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Und in meiner Freizeit bin ich Salafist
„Er trinkt Tee wie ein Türke, er rezitiert wie ein Araber, er kämpft wie ein Tschetschene. (...) In einer Welt, in der Korruption und Ungerechtigkeit herrscht, gibt es einen, der für die Gerechtigkeit kämpft.“ Das ist er, der Held einer YouTube-Comicserie, genannt: der Supermuslim.
http://www.youtube.com/watch?v=JT82m5wHTl4
In seinen bis jetzt neun Episoden kämpft der nicht besonders professionell gezeichnete Supermuslim gegen gesichtslose Nazis, er besiegt den von Obama geschickten amerikanischen Helden Chuck Norris und kämpft an der Seite von Spiderman, der zu „Abdullah Spidermuslim“ wird, gegen Putin. Je nach Humor und Meinung hält man die Serie, die von einem Rapper namens Asadullah produziert wird, für doof, lächerlich oder total lustig, aber bestimmt erst einmal nicht für ernstgemeint geschweige denn gefährlich.
Doch die Islamismusexpertin des Zentrums Demokratische Kultur, Claudia Dantschke, führt in einem Interview mit der Deutschen Welle genau diese Serie als Beispiel für die Gefahr, die von „Pop-Dschihadisten“ ausgeht, an. Diese Generation stelle ein „Gefährdungspotential für labile Jugendliche“ dar und eine Comicserie wie „Supermuslim“ spreche durchaus die Gefühle der jungen Leute an.
Die Begriffe „Pop-Dschihadismus“ oder auch „Pop-Salafisten“ tauchen schon seit einigen Jahren immer dann auf, wenn es um junge radikale Islambewegungen im Internet geht. Vor Bin Ladens Tod wurde mit „Generation Pop-Dschihad“ oft eine undefinierte Gruppe junger Radikaler beschrieben, die Bin Laden weniger als religiöse Figur, sondern eher als Popstar verehren und das Internet zur Verbreitung radikaler Ansichten und Insiderwissen nutzen. Claudia Dantschke spricht heute vom „Pop-Dschihad“ als „Jugendkultur“. Doch wie gefährlich sind Pop-Art-Plakate mit radikalen Aussagen wie auf www.abu-z-projekt.de, salafistische Raptexte und fliegende Supermuslime wirklich? Was hat es auf sich mit der „Generation Pop-Dschihad“?
Der Islamwissenschaftler Dr. Michael Kiefer sieht schon den Begriff allein kritisch: „Das erweckt den Anschein, als hätten wir ständig eine neue Bewegung. Das ist aber nicht so. Den Neo-Salafismus, wie wir ihn kennen, gibt es schon seit den 60er Jahren.“ Es seien immer die gleichen Überzeugungen und Texte, die der Bewegung zugrunde gelegt würden. „Allenfalls die Präsentationsform hat sich geändert“, sagt Michael Kiefer. Nur weil teilweise Elemente des Pops übernommen und mit religiösen Inhalten kombiniert werden, sage das noch nichts über die ganze Generation der Bewegung. Denn auch innerhalb dieser wird darüber gestritten. Rap oder Comics sind Formen die eher der amerikanischen beziehungsweise westlichen Kultur zugeschrieben werden. Nicht traditionelle Musik und damit auch Rapmusik ist unter sehr konservativen Muslimen sogar verboten, wie auch Michael Kiefer bestätigt. Dass darüber radikalislamische Botschaften vermittelt werden sollen, gilt unter einigen Salafisten als Verwestlichung und ist ihrer Meinung nach verwerflich.
Die Frage, nach der Gefahr, die von popkulturellen Medienprodukten ausgeht, ist nicht eindeutig zu beantworten. „Einerseits wird alleine durch das Internet keiner religiös. Es bedarf schon den Kontakt zu anderen Menschen“, erklärt Michael Kiefer. Wenn jedoch ein solcher Kontakt schon bestehe, käme es immer darauf an, wie empfänglich jemand für die Botschaften sei.
