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Rechte Szene doch nicht out?
Vor kurzem hat das Berliner Archiv der Jugendkulturen die Studie „Rechts auch im Osten out?“ veröffentlicht. Darin heißt es: „Die Rechtsextremen gelten heute nicht mehr als die Avantgarde von morgen, sondern als die letzten Deppen von gestern.“
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Skinheads bei einer Demo in Berlin; Foto: AP Acht von zehn jungen Menschen wollen mit der rechten Szene nichts zu tun haben. Zu dieser Schlussfolgerung kam Klaus Farin, Leiter des Archivs, nachdem er 1.000 Schüler aus allen neuen Bundesländern zu ihren Lieblingsjugendkulturen befragt hatte. Laut Studie hätten nur drei Prozent der Befragten mit der rechten Szene sympathisiert, die Hälfte der Befragten habe sie dagegen auf Platz eins der Antipathie-Skala gesetzt. Im Interview mit jetzt.de erklärte Klaus Farin sein Ergebnis folgendermaßen: „Die rechtsextreme Szene ist in den meisten Regionen vom Personal her kleiner, als es die Medienberichte befürchten lassen. Die NPD-Jugendorganisation etwa verfügt bundesweit über weniger als 500 Mitglieder, in Thüringen sind es gerade mal 50. Aber: Man braucht nur wenige Leute, um Terror auszuüben. Wenn acht Neonazis vor einem Jugendclub oder an öffentlichen Plätzen rumhängen, dominieren sie das Stadtbild und schüchtern andere Menschen ein. Aus Angst verprügelt zu werden, kleiden sich viele Jugendliche deshalb zum Beispiel nicht als Punk. Aber wenn man sie fragt, sagen acht von zehn, sie wollen mit den Rechten nichts zu tun haben. Das war Anfang der Neunziger noch anders. Abschreckend wirken für die Jugendlichen vor allem das rigide Auftreten der Rechten, ihre Gewalttätigkeit, die Sauferei und das sektenhafte Leben in einer eigenen Welt. Die Rechten lehnen ja alles ab, was ein wenig anders ist: Hiphop ist undeutsch, Hollywood ist jüdisch, skaten darf man nicht und beim Mexikaner essen auch nicht. Das ist ein tristes Leben für einen jungen Menschen.“ Nun regt sich Widerstand von anderen Forschern gegen die Studie, wie die taz berichtet. Der Tenor der Kritik: Das Archiv leiste zwar hervorragende Arbeit, wenn es um das Selbstbild von Jugendkulturen gehe. Doch methodisch und damit auch inhaltlich sei diese Studie nicht haltbar. Farin habe an Schulen Fragebögen verteilt und nach musikalischen Präferenzen gefragt sowie danach, mit welcher Szene sie sympathisieren würden. Die Fragen seien aber zu naiv gewesen, bemängelt ein Kritiker, und außerdem während eines Anti-Rechts-Projekts beantwortet worden, was sozial erwünschte Meinungen fördern könne, sagt ein anderer Kritiker. Sprich: Jugendliche sagen das, was man von ihnen hören will, aber nicht, was sie wirklich denken. Zudem sei die Studie mit den 1.000 Befragten nicht repräsentativ und berücksichtige keine regionalen Unterschiede. Und, so die Kritik weiter: Für junge Menschen seien die Begriffe „rechts“ und „links“ oft nicht mit politischen Positionen und Haltungen gleichzusetzen, sondern eher mit äußeren Merkmalen wie „Glatzen“. Man sich zwar von Glatzen distanzieren und trotzdem ausländerfeindlich sein. Deshalb könne man nach der Studie keine Aussage über den Anteil von Rechtsextremen an der Bevölkerung treffen. Nichts anderes schreibt allerdings Farin selbst: „Definitionsmerkmale für „rechts“ und „links“ waren (und sind) dabei nicht fundierte politische Positionen, sondern subkulturelle Stilelemente (Kleidungsmarken, Musikgeschmack) und die Einstellung zu ‚Ausländern’.“ Die Begriffe „rechts“ und „links“ seien in dem Fragebogen als Vorgaben deshalb auch gar nicht erst aufgetaucht, sagt Klaus Farin im Interview gegenüber jetzt.de. „Man kann die rechte Szene ablehnen und trotzdem gegen Einwanderer sein. Man kann mittlerweile auch Hiphop hören, gegen Nazis, aber fremdenfeindlich sein. Das steht auch so in meinem Text. Laut Studien, die oft weit auseinanderliegen, sind 30 bis 50 Prozent der Deutschen fremdenfeindlich. Allerdings sind Jugendliche entgegen der öffentlichen Wahrnehmung weniger fremdenfeindlich als Erwachsene. Dennoch ist meine Erfahrung nach der Befragung, dass die Jungen auf Distanz zur militanten rechten Szene gehen. Die Basis der Kritik war offensichtlich nicht mein Originaltext, sondern eine Kurzdarstellung aus der Berliner Zeitung.“ Laut taz haben sich mittlerweile aber auch zwei Mitarbeiter des Projekts von der Studie distanziert. Man könne aus der Befragung nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass die rechte Szene im Osten out sei.