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Retter der Weltmeere

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Jedes Jahr geraten fast sieben Millionen Tonnen neues Plastik in die Ozeane. Müllteppiche, größer als ganz Zentraleuropa, sind die Folge, sie treiben in den Ozeanen und niemand hat bisher eine Lösung für das Problem. Das könnte sich jetzt ändern, denn seit einer Weile ist eine Idee im Umlauf, die für Aufsehen sorgt. Sie stammt von einem 19-Jährigen. Er heißt Boyan Slat, kommt aus den Niederlanden und hat einen Plan, mit dem er die Meere vom Plastik befreien will. Fünf Jahre, so lange könnte es vielleicht dauern, schätzt er. Bis dahin will er 7,25 Milliarden Kilogramm Plastik aus den Meeren gefischt haben.

Boyans Idee trägt den Namen „Ocean Cleanup Array“ und ist 2011 gestartet: Zusammen mit einem Schulfreund, Tan Nguyen, arbeitete er an einem Paper zur Forschung über den Rückbau von „Garbage Patches“, auch „Gyres“ genannt. Sie investierten 500 Arbeitsstunden in das Projekt statt den geplanten 80. Das Ergebnis wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem „Best Technical Design 2012“ an der Delft University of Technology, an der Boyan gerade Luft- und Raumfahrttechnik studiert.

Boyan Slat - bald vielleicht Retter der Weltmeere

Eine Lösung für das Plastikproblem wird händeringend gesucht. Stephan Lutter, WWF-Meeresschutzexperte, sagt: „Plastik im Meer ist eine schlimme Sache und tödlich für viele Meeresbewohner, da sie die Plastikteile fressen und sich mit schädlichen Stoffen vergiften. Lederschildkröten halten Plastiktüten beispielsweise für Quallen, ihre Nahrung." Bevor sich Plastik völlig zersetzt, können 350 bis 400 Jahre vergehen. Bis dahin zerfällt es in immer kleinere Teilchen, die im Meer umher treiben. Das größte Problem ist also nicht das Plastik an sich, sondern sein langsamer Abbau.

Kläranlagen schaffen es oft nicht, die winzigen Kunststoffteilchen herauszufiltern, und so gelangen sie ins Abwasser. Fleece-Pullis können beim Waschen beispielsweise Kunststofffasern frei setzen und Zahncremes oder Duschbäder enthalten kleinste Kunststoffkügelchen, die Kläranlagen nicht erkennen. Wie viel Plastik in den Meeren treibt, wird spätestens dann klar, wenn Bilder von Mägen verendeter Seevögel veröffentlicht werden. Statt Plankton sieht man vor allem eins: Plastik.

Nach seinen ersten Erfolgen entwickelte Boyan das Projekt im Sommer 2012 weiter und stellte es einige Monate später bei der TED-Konferenz (Technology, Entertainment, Design) in Delft vor. Die Konferenz findet jährlich statt und ist vor allem dafür bekannt, die Ideenbörse der Zukunft zu sein. Hier werden vielversprechende Ideen bekannt macht, Videos der Talks online gestellt und auf der ganzen Welt verbreitet. Auch Boyans Rede ist auf Youtube zu sehen. Kurze Zeit nach seinem Auftritt, im Januar 2013, gründete er die gemeinnützige Organisation “The Ocean Cleanup Foundation“.

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=ROW9F-c0kIQ

Boyan will den Plastikmüll einfangen. Statt mit Schiffen herumzufahren und ihn einzusammeln, dachte er sich: Wir nehmen ihn dort auf, wo er sowieso irgendwann vorbeitreibt: An den so genannten „Garbage Patches“. So werden Strömungswirbel in den Ozeanen bezeichnet, in denen sich extrem viel Müll sammelt. Die bekannteste dieser Müllansammlungen ist der „Great Pacific Garbage Patch“ im Nordpazifik. Bisher soll seine Fläche so groß sein wie ganz Zentraleuropa. Boyan plant, insgesamt 24 Plattformen an diesen Strömungswirbeln im Meeresboden zu verankern.

Auf seiner Website hat er bereits Bilder veröffentlicht, die zeigen, wie er sich eine solche Plattform vorstellt: Sie sieht aus wie ein Mix aus einem Ufo und einem Mantarochen. Denn genau wie ein Rochen treiben die Ausleger der Plattform an der Wasseroberfläche. Mit Hilfe dieser überlangen Arme und der Meeresströmungen soll das Plastik an die Plattformen gelangen, Siebe sollen dafür sorgen, dass Meerestiere nicht gefährdet werden. Der Kunststoff soll zum späteren Recycling an Land befördert werden.
Boyan erklärt auf seiner Website: „Warum sollten wir in den Ozeanen nach Plastik fischen, was teuer, ungeschickt und umweltschädlich wäre, wenn wir die Meeresströmungen doch einfach das Plastik für uns einsammeln lassen könnten?“

So soll der "Ocean Cleanup Array" aussehen.

Finanzieren soll sich das Ganze praktisch von alleine. Zwar hat der 19-Jährige auf der Crowdfunding-Plattform „indiegogo“ 89.518 Dollar durch Spenden zusammen bekommen. Aber am Ende, meint Boyan, soll mehr Geld herauskommen als investiert wurde. Denn seine Idee könnte die Ozeane nicht nur von mehreren Millionen Tonnen Plastik befreien, hunderttausende Wassertiere schützen und Schadstoffe in der Nahrungskette reduzieren, die letztendlich auch uns Mensch schützen würden. Der Niederländer sagt auch, man könne so mehrere Millionen Dollar im Jahr durch weniger Säuberungskosten der Ozeane und Reparaturkosten von Schiffen einsparen. Das angesammelte Plastik soll verkauft werden und als hauptsächliche Einnahmequelle dienen.

Zusammen mit einem Team aus 50 Helfern, darunter Ingenieure und Modellierer, ist Boyan zuversichtlich, was sein Projekt betrifft. Doch bisher befindet es sich noch im Anfangsstadium, erst ein Viertel der geplanten Untersuchungen sind abgeschlossen. Deshalb möchte er noch keine großen Versprechungen machen, um nicht Gefahr zu laufen, am Ende als Sprücheklopfer entpuppt zu werden. Schließlich weiß er noch nicht, in wieweit das Ganze realisierbar ist. „Erst nach dem Beenden unserer Studie glauben wir, ein Statement darüber abgeben zu können, ob das Projekt wirklich umsetzbar ist. Bis dahin haben wir nicht vor, unser Projekt als optimale Lösung darzustellen,“ schreibt Boyan auf seiner Website. Von Überheblichkeit also keine Spur.

In den nächsten Monaten soll geklärt werden, ob der Plan wirklich umsetzbar ist. Schön wäre es jedenfalls, nicht nur für die Meerestiere, sondern auch für uns. Denn wer will schon einen Fisch auf dem Teller liegen haben, dessen Magen mit Plastik-Giftstoffen vollgepumpt war?


Text: feline-gerstenberg - Fotos: Erwin Zwart / Fabrique Computer Graphics

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