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Regensburgs neuer Domspatz

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Endlich, ein kurzer Moment Ruhe. Rupert Götzler steht in der schmalen Gasse vor dem Plattenladen, raucht eine Zigarette in der Mittagssonne. Drin­nen klingelt das Telefon, pausenlos. Draußen ist das gut zu hören, durch die gebrochene Fensterscheibe. Dutzende Interviews habe er heute gegeben, für Hunderte Fotos posiert. Sat 1, ARD, die Lokal­presse, alle waren heute da, die Bild-Zeitung kommt später noch.


Rupert Götzler gibt Interviews am laufenden Band.

Aber eigentlich, sagt Plattenverkäufer Götzler, verstehe er die ganze Aufregung nicht. Aus der Wohnung nebenan kommt jetzt Lucia. „Voll der Hype“, sagt sie und grinst. Dann erzählt sie, ein wenig stolz, von der Nacht auf Dienstag. Von dem Moment, als es draußen laut geklirrt hat. Als Pete Doherty mit zwei Kumpels die Fensterscheibe des Regens­burger Plattenladens eingeschlagen und eine Gitarre geklaut haben soll. Noch am Nachmittag zuvor habe sie in der Stadt nach Doherty Ausschau gehalten, auf Facebook in Erfahrung gebracht, wo er sich so rumtreibt. Und dann, klirr, steht er auf einmal vor ihrer Haus­tür. Er, „der Pete“, wie Lucia sagt. So, als kenne sie ihn von der letzten Wohnheimparty.

Pete, der Leibhaftige. In diesen Tagen schauen sich die Regensburger genauer um, wenn sie durch die Gassen der Altstadt gehen. Das Fotohandy griffbereit, Pete Doherty könnte ja jederzeit um die Ecke kommen. Seit zwei Wo­chen steht er mit August Diehl für einen Filmdreh vor der Kamera, Kulisse ist das eigentlich etwas verschlafene Regensburg. Doch spätestens nach dem nächtlichen Einbruch liegt ein wenig Hysterie über der Stadt, nur zugeben will das kaum je­mand. Man will ja nicht provinziell wirken, gibt sich lieber be­tont unaufgeregt. Da­bei wurde schon vor Wochen unruhig spekuliert: Wo wird er wohnen, wo wird er schlafen, in welche Kneipen wird er gehen? Was sich die Leute eben so fragen, wenn endlich mal ein großer Star in ihre kleine Stadt kommt. Ein bisschen ist es so, als habe Pete Doherty die Stadt aufge­weckt. Dabei tut er nur das, was er immer getan hat: Er zieht nachts durch die Kneipen und randa­liert ein bisschen. Immer sturz­betrunken, versteht sich. Oder wie Toni, der Barmann in der „Bana­ne“, es nennt: „Brutal beinander war der.“

Die „Banane“ ist eine etwas muffige Heavy-Metal-Kneipe, in der Hirschgeweihe und deko­rierte Kruzifixe an den Wänden hän­gen. Kein Szenetreff, der Laden wirkt eher wie aus der Zeit gefallen. Hier hat Pete Doherty kürz­lich Billard gespielt, Barmann Toni hat ihm die Getränke gemischt. Angesprochen auf den mutmaßlichen Ein­bruch in den Plattenladen muss er nur lachen. Er könne sich das nicht vorstellen. „Der Pete“, wie auch Toni liebevoll sagt, sei doch eine Seele von einem Menschen. Der habe sich ja sogar an das Rauchverbot gehalten und sei überhaupt total freundlich gewesen. Nur eben brutal beinan­der. Typisch Pete halt, findet Toni.

Am Mittwochnachmittag sitzt Isabelle mit Freunden in einem Straßen­café und zeigt ein Handyfoto in die Runde. Zu sehen ist die lä­chelnde Isabell im Arm eines abwesend wirkenden Pete Doher­ty. Es ist das immer gleiche Bild, das in diesen Tagen durch Hun­derte Re­gensburger Hände geht, nur die Person neben Doherty ist immer eine andere. Isabelles Foto entstand vor ein paar Tagen in der „Oscar-Bar“, wo Benny hinter der Theke steht. „Ein Riesenrummel ist das“, sagt Benny. Die Freunde, die Gäste, der lokale Radiosender – seit Tagen will jeder seine Geschichte hören. Und immer wieder erzählt er davon, dass Doherty seinen Long-Island-Ice-Tea nach drei Minu­ten ausgetrunken, dass er fünf Euro Trinkgeld gegeben hat, dass er ein wenig mitgenommen gewirkt habe. „Jeder will ein Stück von Pete Doherty haben und klammert sich an den Strohhalm, solange er noch in der Stadt ist“, sagt Benny.


Barmann Benny

Er meint den Strohhalm der Sehnsucht nach einem kleinen Stück Weltstadt. Tina kann darüber nur den Kopf schütteln. Sie sitzt im Straßencafé neben Isabelle und auch sie soll jetzt ihre Geschichte erzählen. Die Erbsensup­pen-Geschichte. Schon wieder. „Wen interessiert das? Das ist doch nicht wichtig“, sagt sie, und fängt dann doch an zu reden: Total betrun­ken sei Doherty aus einer Bar gestolpert, di­rekt in ihre Arme. We­nig später sei sie mit ihm dann im Café Lila gesessen, Erbsensuppe essen. Die beste Erbsensuppe seines Lebens, habe Doherty gesagt. Und dass ihm die Stadt gut gefalle, nur eben ein bisschen langwei­lig finde er es hier. Dann habe er ihr einen Kuss auf die Wange ge­drückt, sei Zigaretten holen gegangen und plötz­lich verschwunden. „Das war's, total unspektakulär“, sagt Tina.


Isabelle hat mit Pete Erbsensuppe gegessen.

Gegen Abend ist es vor dem Plattenladen stiller geworden, die letzten Kamera-Teams haben ihrer Stative abgebaut, das neue Fens­terglas ist schon bestellt. Pete Doherty soll in­zwischen von der Polizei vernommen worden sein, erzählt ein älte­rer Herr im Trach­tenjanker, der gerade einen neugierigen Blick in den Laden wirft. Ob er denn überhaupt wisse, wer Pete Doherty sei? „Nicht so genau“, sagt er, „in der Zeitung habe ich halt gelesen, dass der weltberühmt ist. Mehr interessiert mich von dem sowieso nicht.“

Ein paar Tage noch werden die Regensburger nach ihrem berühmten Gast Ausschau halten, ihre Handyfotos kreisen lassen, auf Facebook ihre ganz persönliche Pete-Doherty-Story posten. Dann zieht das Filmteam ab und Regensburg wird ohne den Weltstar wieder das sein, was es vorher war: Eine hübsche kleine Studentenstadt mit vielen Kirchen und noch mehr Kneipen. Eine liebenswerte Stadt. Nur eben ein bisschen langweilig, wie Pete Doherty sagt.   





Text: andreas-glas - Fotos: dapd, Tobi Zirngibl

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