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Solidarität mit dem Nachwuchs
Noch ist die Diskussion um die Studiengebühren nicht vom Tisch. 2005 vom Bundesverfassungsgericht durchgewunken, sind sie zwar inzwischen fast deutschlandweit wieder abgeschafft worden. Sich für 500 Euro pro Semester nicht durch Bafög oder Studienkredit zu verschulden, ist nur für die möglich, die großzügig von den Eltern unterstützt werden oder sich für die Doppelbelastung Studium und Arbeit entscheiden. Außerdem sind die Beiträge für alle gleich hoch, ob man nun nach dem Studium Sozialarbeiter oder Staatsanwalt wird. Aber wie kann man der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen sonst entgegenwirken? Der Bochumer Professor für Wirtschaftswissenschaften Stefan Winter, der ein Buch gegen Studiengebühren geschrieben hat, glaubt die Lösung gefunden zu haben. Er will, dass Absolventen erst nach ihrem Studium einen Solidarbeitrag zahlen, der abhängig von der Höhe des Einkommens ist.
Gegen das Konzept, dass das Studium zum Teil von den Studenten selbst finanziert wird, hat Stefan Winter generell nichts einzuwenden. Schließlich haben vollzeitbeschäftigte Akademiker im Schnitt einen Einkommensvorteil von knapp 30.000 Euro jährlich gegenüber Nichtakademikern. Nur sollten nicht alle Studenten gleich stark belastet werden – und schon gar nicht, solange sie noch an der Uni sind: „Kinder aus sozial schwächeren Familien müssen dieses Geld in der Regel erarbeiten. Da gehen Hunderte von Stunden Arbeitszeit verloren, die sie nicht für das Studium haben. Die soziale Benachteiligung liegt also wahrscheinlich im größten Umfang dort. Nicht so sehr bei der Frage: Wer studiert und wer nicht? Wobei es auch da nicht auszuschließen ist,“ sagt Winter. Er schlägt eine nachträgliche Bezahlung vor - den UniSol 35 plus, den er letzte Woche im Landtag von Nordrhein-Westfalen vorgestellt hat. Hinter dem kryptischen Namen steckt ein Modell, das eine gerechte Lösung für alle Beteiligten darstellen soll.
Die Idee: 40 Jahre lang sollen monatlich jeweils 0,1 Prozent des Brutto-Jahreseinkommens an die Unis fließen. Auf alle Akademiker verteilt wären das im Durchschnitt etwa 40 Euro im Monat. Allerdings würde mit einer Mindesteinkommensgrenze von 35.000 Euro brutto pro Jahr (daher „35 plus“) gewährleistet, dass nur diejenigen nachträglich für ihr Studium bezahlen müssen, die auch entsprechend gut verdienen. „Aus der Perspektive der Studierenden wäre es definitiv besser, wenn sie nach ihrem Studium bezahlen würden und dafür während des Studiums eine entsprechend vernünftige Betreuung hätten“, argumentiert Winter.
Sogenannte nachgelagerte Studiengebühren – nach dem Motto „erst studieren, dann zahlen“ – gibt es in der Theorie schon länger, in Australien sind sie sogar schon Realität. Dort ist die akademische Ausbildung zunächst für alle kostenlos. Ab dem Berufsstart werden dann nachträglich Beiträge an die Uni gezahlt – abhängig von Einkommenshöhe und Studienkosten. In England hat man über eine „Akademikersteuer“ nachgedacht, wonach alle Hochschulabsolventen ihr ganzes Berufsleben lang bis zu fünf Prozent ihres Einkommens an die Unis zurückfließen lassen sollten. Durchgesetzt hat sich der Vorschlag bislang nicht.
Prof. Dr. Stefan Winter von der Ruhr-Universität Bochum
Beide Konzepte, zwischen denen man deutlich unterscheiden muss, haben laut Stefan Winter einen entscheidenden Haken: Steuern müssen nur diejenigen zahlen, die im entsprechenden Land wohnen. „Das ist für mich ein ganz massiver Einwand gegen jede Form von Steuerfinanzierung, weil man sich dann dem Solidarsystem entziehen kann, indem man auswandert.“ Nachgelagerte Studiengebühren dagegen können in der Regel weltweit eingezogen werden. In Australien hat man sich diesen Vorteil allerdings nicht zu Nutze gemacht: Die nachgelagerten Studiengebühren werden dort wie Steuern über das Finanzamt abgewickelt.
Im Gegensatz zum australischen System gibt es bei UniSol 35 plus nach oben hin keine Grenze – deshalb spricht Winter bewusst nicht von Gebühren. Es werden nicht einfach die realen Kosten für das Studium nachgezahlt, sondern die starken Schultern sollen mehr tragen. So könnte es sein, dass jemand, der sehr viel verdient, am Ende auch ein Vielfaches von dem zahlt, was sein Studium tatsächlich gekostet hat. „Die Idee dahinter ist, dass die Spitzenverdiener mehr bezahlen und so die Studierenden mitfinanzieren, die hinterher wirtschaftlich nicht so erfolgreich sind und von denen nie Gebühren eingehen.“ Winter sieht darin kein Gerechtigkeitsproblem. Eine solche Solidarität sollte man von sehr gut verdienenden Akademikern verlangen können.
Dorothea Hutterer vom freien zusammenschluss von studentInnenschaften ist da skeptisch. Sie fürchtet eine Missstimmung unter den Studenten, wenn ihnen von vornherein das spätere Mitfinanzieren der wirtschaftlich Schwachen durch die Absolventen mit hohem Einkommen vorgeschrieben wird. „Das stiftet Unfrieden in der ganzen Studierendenschaft. An einer TU würde das vielleicht nicht ganz so problematisch gesehen werden wie an einer Volluni, an der es auch sehr viele Lehramts- und Geisteswissenschaftstudenten gibt. So ein Modell könnte die Studierendenschaft spalten.“ Es könnte schon während des Studiums ein Bewusstsein entstehen, dass diejenigen, die in ihren eigenen Augen etwas „zielführendes“ studieren, später für ihre ehemaligen Kommilitonen mit geringem Einkommen mitbezahlen müssen. „Das fände ich persönlich sehr schade,“ sagt Dorothea Hutterer. Die Finanzierung von staatlicher Seite müsse ausgebaut, der Wegfall der Studiengebühren ausreichend kompensiert werden - und zwar nicht von Absolventen. Ihrer Meinung nach gibt es immer noch kein Finanzierungsmodell, das tatsächlich alle Beteiligten gänzlich zufrieden stellt. Auch nicht das neue Konzept von Stefan Winter.
Text: helena-kaschel - Fotos: dpa/www.ruhr-uni-bochum.de