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Sag mir, was ich will
Die große Ahnungslosigkeit vor dem Studium. Viele Abiturienten wissen zwar, dass sie studieren wollen, aber was, das wissen sie nicht. Selbsttests im Internet sollen einem dabei helfen, das richtige Fach zu finden. Tun sie aber gar nicht. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft. Ist das wirklich so?
Ich bin zwar kein 18-jähriger Abiturient mehr, sondern ein ehemaliger 24-jähriger Student mit einem Bachelorabschluss in Politik und Geschichte. Das Studium war okay, es war interessant und ich bereue es nicht. Dennoch begleitete mich meine gesamte Studienzeit über die Angst, vielleicht doch das Falsche zu studieren. Einen Selbsttest habe ich nie gemacht. Die Studie des Stifterverbandes für deutsche Wissenschaft hat mich neugierig gemacht. Jetzt im Nachhinein müsste ich eigentlich ganz gut beurteilen können, ob die Vorschläge, die sie mir machen, für mich passen. Ich will das Ergebnis der Studie an mir selbst überprüfen. Werden sie mir Politik und Geschichte vorschlagen? Habe ich – wie mein Gefühl mir ja eigentlich schon sagt – alles richtig gemacht? Oder wird mir vielleicht etwas vorgeschlagen, das ich nie in Erwägung gezogen habe, das aber super passen könnte und das mich jetzt traurig macht? Oder wird, wie die Studie behauptet, totaler Unsinn dabei herauskommen?
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Test 1: Was studiere ich?
Die Suche nach dem perfekten Studiengang beginnt auf was-studiere-ich.de. Ich soll zum Beispiel beantworten, ob ich gerne Konstruktionspläne entwerfen oder kranken Menschen helfen würde. Beides eher nicht so. Als Ergebnis kommt dann auch raus, dass ich besser nicht Architektur oder Medizin studieren sollte. Wirklich aufschlussreich ist das Ergebnis nicht. Denn dafür ist die Liste der empfohlenen Studiengänge viel zu lang. Aufschlussreich ist dagegen der Berufsvorschlag, den ich bekomme: Auslandskorrespondent oder Dozent für ein geisteswissenschaftliches Fach. Könnte passen. In welchem geisteswissenschaftlichen Fach wird leider nicht genannt.
Test 2: Das Borakel
Ganz andere Fragen bekomme ich bei dem Test der Uni Bochum gestellt. Welchen Aufwand wären Sie bereit in ihr Studium zu investieren? Welche Schulnote hatten Sie in Kunst? Nie besser als eine Drei. Trotzdem rät man mir zum Studium von Kunstgeschichte. Kommt mir unpassend vor. Die weiteren Vorschläge: Medienwissenschaft, Sozialwissenschaft, Russische Kultur und Slawische Philologie. Mit Russland hatte ich zwar nie wirklich was am Hut und ich wurde in dem Test auch nie nach meinem Interesse für das Land gefragt, aber vielleicht ist das ja der Geheimtipp, den ich gesucht habe? Naja gut, eher nicht.
Test 3: Study-Finder
Den nächsten Versuch unternehme ich auf der Seite der Uni Saarland. Beim „Study-Finder“ muss ich wieder meine Interessen einstufen. Das Ergebnis hilft mir wieder nicht viel weiter. Diesmal werden mir nicht mal mehr Studiengänge angezeigt, die mich interessieren könnten. Sondern lediglich die Bereiche: Platz eins belegt bei mir einen Studiengang mit sozialer und künstlerischer Ausrichtung. Welches Fach diese Kriterien erfüllt, verrät mir das Studienorakel leider nicht.
Test 4: Hochschulkompass
Der Hochschulkompass fragt wieder nach meinen Interessen. Ich horche also tief in mich hinein und klicke mich durch die unzähligen Fragen. Nach zehn Minuten bin ich fertig und warte gespannt auf das Ergebnis. Und tatsächlich gibt ein Fach, dessen Anforderungsprofil zu hundert Prozent mit meinen Interessen übereinstimmt: Arboristik. Die Frage nach dem perfekten Studiengang scheint beantwortet zu sein. Blöd nur, dass ich nicht mal weiß, was Arboristik bedeutet, geschweige denn, was man dort lernt. Ich suche aufgeregt im Internet und erfahre, dass sich der Studiengang mit dem Schutz und der Pflege von urbanem Grün befasst. Mit einem Schwerpunkt auf Gehölzen und Bäumen. Aha. In der Schule habe ich Bio immer gehasst. Und auch in dem Test, habe ich meine naturwissenschaftlichen Interessen als gering angegeben. Nach reiflichem Überlegen, komme ich zu dem Schluss, dass es sich bei dem Resultat um einen Fehler im System handeln muss. Anders kann ich mir die 100 Prozent Übereinstimmung nicht erklären. Schade eigentlich. Für einen kurzen Moment dachte ich wirklich, ich wäre fündig geworden, bei meiner Suche nach dem idealen Fach.
Ergebnis: Der Selbsttest-Test hat mich nur eine Sache gelehrt: Dass die Studie Recht hatte. Die Internet-Orakel sind wirklich nicht sehr hilfreich. Entweder werden einem viel zu viele Fächer vorgeschlagen, oder aber Fächer, die von Vornherein nicht in Frage kommen, wie bei mir Kunstgeschichte oder Slawische Philologie. Es war wohl doch eine gute Entscheidung, nach dem Abi meinem Bauchgefühl zu vertrauen.
Text: alexander-gutsfeld - Illustration: Katharina Bitzl