Für alle, die es immer noch nicht mitbekommen haben: Die Frage nach Huhn, Ei und wer zuerst da war, interessiert mittlerweile wirklich niemanden mehr. Wer sich als Naturwissenschaftler oder Philosoph heute mit Kausalitätsprinzipien beschäftigt, der wendet sich der letzten Bastion menschlichen Verhaltens zu, das bisher weder durch Darwin noch durch Max Weber geklärt werden konnte: Dem Schwulsein nämlich.
meredith-haaf
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Zwei neue Thesen zur Homosexualität sind in den letzten Wochen veröffentlicht worden. Wie es sich im Wissenschaftsbetrieb schickt, fragt eine nach der Ursache, die andere nach der Wirkung der ganzen Angelegenheit.
Warum Männer schwul werden
Die Gebärmutter ist schuld, sagt der kanadische Forscher Anthony Bogaert. Je mehr große Brüder eine Junge hat, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass er schwul werde. Das liegt aber nicht an irgendeiner Form geschwisterlichen Fehlverhaltens, sondern hängt mit den Bedingungen im Mutterleib zusammen. Eine Frau empfinde einen männlichen Fötus unter Umständen als Fremdkörper und entwickele im Laufe der Schwangerschaft Abwehreaktionen – auf biologisch sagt man dazu auch Antikörper. Von Sohn zu Sohn werden die mehr und irgendwann so mächtig, dass sie das kleine Fötenhirn so manipulieren, dass es umso mehr auf Jungs steht.
Wer jetzt ein ganz energisches „Häh?“ in Großbuchstaben ausstößt, dem ist hiermit Absolution erteilt. Denn was mit Einzelkinderschwulen, Lesben ganz im allgemeinen ist und warum eine Mutter Antikörperchen gegen ihren Sohn ausstoßen sollte, bleibt ganz klar ungeklärt. Mehr als ein Kausalzusammenhang pro Anlauf wäre dann allerdings vielleicht zu viel erwartet.
Wozu Mädchen mit Mädchen und Jungs mit Jungs herum machen.
Mit der Evolutionstheorie lässt sich ja nun mal gar nicht erklären, warum manche Menschen lieber mit ihren eigenen Geschlechtsgenossen knutschen als mit den anderen.
Nicht im Bild: Der Makakenkerl
Dafür aber umso besser mit der Tierwelt. Denn während Darwin noch glaubte, alle sexuelle Energie ginge vom Männlichen aus und sei auf Reproduktion ausgerichtet, kennt die moderne Biologie viele Fälle von tierischer Homosexualität. Dass zum Beispiel japanische Makaken in lesbischen Gemeinden leben, sich aber trotzdem gerne mit Männchen fortpflanzen, wurde bislang als Abnormalität und netter Irrtum der Natur betrachtet. Nix da, sagt die amerikanische Biologin Joan Roughgarden. Sie ist selbst eine Transfrau und fragte sich lange Zeit, wie eine so enorme Menge von Menschen aus der sexuellen Selektionstheorie heraus fallen kann. Die Antwort: Homosexuelle Beziehungen sind gut für die Gesellschaft – sie wirken sozial stabilisierend. Es ist eben gut für die matriarchalischen Makaken, wenn sich die Weibchen gut verstehen – wer miteinander schläft, kommt eher nicht auf den Gedanken, sich gegenseitig umzubringen. Roughgardens Folgerung: In Wirklichkeit gibt es den Dualismus homo-hetero überhaupt nicht, Bi-Sein ist für alle das beste, ob Mensch oder Makake.
Bild: dpa