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Rauchfrei für Mutti
An den Zeitpunkt, ab dem meine Mutter wusste, dass ich rauche, kann ich mich nicht mehr genau erinnern. An die erste Zigarette, die ich vor ihr geraucht habe, dafür umso genauer. Ich war 17, wir waren gerade auf dem Weg in den Urlaub und hielten an einer Raststätte, um eine kurze Pause einzulegen. Meine Mutter war sicherlich müde und ein bisschen verwirrt, anders kann ich mir nicht erklären, warum sie mir dort das erste Mal eine Zigarette anbot. Vielleicht wollte sie schlichtweg nicht alleine rauchen, ich weiß es nicht. Ich nahm dankend an, zog eine Zigarette aus ihrer Schachtel und zündete sie an. Es war eine total komische Situation. Ich hatte das Gefühl, dass meine Mutter jede meiner Bewegungen verfolgte, mich musterte, wie ich die Zigarette hielt und an ihr zog.
Seit diesem Urlaub sind einige Jahre vergangen. Mittlerweile wohne ich nicht mehr Zuhause. Für mich stand von Anfang an fest, dass in meiner eigenen Wohnung geraucht werden darf. Meine Mutter kam zu Besuch und als sie den Aschenbecher auf dem Tisch sah, sagte sie nichts. Sie hat mich nie gefragt, wie lange ich schon rauche. Wie viel ich rauche. Ich glaube, sie möchte es gar nicht wissen. Mittlerweile habe ich sicherlich schon mehrere hundert Zigaretten vor ihr geraucht. Doch es fühlt sich immer noch nicht so an wie mit einer Freundin, einem Arbeitskollegen oder meiner Schwester. Es fühlt sich auf eine seltsame Art und Weise falsch an, so, als wäre es noch immer ein Regelbruch. Ich bin jetzt erwachsen und kann doch eigentlich tun und lassen was ich möchte – doch meine Mama ist eben immer noch meine Mama.
Lieber weiterhin heimlich rauchen als vor den Augen der Eltern - aber wieso?
Einige Freundinnen von mir sind noch strenger zu sich selbst. Eine von ihnen denkt sogar, sie müsse das Rauchen geheim halten, obwohl ihre Mutter längst davon weiß. Wenn sie sich sehen, tun beide so, als wüssten sie von nichts und sprechen das Thema so gut wie nie an. Meine Freundin steckt sich sogar oft schnell noch einen Kaugummi in den Mund, bevor sie die Türe ihres Elternhauses aufsperrt. „Es gibt nichts zu verheimlichen", das habe ich ihr schon so oft gesagt, „deine Mutter weiß doch Bescheid." „Ja, schon, ich muss es ihr doch aber nicht unter die Nase reiben", antwortet sie mir. Es geht sogar so weit, dass keine Fotos existieren dürfen, auf denen sie eine Zigarette in der Hand hat. Im Zeitalter von Facebook und Blogs könnte ihre Mutter so ein Foto schneller zu sehen bekommen als erwünscht, auch, wenn es ihr am Ende sicherlich gar nichts ausmachen würde. Trotzdem werden Bilder gelöscht, der Tabak in kleinen Beuteln versteckt und nach dem gemeinsamen Abendessen, wenn die Lust auf eine Zigarette ihren Höhepunkt erreicht hat, die Zähne zusammengebissen.
Eine andere Freundin hat ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Sie reden zum Beispiel ganz offen miteinander über Sex und über Beziehungen und ihre Eltern wussten sogar, wenn sie bekifft nach Hause kam. Aber rauchen, das geht gar nicht vor den Eltern! Nicht, weil sie es nicht erlauben würden. Meine Freundin hat Angst, dass ihre kleine Sucht ihr Image verändern könnte. Sie ist für ihre Familie die erste mit Abitur, sie ist diejenige, die tolle Praktika macht und ein Semester im Ausland studiert hat. „Wenn meine Eltern oder meine Verwandten davon wüssten, würden sie mich mit anderen Augen sehen. Das will ich nicht", erklärt sie mir ihre Entscheidung.
Dieses Argument habe ich öfter gehört. Eine meiner besten Freundinnen hat ihren Eltern, die längst wissen, dass sie raucht, letztens verkündet, dass sie von nun an weniger rauchen möchte. Ihr Vater reagierte gereizt: „Das interessiert mich nicht!" Nicht, weil es ihn wirklich nicht interessierte, sondern weil er ganz einfach nichts über seine Tochter und die Zigaretten wissen möchte.
Text: anja-schauberger - Foto: la dina / photocase.com