesche Archäologin, naja, also als wäre damals in Sibirien die Schlägerei eigentlich ganz anders ausgegangen, wenn der Typ keinen Stockdegen dabei gehabt, ihn mir nicht in die Schulter gerammt und ich die Wunde nicht mit meinem im Feuer glutrot erhitzten Bowie-Messer hätte ausbrennen müssen, um sie dann mit Schusterzwirn zu nähen. Eine Schein-Narbe eben. In Wahrheit kam ein Arzt, deutete auf ein Muttermal und sagte, das ginge ganz leicht zu entfernen und es bliebe auch keine sichtbare Spur zurück. Seitdem trage ich diese Narbe. Nächste Seite: Sebastian Mraczny und sein Verletzungs-Hattrick.
Verletzt 3.0
Das ist der . Er geht heute nur noch mit Schutzkleidung raus. Eigentlich war’s ein lustiger Freitagabend, ausgelassenes Feiern und Tanzen in einem Münchner Indierock-Schuppen. Ich hab die Mini-Verletzung erst gar nicht richtig bemerkt: Da hatte mich doch jemand mit seiner Zigarette versehentlich aber nachhaltig markiert. Muss beim Tanzen passiert sein. Hat nicht weh getan, sieht man aber heute noch. Der Clou an der Narbe: Sie erinnert mich an nachhaltigere Verletzungen. Auf dem Heimweg aus dem Club habe ich nämlich plötzlich die Welt um mich herum nicht mehr ganz so gut gehört. Umso lauter dafür einen penetranten Pfeifton. „Akutes Lärmtrauma“ lautete montags die Diagnose im Schwabinger Krankenhaus. Fünf Tage stationäre Behandlung mit Cortison-Infusionen empfahl mir der behandelnde Arzt. Das wollte ich aber nicht und bin deshalb noch zu zwei anderen Ärzten gegangen. Die meinten: wird auch ohne Behandlung wieder. Sie sollten Recht behalten, der Ton taucht mittlerweile nur noch nach sehr stressigen Tagen auf. Damit aber nicht genug: Am Sonntag desselben Wochenendes klemmte ich mir beim Hanteln stemmen einen Nerv in der Schulter ein und konnte plötzlich nicht mehr nach links schauen. Gut, das ist dank ärztlicher Spritze schon wieder verheilt, aber seitdem kann ich den Kopf nicht mehr ganz so weit nach links wie nach rechts drehen. Wenn ich also heute die Narbe auf meiner Hand sehe, denke ich daran, dass ich mir einmal innerhalb von 72 Stunden Ohren, Hand und Schulter ramponiert habe. Sie ist eine Art Hinweis: An Wochenenden immer Schutzausrüstung tragen! Nächste Seite: Christian Helten oder das Bewusstmachen des Alkoholpegels.
Und schwupps: Treppe
Das ist der . Der Arzt hat ihn beim Nähen angegähnt. Die Geschichte zu dieser Narbe ist gewissermaßen der Klassiker unter den Narbengeschichten. Früher oder später kommt er garantiert in jeder Gesprächsrunde vor, die sich mit diesem Thema auseinandersetzt. Die Protagonisten: Das benarbte Opfer (ich), ein Fortbewegungsmittel (Fahrrad), eine Veranstaltung mit jeder Menge Alkohol (Uni-Party mit Schulfest-Flair) und ein wie auch immer geartetes Hindernis. In meinem Fall war letzteres ein Treppchen vor einem Hauseingang, das zu meiner Überraschung im Einzugsbereich meiner raumgreifenden Fahrt lag und mich also aus dem Sattel, über den Lenker und auf den Boden beförderte. Die Schmerzen, der schlaftrunkene Arzt in der Notaufnahme (der die Nähnadel mit nur zu Schlitzen geöffneten Augen, dafür mit umso größerem Gähnemund ansetzte), die versaute Lieblingsjacke und die dummen Sprüche über meine Fahrradfahrfähigkeiten – all das lehrte mich, das Rad in Zukunft bei überhöhtem Alkoholpegel lieber nach Hause zu schieben. Dummerweise fällt einem dieser überhöhte Alkoholpegel bei überhöhtem Alkoholpegel manchmal gar nicht auf. Und schwupps findet man sich mitten in der Fortsetzung des Narbengeschichtenklassikers. Siehe Narbe Nummer zwei.