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Überworfen: Woran Freundschaften scheitern können
Der Klassiker – Geld verleihen
Die Situation: Ihr seid die allerbesten Kumpels seit Beginn der Zeitenrechnung und klar, du greifst deinem besten Freund unter die Arme, bevor der unter die Räder kommt. Vor allem, wenn sich das so einfach machen lässt wie jetzt und es für dich nur um so unwichtige Dinge, wie Geldscheine und Münzen geht. Klar, du hast schon sehr oft davon gehört, dass eine Freundschaft immer dann zu Ende geht, wenn es um Geld geht. Aber du weißt: Das kann dir nicht passieren, weil du ja kein materialistischer Idiot bist. Also leihst du deinem besten Kumpel 1.000 Euro, damit der wieder auf die Füße und schönere Gedanken kommt. Und dann passiert erst einmal nichts. Nach einem Monat erfährst du von gemeinsamen Bekannten, dass dein Freund sich eine Vespa gekauft hat. Okay, sie war ein Schnäppchen und er braucht sie anscheinend für seinen neuen Job. Trotzdem merkst du, wie du Bauchgrummen bekommst, weil du das Geld anders investieren würdest, vielleicht erst einmal das Finanzamt bezahlen, aber okay.. Nach zwei Monaten redest du mit deinem Freund über die Rückzahlungsmodalitäten. Er verspricht dir hoch und heilig eine Rückzahlungsquote, die er garantiert nicht einhalten kann, also sagst du ihm, er soll sich entspannen und einfach schauen, wann das Geld wieder reinkommt und so viel zahlen, wie eben geht. Du fühlst dich ziemlich gut, fast, als hättest du gerade einem Waisenhaus einen überdimensionalen Scheck überreicht. So lange, bis dein Freund ein halbes Jahr lang keine einzige Rückzahlung macht, du aber immer wieder von seinen Reisen und Anschaffungen erfährst und dir ziemlich verarscht vorkommst. Das Problem: Das Problem ist nicht das Geld. Das Problem ist das Ungleichgewicht, das sich in dem Moment in der Freundschaft einfindet, in der ein größerer Geldschein den Besitzer gewechselt hat. Der Verleiher erhält die Oberhand, der Leiher wird zum Bittsteller und schon dadurch leicht kratzbürstig. Jedes Gespräch wird von nun an mit dem Thema anfangen und aufhören. Und keiner von euch beiden kann souverän damit umgehen, weil ihr eure jeweilige Rolle hasst. Überlebenschancen für die Freundschaft: 50 Prozent. Vorausgesetzt, der Verleiher schreibt das Geld ein für alle mal ab und verbuchst es unter "Erfahrungen, die man machen kann, aber nicht muss". Und jetzt? Kannst du versuchen, es so zu sehen: Dir geht es gerade finanziell besser als deinem Freund. Weil er dein Freund ist, hast du ihm Geld gegeben. Wenn ihr beide weiter Freunde bleiben wollt, erwähnt keiner von beiden jemals wieder dieses Thema, es sei denn, in der Zeile „Verwendungszweck“ einer Überweisung. penni-dreyer
Die Ikea-Falle: Zusammenziehen
Die Situation: Du hast da jemanden kennengelernt. Und der ist super! Der ist so super, dass du fast ein bisschen verliebt bist. Ihr habt so unglaublich viel Spaß zusammen, verbringt jede freie Minute miteinander und glaubt plötzlich wieder daran, dass auch jenseits des Abiturs noch wahre, tiefe und dauerhafte Freundschaften entstehen können, die so wichtig wie eine „echte“ Beziehung sind. Eine Weile reicht euch das auch vollkommen, doch bald denkt ihr, dass ihr noch viel mehr Zeit miteinander verbringen könntet, wenn ihr nur nicht in verschiedenen Stadtvierteln wohnen würdet. Also fasst sich einer von euch beiden ein Herz, kauft einen Blumenstrauß, faltet den Ausdruck von „ImmoScout24“ in den schwitzigen Händen zusammen, sinkt auf ein Knie und stellt mit brüchiger Stimme die eine, die große Frage: „Willst du mit mir in eine Altbau-WG im Szeneviertel mit Fischgrät-Parkett, Wohnküche und Balkon ziehen?