"Pop Art"-Plakate mit radikalen Botschaften auf abu-z-projekt.de: "Bitte noch etwas Geduld, das Gesetz Allah's ist bald wieder da.
Der Supermuslim mag uns im ersten Moment albern und lustig erscheinen. Doch in der Folge, in der er eine Frau sucht, wird erklärt, dass für Frauen ohne Burka das Gebot gelte: „Verflucht sie, denn sie sind verflucht“. In einer andern Episode lässt der Comicproduzent Assadullah Chuck Noris seinem Superhelden erklären, dass Amerika den 11. September nur inszeniert hätte, um in seine Länder einmarschieren zu können. Da bleibt dann trotz der Skurrilität ein komisches Bauchgefühl zurück. „Ich finde diese Videos eigentlich nur lustig“, sagt Dr. Kiefer, „doch unter Umständen können sie einen Beitrag leisten, dass sich eine Person in eine falsche Richtung entwickelt". Als Teufelswerkzeug würde der Experte die Medienprodukte aber nicht bezeichnen.
Wohin die Entwicklung dieser jungen Muslime der Generation Pop-Dschihad gehen wird, darüber kann man sich streiten. Zum einen warnen manche Experten davor, dass junge Muslime immer konservativer werden, wie der Politologe Hubert Kleinert in der Westfälischen Rundschau. Andererseits könnte man annehmen, dass der popkulturelle und lustige Umgang mit religiösen Themen die Bewegung zu einer Modeerscheinung werden lässt und sie damit entradikalisiert, nach dem Motto: Salafismus ist ganz cool – bis zum nächsten Hype.
Nach Michael Kiefers Beobachtungen gibt es beide Ströme: „Jugend geht immer damit einher, dass man Grenzüberschreitungen und komische Sachen sehr interessant findet und einige tauchen dann auch einmal in diese Subkulturen ein. Viele wachsen irgendwann einfach heraus.“ So seltsam es auch klingt, aber seiner Meinung nach kann man die Bewegung teilweise mit der Punkbewegung der 70er und 80er Jahre vergleichen. Auch da ginge es um Provokation und Abgrenzung, meint der Islamwissenschaftler.
Es geht also darum, cool zu sein und auch um ein Bedürfnis der Selbstinszenierung bei jungen Moslems. Oft stellen sie sich im Internet wesentlich radikaler dar als sie eigentlich sind, so Michael Kiefer. Aber der Salafismus bietet jungen Menschen auch einen entscheidenden Vorteil in unserer wertepluralen und strukturlosen Gesellschaft : klare Orientierung und Werte. „Zum einen ist der Salafismus abgegrenzt von kulturellen Eigenschaften“, erklärt Michael Kiefer seine Annahme. Die Bewegung passe so sehr gut in die postmoderne Gesellschaft. Zum anderen gebe man sich nicht die Mühe, die Welt groß zu deuten. „Ein Verhalten ist entweder ge- oder verboten und viel darüber nachgedacht oder diskutiert wird dann nicht mehr“, sagt Michael Kiefer. Damit einher gehe sicherlich eine große Einschränkung aber auch eine gewisse Erleichterung und Klarheit.
Es gibt also durchaus zwei Seiten der sogenannten „Generation Pop-Dschihad“: der harmlose Hype und die gefährliche Überzeugung. Meistens wisse man einfach zu wenig, sagt Michael Kiefer. Von dem geplanten Anschlag in Bonn sei er zum Beispiel sehr überrascht gewesen. Die Szene hätte er als nicht besonders radikal eingeschätzt. Man kann also noch so gut beobachten und ihre Aktivitäten im Netz analysieren, „aber in die Köpfe und Herzen dieser Menschen kann man nicht schauen.“
Text: teresa-fries - Foto: abu-z-projekt.de