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"Schwarze Schafe": der Film zur Großstadt Berlin
Auf der Leinwand knallt es von Anfang an. Begleitet von wildem Funksound und geführt von rasanten Zeitraffereinstellungen, nur kurz erhält der Zuschauer eine Tour durch die Hauptstadt, langzeitbelichtete Straßenlaternen kratzen an der Netzhaut. Funkturm, Potsdamer Platz, all die bereits unzählig gesehenen Bilder. Noch ein letztes Mal wird das Klischee Berlin bemüht, von dem man in Restdeutschland so gerne hört, bevor es in Richtung Abgrund geht, zu den Schwarzen Schafen, so der Titel des Films von Regisseur Oliver Rihs.
Im Abgrund, da wird gefickt und gekifft, gekotzt und gesoffen, hier betrügt und übervorteilt jeder jeden. Die Trostlosigkeit ist total. Schwarze Schafe, für Rihs ist das eine Lebensform abseits der Berliner Mythen von Medien, Machern und Karriere. Fast schon programmatisch, scheint es dann auch, den Film in Schwarz-Weiß zu drehen, denn auch das Reflektionsniveau seiner Figuren bewegt sich auf ähnlichem Niveau. Immer heißt es: Wir gegen die. Die, das sind die Mode-Snobs und Spießer, die Angepassten und natürlich auch die arroganten Touristen aus München, die im „Feindesland“ Berlin eine Lektion in Demut bekommen. Da funktioniert das Klassenbewusstsein einmal anders, denn wenn wir alle Versager sind, dann sind es die Wohlsituierten, die nicht in das Konzept passen. In fünf lose miteinander verknüpften Episoden erzählen Rihs und seine Autoren von der alltäglichen Sinnsuche ihrer Figuren, die sich hauptsächlich in Triebbefriedigung manifestiert. Da sind beispielsweise drei türkische Jugendliche, die die Besucher einer Goa-Party bestehlen wollen, um ihre Zuhälterschulden zu begleichen. Oder der Hochstapler Boris, der, um seine Angebetete zu gewinnen, nur Selbstverstümmelung und Versicherungsbetrug als Ausweg sieht. Oder zwei in Wahrheit kreuzbiedere Satanisten, die ihre eigene Großmutter schänden. Klar, dass dabei etwas auf der Strecke bleiben muss. Meist sind es die Projekte und Hoffnungen der Protagonisten.
Regisseur Oliver Rihs „Schwarze Schafe“, zu Beginn noch ein Spaßprojekt wurde schnell bitterer Ernst, auch weil Rihs zusammen mit Kameramann und Produzent Olivier Kolb die eigenen Ersparnisse für die Produktion verwendet hat. „Es wurde immer aufwändiger, obwohl die Darsteller allesamt auf ihre Gage verzichteten. Ich hätte den Film wohl kaum in einer anderen Großstadt drehen können“, sagt Rihs, ursprünglich selbst ein Neuberliner, seit sieben Jahren wohnt er nun in der Stadt. Mit „Schwarze Schafe“ verbeugt er sich vor seiner neuen Heimat und vertraut „auf die Fähigkeit der Berliner zur Selbstironie.“ Der Film tut sich schwer, die Geschwindigkeit des Beginns zu halten. Abhilfe schafft hier wie so oft die Boulevardpresse. Von deren Schlagzeilen ließ sich Rihs für sein Drehbuch inspirieren. „Die Figuren, das sind nicht unbedingt Leute, die einem täglich begegnen, aber der Wahnsinn findet statt.“ Einen gewissen Realitätsbezug kann man also nicht verneinen.
Auch deswegen erinnert „Schwarze Schafe“ eher an den zeitgenössischen österreichischen Film, „Hundstage“ etwa, statt an die deutsche Kiez-Komödie, lässt dabei jedoch dessen systemimmanenten Horror vermissen. Gesellschaftskritik heißt hier zumeist, die Subkulturen auch mal härter ranzunehmen. Er habe sich oft „gewundert wie kleinbürgerlich hausbesetzende Punks in ihrem Denken sein können“, sagt Rihs, „die Leute am Rande der Gesellschaft sind in ihrem Treiben genauso engstirnig und materialistisch wie das Objekt ihrer Kritik.“ Und doch, auf der Leinwand herrscht trotz der gemeinen Gags, der Slapstick-Brutalität und des hohen Ironiefaktors Mitgefühl für diese Verlierer des Lebens. Denn die Protagonisten sind in ihrem Begehren recht gewöhnlich. Um Sex geht es da, um Anerkennung, Geld, Macht und auch um Liebe. Nur manchmal schaffen sie es, die eigenen Werte neu zu kalibrieren. Und sehen sie einmal klar, dann geht es eben auch um diese Momente, „die einem durch den Kopf gehen, wenn man den Löffel abgibt“, wie es Hochstapler Boris gegen Ende des Films ausdrückt. Der Film "Schwarze Schafe" startet am 2. August.