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Produktbiografie: Leas Schlafgelegenheiten
1. Die Prinzessinnenhöhle In meiner Erinnerung hätte dieses Bett auch im Eckturm einer Ritterburg stehen können. Es war riesig, oder eben ich nur wenig größer als einen Meter. Ein Monstrum aus dunklem Holz, mit kleinen Türmchen an allen vier Ecken. An der Kopfseite des Gestells klebten die obligatorischen Leuchtsterne, die regelmäßig nachts herunter fielen und morgens in einem kleinen Haarknoten an meinem Hinterkopf klebten. Über dem Bett hing ein von Muttern selbst genähter Baldachin. Im echten Leben war ich das Mädchen mit den Cordhosen, das mit den Jungs Fußball spielte – aber abends, unterm Baldachin, war ich die heimliche Prinzessin. Hauptsache, die Fußballkumpels erfuhren nichts davon.
2. Das Schubladenbett Kaum waren die Prinzessinnenträume wegen einer Inkompatibilität mit meiner Vorliebe für XXL-Shirts und blaue Haarstränen verabschiedet, hielten die ersten Filmposter neben dem Bett Einzug – Mission Impossible neben Titanic. Das neue Bett trug im Möbelhaus den Namen „Janina“, war aus gebeiztem Kiefernholz im Jugendzimmerstil und hatte von meiner Mutter das Label „praktisch“ erhalten. Das lag an den Schubladen. In denen lagerten die Bettdecken für Freundinnen, die zum Übernachten kamen, und mit denen dann stundenlang im Dunkeln über Bene oder Stefan getuschelt wurde.
3. Die Matratze am Boden Als aus den „Willst-Du-mit-mir-gehen“-Zetteln ein heimliches Händchenhalten wurde und ein Schlagzeuger ohne Bart, aber mit Band und Muschelkette, das Schubladenbett „furchtbar uncool“ fand, musste die Matratze am Boden her. Daneben cremefarbene Ikeakerzen – zu meiner Ehrenrettung ohne Vanillegeruch - und ein Traumfänger. Zwischen dreihundert Kissen war für mich fast kein Platz mehr. Aber es fühlte sich sehr erwachsen an.
4. Die Hängematte Zum Jugendzimmer gesellte sich der eigene Balkon. Und zu dem die Hängematte. Sommernächtelang schaukelte ich unter dem Sternenhimmel, dachte über den nächsten Musiker nach, las Murakami und fühlte mich tiefsinnig. Dass mein Gesicht am nächsten Morgen wegen der Mückenstiche einem Streuselkuchen ähnelte und ich im Englischunterricht vor Rückenschmerzen kaum gerade sitzen konnte, war egal.
5. Das Hochbett Studium, erste Bude, 30 Quadratmeter eigenes Leben. Die Deckenhöhe von 2,40 Meter hielt mich nicht davon ab, ein Hochbett von 1,90 Meter Höhe auf Ebay zu erstehen. „Das ist gemütlich da oben“, sagte ich schon, bevor der Besuch seinem kritischen Blick noch einen Kommentar hinzufügte. Meist erntete ich für die 40 Zentimeter zwischen Bett- und Zimmerdecke ein wenig überzeugtes „Ah ja.“ Allerdings: betrunken eine Leiter hochzuklettern ist kein Spaß, und das letzte was der Kopf am Morgen nach vielen Biers braucht ist eine unsanfte Begegnung mit der Zimmerdecke. Der Umzug in die artgerechte Altbauwohnung erledigte zwar das Kopfstoßproblem. Nicht aber die Tatsache, dass sich der Herzensmann weigerte, in dem „Jugendherbergsding“ zu schlafen.
6. Die Pritsche Auslandsaufenthalt, die Unterkunft ein Wohnheim, das in Wahrheit ein Mischung aus Jugendknast und Hostel war. Vier Monate auf einer 70 Zentimeter breiten Schaumstoffmatratze, auf der vor mir diverse Spanier, Amerikaner und Franzosen mit unterschiedlichen Reinlichkeitsgraden gehaust hatten. Denn weil das Zimmer so klein war, gab es wenig Alternativorte für essen, trinken, schlafen, als das Bett. Ein gelegentliches Jucken am Kopf und rote Stellen auf meinen Armen machten mich dennoch skeptisch. Dagegen half auch die doppelte Schicht Fließdecken zwischen mir und den Milben nicht.
7. Der neue Purismus
Ein schlichtes Gestell, nicht zu hart, nicht zu weich. Guter Schlaf sticht Schnickschnack. Bei dieser praktischen Sichtweise angekommen frage ich mich, ob das ein Indikator fürs Altwerden ist. Vielleicht ist das die Vorstufe zum Nachttisch-Links und Nachttisch-Rechts-Modell?
Text: lea-hampel - Foto: Katharina Bitzl