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Typologie der Backpacker: Auf diese Typen triffst du in der weiten Welt
Der Sparer Die beliebtesten Backpacker-Länder sind meistens auch die billigsten. In Indien reichen 10 Euro am Tag, um besser zu leben als daheim. Der Sparer aber will mehr. Er ist der Sportler unter den Backpackern. Er steht unter Leistungsdruck, den er sich selbst auferlegt hat. Sein Ziel ist es, so wenig Geld wie möglich auszugeben. Dafür ernährt er sich tagelang ausschließlich von Reis und Bohnen, schläft auf verwanzten Matratzen und trinkt Wasser, wenn andere Bier litern. Dafür entschädigen ihn die Glücksmomente, in denen er sich sicher ist, dass nie ein Tourist so wenig für Hotelzimmer ohne Dusche gezahlt hat wie er. Wo trifft man ihn? In den dreckigsten Hostels von Indien, Guatemala, Laos und anderen Dritte-Welt-Ländern, Bazaren und einheimischen Gemüsemärkten. Wo nicht? In G7-Staaten und in billigen Nachbarländern von noch Billigländern, also nicht in Thailand (Laos ist viel billiger), nicht in Mexiko („In Guatemala kostet Reis mit Bohnen nur die Hälfte!“), nicht in Brasilien („Seit der Wirtschaftskrise ist Argentinien ein Traumland, aber fuck USA!“) Typischer Satz „Soviel? Ich hab die Hälfte dafür gezahlt!“ Erkennungszeichen Vergilbte Plastikflaschen (der Sparer füllt seine Wasserflasche selbst auf, anstatt eine neue zu kaufen) Kleidung, an der Grenze zum Verwahrlosten
Der Sinnsucher Jede Reise ist auch eine Reise ins eigene Ich. Er hört die meiste Zeit seine innere Stimme und wenn nicht, meditiert er solange, bis er sie wieder hört. Er ist fernöstlichen Heilslehren sehr aufgeschlossen und zitiert oft aus seinem Vademecum „Der Alchemist“ von Paolo Coelho. In kritischen Momenten zieht er sich gerne zurück, um schnell eine Yoga-Asana zu machen. Wo trifft man ihn? In Goa, indischen Ashrams. Manchmal auch in Thailand, wenn ihm Indien nach sechs Monaten doch zu dreckig geworden ist. Wo nicht? In Großstädten und anderen uninspirierten Orten Typischer Satz „In der westlichen Welt haben die Menschen irgendwie ihre Spiritualität verloren. Guck mal, der indische Junge da, er hat nur einen Arm und muss betteln, aber ist trotzdem voll glücklich.“ Erkennungszeichen Dreadlocks, künstlich entrückter Blick, diverse Amulette und Anhänger
Der Sexsucher Nirgendwo ist es leichter, fremde Leute kennenzulernen als auf Reisen. Der Sexsucher ist der wahre Völkerverständiger unter den Reisenden. Er sucht primär nach Kontakt zum anderen Geschlecht anderer Nationalität und versucht deswegen, sich immer von seiner besten Seite zu zeigen. Den Sexsucher sollte man nicht mit Sextouristen verwechseln. Sextouristen sind älter, dicker und haben es einheimische Prostituierte abgesehen, Sexsucher dagegen auf Schwedinnen oder Engländerinnen oder Israelis oder… Wo trifft man ihn? Auf Full-Moon-Partys in Thailand, auf Ibiza und überall dort, wo viele Backpacker und viel Alkohol aufeinander treffen. Wo nicht? In islamischen Ländern und Indien (kein Alkohol) Typischer Satz „Ich habe gehört, dass sich Französinnen nicht die Beine rasieren. Stimmt das?“ Erkennungszeichen Feinrippunterhemd, Sonnenbrille, weit aufgeknöpfte Hemden
Der Eilige Vor lauter Tempeln, faszinierenden Städten und idyllischen Stränden weiß man oft gar nicht mehr, wie man das alles unter einen Hut bringen kann. Alles kann man nicht sehen. Der Eilige aber probiert es trotzdem. Es ist sein erster langer Urlaub seit fünf Jahren Arbeit im Büro: In diesen sechs Wochen will der Eilige endlich sein Leben nachholen: Ganz Südamerika in 21 Tagen. Flug nach Rio, zwei Tage Aufenthalt, Zwischenstopp in Iguazu, dann weiter nach Buenos Aires, Tageswanderung mit Übernachtung in den Anden, mit dem Flugzeug weiter nach Macchu Pichu, Rückflug von Caracas, Venezuela… Da der Eilige nur wenig Zeit hat, macht er Unmengen von Fotos. Unbewusst versucht er so, das Erlebte festzuhalten. Wo trifft man ihn? Überall auf der Welt, aber nur kurz Wo nicht? - Typischer Satz „Cuzco? Kenn ich, war ich schon. Hauptstadt von Peru. Liegt auf 3400 Meter Höhe. War ich am 23. September 2007, auf dem Zwischenstopp nach Caracas. Nette Stadt.“ Erkennungszeichen Kamera
Der Ethnofreak Der Ethnofreak steht total auf fremde Kulturen. Er studiert Ethnologie oder Soziologie und bereist Mexiko und Guatemala, um die Mayas kennenzulernen, fährt nach Laos, um das vergessene Bergvolk der Hmong zu besuchen und schwärmt für den Mondkalender der Khmer. Schlimm findet er vor allem, dass der westliche Kapitalismus die Einheimischen schon so weit verdorben hat, dass sie nun auch Coca Cola und einen Farbfernseher haben wollen. Dabei waren sie so glücklich in ihren Lehmhütten ohne Strom! Wo trifft man ihn? Überall dort, wo es Ureinwohner gibt. Wo nicht? In vom westlichen Konsumterror verdorbenen Städten Typischer Satz „Sieh es doch mal so: Nicht Columbus hat die Indianer entdeckt, sondern die Indianer Columbus.“ Erkennungszeichen Passt sich der Kleidung der Einheimischen an: indischer Sari, indianischer Poncho oder marokkanischer Fes
Der Hänger
Für was fährt man weg, wenn man im Urlaub mehr Stress hat als zuhause? Den Hänger interessieren weder alte Tempel, noch aufregende Städte. Er will abhängen und das möglichst billig. Dafür braucht er nur ein Bungalow, eine Hängematte und viel zu rauchen. Bekommt er das, gehört der Hänger zu den entspanntesten Zeitgenossen, die man auf Reisen treffen kann. In Dritte-Welt-Ländern kann er endlich das Leben leben, dass er sich zuhause nicht leisten kann. Weil er Dauergast ist, kennt er die Kellner alle beim Namen und macht ständig Scherze mit ihnen. Nur nimmt mit zunehmender Verweildauer und Drogenkonsum seine Intelligenz langsam ab, so dass der Hänger nach einer Weile nur noch Schwachsinn von sich gibt.
Wo trifft man ihn?
An Stränden, in Hängematten: Mexiko, Thailand, Goa.
Wo nicht?
In Binnenländern mit strengen Drogengesetzen
Typischer Satz
„Du bist gerade angekommen, ach so. Hm, ich bin hier schon seit vier Monaten.“
Erkennungszeichen
Nackter Oberkörper, Hängematte
Text: philipp-mattheis - Illustrationen: Katharina Bitzl