“ Der andere jauchzt und ruft viel zu laut: „JA ICH WILL!“ zieht den Frager auf die Füße und beide tanzen im Schweinsgalopp durch die olle Ein-Zimmer-Butze und malen sich dabei in strahlenden Farben das Leben in der neuen WG aus, die selbstverständlich bald zu DER WG werden wird, einer WG, die legendär für ihre Herzlichkeit, Farbenfreude, Einrichtung, Party-tauglichkeit sein wird. Und am kommenden Samstag fahrt ihr gleich mal zusammen zu IKEA, auch wenn ihr noch keinen Vertrag unterschrieben habt. Das Problem: Ist so altbacken, dass man es kaum zu sagen wagt, aber es bleibt trotzdem ein Problem: Wenn du Pech hast, ist dein Wohnen nicht kompatibel mit dem deines großartigen Freundes und das kann zu einem größeren Problem werden, als du dir das vorstellen kannst. Die Gründe fürs Scheitern einer Freundschafts-WG sind so zahlreich wie die kombinierten neurotischen Angewohnheiten von euch beiden. Sie weicht Geschirr gerne tagelang ein, während du geradezu zwanghaft jedes Buttermesser spülen musst, sobald es benutzt ist? Willkommen in der WG-Hölle erster Kreis. Du brauchst viel Zeit für dich, während sie gerne den ganzen Tag vor sich hin plappert? Ihr seid in den zweiten Höllenkreis vorgedrungen. Sie muss immer alle nervigen Anrufe bei Handwerkern und Hausmeister machen, weil du es immer verschusselst? Ihr seid schon fast zum Kern vorgedrungen! Überlebenschancen für die Freundschaft: 60 Prozent, wenn der Auszug freundschaftlich verläuft. Und jetzt? Es soll angeblich helfen, aber eine Garantie ist es nicht: Wer vorhat, mit jemandem außerhalb der Familie zusammenzuziehen, der sollte vorher einen ausführlichen Urlaub miteinander machen. Wenn man es nach zwei Wochen Dauerregen in der Bretagne immer noch gut miteinander aushält, dann stehen die Chancen zumindest einigermaßen gut, dass man auch die ein oder andere WG-Krise aushält. christina-waechter
Der Supergau – verliebt in den Freund der Freundin
Die Situation: Ihr seid beste Freundinnen, kennt euch seit mindestens fünf Exfreunden und habt euch schon x-mal getröstet, wenn eine Beziehung auseinanderging. Euch kann nichts und niemand trennen. Schon gar nicht ein Typ. Dachtest du. Bis sie mit ihrem neuen Freund ankam, den du vom ersten Moment an sehr, sehr toll finden musstest. Nicht nur sieht er genauso aus wie alle deine Exfreunde (nur in besser), ihr habt die gleiche DVD-Sammlung und denselben Humor. Selbstverständlich gönnst du deiner Freundin nur das Beste! Aber muss es ausgerechnet DIESER Mann sein? Der Typ, auf den du dein ganzes Leben lang gewartet hast? Irgendwie ungerecht, findest du. Natürlich versuchst du, ihn dir aus dem Kopf zu schlagen. Schließlich bist du keine alte Hexe, die der besten Freundin den Freund ausspannt. Außerdem – vielleicht steht er ja auch gar nicht auf dich. Aber auch wenn du alles richtig machst und dich wie eine verdammte Heilige verhältst, seit der Typ da ist, ist eure Freundschaft sehr, sehr kompliziert geworden. Es ist zwar immer etwas blöd, wenn die beste Freundin einen neuen Freund hat und man selbst noch Single ist: Auf einmal ist man nur noch die Nummer Zwei, sie hat viel weniger Zeit und man selbst fühlt sich viel einsamer. Aber jetzt kommt noch viel mehr dazu: Früher war’s toll mit ihr die SMS ihrer Jungs zu analysieren – jetzt willst du gar nicht hören, was er ihr so schreibt. Wenn sie fragt, ob sie ihn mitbringen kann, kriegst du Magenschmerzen. Wenn sie ein Treffen absagt, weil sie den Abend mit ihm zusammen ist, wirst