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Supertrend Moratorium - wir wollen mehr!

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In den letzten Tagen haben wir ein neues Wort gelernt oder zumindest wieder aufgefrischt. Das Moratorium. Ein Wunderding, das einfach so schafft, was vorher ziemlich unmöglich schien, es schaltet kurzerhand sieben Atomkraftwerke ab und verpflichtet alle Beteiligten, erstmal in Ruhe nachzudenken, ob das jetzt wirklich so weitergehen kann. Eine tolle Sache also, die wir unbedingt viel öfter einsetzen möchten. Schließlich gibt es eine ganze Reihe von Angelegenheiten, die bestimmt besser würden, wenn man sie erstmal eine Runde aussetzt und überlegt, was man da eigentlich tut. Deswegen hier sieben Moratorien die wir gerne einführen würden:   

Beziehungs-Moratorium

Weil: Der Satz „Ich brauch mal ein bisschen Zeit für mich“ ist unter Liebenden zurecht nicht besonders populär. Viel eleganter wäre es doch, wenn das Beziehungs-Moratorium zur festen Einrichtung einer Partnerschaft würde – vielleicht alle zwei Jahre für 40 Tage? In der Zeit können beide Teile über Sinn und Wert ihrer Liebe nachdenken und werden sich nach Ablauf umso wonniger in die Arme nehmen. Oder eben nicht.
Problem: Leider lassen sich Libido und gemeinsame Wohnung nicht einfach temporär abschalten. 

 FC-Bayern-Moratorium

Weil: Die Saison ist legendär mies verlaufen, zu holen gibt es so gut wie nichts mehr, das einzige was jetzt noch kommen werden sind leidige Trainerdiskussionen, Torwartschuldfragen und Spielerwechselgerüchte. Das ist doch langweilig und unschön. Dann lieber bis zum Ende der Saison den Laden dicht machen, aussetzen, absteigen werden sie ja trotzdem nicht mehr und dann mit neuer Strahlkraft im Herbst wieder loslegen
Problem: Ohne den FC Bayern fehlt der Liga ihr liebstes Feindbild und das P1 müsste schon nachmittags aufmachen, um die gelangweilten Profis zu beherbergen.  

ICE-Bordküchen-Moratorium

Weil: Früher gab es mal richtige Speisewagen mit Messer und Gabel, dann wurde alles zum Bordbistro, irgendwann gab es außer Cola gar nix mehr, dann griffen kurzeitig Spitzenköche ambitioniert ein und jetzt gibt es wieder nur einen fies sämigen Eintopf und ein Sandwich. Also, was denn nun? Vielleicht mal alle Speisewagen abkoppeln und überlegen, wie man ihnen wieder zu Charme und Weinkeller verhelfen kann. Oder eben einfach weglassen.
Problem: Ohne Speisewagen-Empfehlung müssen die Zugchefs ihre Ansage verändern und erstmal neu auswendig lernen. Das dürfte auf die Pünktlichkeit Auswirkungen haben wie ein mittlerer Lokführer-Streik.

Öffentlich-Rechtliches-Programmschema-Moratorium

Weil: Hat jemand zufällig am Freitag in die 20.15-Uhr-ARD-Schmonzette „Sommerlicht“ gezappt? Das war die endgültige Bankrotterklärung des deutschen Fernsehfilms, dagegen sind selbst die Rosamunde-Lindström-Osküsten-Kitschereien des ZDFs reinste Gehirnnahrung. Also einfach mal alle vom Intendanten bis zur Produktionsfirma auf eine Insel absetzen (zum Beispiel in den romantischen Schären!) und über Werte, Bildungsauftrag, GEZ-Geld und Unterhaltung nachdenken lassen. Mal sehen, ob etwas dabei rauskommt das nicht Christine Neubauer ist.
Problem: Dann müssten wir drei Monate RTL2 gucken.    


Twitter-Moratorium

Weil: Wenn wir uns unsere Twitter-Timeline so ansehen, ist es da ein bisschen wie die Einkommensverteilung in Indien: Sehr wenige haben sehr viel. Alle die nur zweimal am Tag twittern, gehen dabei leicht unter. Dabei ist bei den Dauertwitterern die Leitung zwischen Idee und Tastatur so schnell geworden, dass ziemlich oft gar kein Kopf mehr dazwischen zu liegen scheint. Also lieber mal, sagen wir, sieben Tage moratieren und die Gedanken derweil ein bisschen verdichten.
Problem: Kein Problem. 


 „Dann nehm’ ich doch noch ein Bier“-Moratorium

Weil: In genau das Bier mischen sie immer den Rausch rein! Einfach mal drei Monate lang standhaft sein und vor dem allerletzen Bier nach Hause gehen.
Problem: Das letzte Bier ist jedes Mal wieder das erste.   


März-April-Moratorium

Weil: Wenn sie die Atomkraftwerke einfach ausschalten können, warum dann nicht auch mal die Übergangszeit aussetzen? Diese ganzen späten Wintereinbrüche und letzten Bodenfröste, die Frühjahrshochwasser und Schokoeier wären doch zumindest mal überdenkenswert. Warum nicht einfach mal den Mai vorziehen?
Problem: Wegen der sog. Deutschen Romantik hat der Frühling leider eine starke Lobby.

Text: fabian-fuchs - Foto: momosu / photocase.com

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