du eifersüchtig, wenn du daran denkst, was sie wohl gerade so machen. Du wirst immer zickiger gegenüber deiner besten Freundin und selbst deine frisch-verliebte Freundin merkt, dass da irgendetwas faul ist. Das Problem: Das Problem ist eigentlich nicht, dass dir jemand deinen Traumtypen vor der Nase weggeschnappt hat. Sondern, dass dieser jemand deine beste Freundin ist. Denn jetzt kannst du nicht mit ihr über deinen Liebeskummer sprechen und fühlst dich doppelt einsam. Und auch wenn du dich theoretisch und in ganz großzügigen Momenten für ihr Glück freust - in den dunklen Stunden haderst du mit deinem Schicksal und der Tatsache, dass du rasend eifersüchtig bist auf deine beste Freundin. Überlebenschancen für die Freundschaft: 20 Prozent, vorausgesetzt, du schlägst Dir den Typ aus dem Kopf und hältst gegenüber deiner Freundin den Mund. Auch, wenn du schon leicht angeheitert bist und einen sentimentalen Anfall bekommst. Und jetzt? Zähne zusammenbeißen. Da musst du jetzt durch. Kann ja sein, dass deine Freundin den Jungen in ein paar Wochen schon wieder abschreibt und alles wieder so wird wie früher. Sonst solltest du dich mal unauffällig nach einer neuen besten Freundin umsehen. klara-jager
Der andere Klassiker: Die geteilte Arbeit
Die Situation:
Du hast noch keinen Beruf, trotzdem kannst du den Grundfehler der
Freundschaftsgefährdung begehen: Berufliches mit Privatem zu vermischen. Der Beruf heißt Fach- oder Uniabschluss-Arbeit. Das Private heißt Ingo oder Steffi und wohnt im Nebenzimmer der WG oder sitzt seit der fünften Klasse neben dir. Warum also solltet ihr jetzt nicht auch gemeinsame Sache in Fragen der Ausbildung machen? Ich interessiert euch beide für die gleichen Themen und Ihr "könnt einfach gut miteinander". Das jedenfalls hat Ingos/Steffis Mutter doch damals beim Einweihungsfest der WG/nach der ersten Klassenfahrt sehr richtig festgestellt.
Also meldet ihr gemeinsam die Facharbeit über die Bedeutung der Römer für das Abwasser-System in eurer Kleinstadt an bzw. überredet euren Prof, zusammen eine Magister-Arbeit über das Theater als Spiegel der Gesellschaft schreiben zu dürfen. Das fühlt sich plötzlich total super an. Nicht mehr nach Verpflichtung, sondern nach richtiger Herausforderung. Ingos/Steffis Mutter würde sagen: Das ist eure Berufung, nicht euer Beruf.
Das Problem:
Die Berufung wird zunächst zu einer ständigen Anrufung. Entweder, weil Ingo/Steffi dauernd Termine verpasst und du hinterher telefonieren musst. Oder weil Ingo/Steffi ständig bei dir anruft, um dir „jetzt echt mal ein bisschen Feuer unterm Arsch zu machen“. Denn so toll ihr gemeinsam ins Kino oder trinken gehen könnt, so wenig kriegt ihr es hin, eure Arbeitsweisen zu koordinieren. Ingo ist ein totaler Nachtmensch (sagt er), Steffi ist eine Zicke (sagt ihre Mutter) und beides dient ständig als Entschuldigung für Unverschämtheiten, die am Ende zum Abbruch des Projekts und zum (vorläufigen) Ende der Freundschaft führen.
Überlebenschancen für die Freundschaft:
85 Prozent – aber erst nach sehr sehr langer Zeit. Dann lauft ihr euch mal wieder über den Weg und lacht über früher und über den Facharbeits-Lehrer/Uni-Prof.
Und jetzt?
Wenn sich der schöne Tocotronic-Rat Dinge lieber nicht selber zu machen, nicht in die Tat umsetzen lässt (wie z.B. bei Fach- oder Abschlussarbeiten) sollte man nicht den scheinbar gemütlichen, sondern den guten Weg zum Abschluss wählen. Es sei denn man heißt Steffi oder Ingo und will den Abschluss auf dem Rücken einer Freundschaft machen.
stefan-winter
Text: jetzt-redaktion - Illustration: katharina-bitzl