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Praktikantenwelt zum Blättern
Alec Dudson hat die Schattenseiten des Praktikantendaseins am eigenen Leib erlebt. Nach dem Studium zog es den 29-Jährigen in die Magazinindustrie. Er hoffte, durch ein Praktikum dem Traum eines festen, bezahlten Jobs in der Kreativbranche ein Stück näher zu kommen. Doch er wurde enttäuscht. Neun Monate lang arbeitete er Vollzeit für das britische Magazin „Boast“ und zog dafür extra von Manchester in das 300 Kilometer entfernte London. Um sich das Praktikum überhaupt leisten zu können, arbeitete er nebenher fast 30 Stunden in einer Bar und schlief auf der Couch eines Freundes. „Am Ende des Praktikums waren meine Jobaussichten keine Spur besser. Nach neun Monaten Vollzeitpraktikum begriff ich, dass sich kein Job für mich ergeben würde. Das war eine traurige Zeit, denn ich hatte sehr viel Energie in das Magazin und in meine Kollegen investiert“, erzählt er.
Alec mit der ersten Ausgabe seines Magazins.
Den Traum, irgendwann bei einem Magazin arbeiten zu können, wollte er aber nicht aufgeben. „Den perfekten Job gibt es nicht“, begriff Alec. Also versuchte er ihn sich selbst so gut es geht zu basteln. „Wieso nicht einfach mein eigenes Magazin machen?“, fragte er sich. Denn auch wenn das Praktikum seine Erwartungen nicht erfüllen konnte, hatte er dort zumindest gelernt, was es alles braucht, um ein Heft auf die Beine zu stellen.
Im April ist aus seinem Plan Realität geworden: Er gründete das Magazin „intern“. Auf „kickstarter.com“ sammelt er derzeit noch Spenden dafür. „Meet the talent, join the debate“ ist das Motto des Hefts. Alle Beiträge drehen sich um talentierte Praktikanten aus der Kreativbranche. „Potenzial gibt es genug. Es wird aber allzuoft übersehen“, so Alec. In „intern“ bekommen Praktikanten die Chance, zu zeigen, was sie alles können und ihre Arbeiten vorzustellen. „Mein Ziel ist, Praktikanten dabei zu helfen sich beruflich zu etablieren“, sagt Alec.
Außerdem sollen im Heft die unterschiedlichen Erfahrungen mit Praktika thematisiert werden, auch die negativen. An denen seien in erster Linie Unternehmen schuld, die, gerade in Zeiten der Krise, Praktikanten mehr als attraktive, billige Arbeitskräfte sehen und nicht als junge Talente, die man fördern sollte. „Wenn diesem Trend nicht gesellschaftlich entgegengewirkt wird, kann das ernsthafte Konsequenzen für die Betroffenen haben”, so Alec. Ein Problem ist nicht nur, dass unbezahlte Arbeit gesellschaftlich immer mehr akzeptiert wird, sondern, dass auch Praktikanten selbst die unbezahlte Arbeit für die eigene Karriere in Kauf nehmen. Alec will dem entgegenwirken: ‚Intern’ soll Praktikanten stolz machen und ihnen dabei helfen, sich selbst zu vertreten und faire Arbeitsbedingungen auszuhandeln“, so der junge Brite. Das verzerrte Verständnis von Praktika soll damit korrigiert werden. Denn von enttäuschten Praktikanten gebe es genug Geschichten.
Eine Doppelseite aus dem "intern"-Magazin
In einem Beitrag in der ersten Ausgabe des Magazins erzählt ein Film-Student von seiner Erfahrung mit dem Talent-Pool des BBC, der zur Unterstützung begabter junger Medienmacher aus dem Norden Englands ins Leben gerufen wurde. Die Euphorie über die Aufnahme in das Förderungsprogramm verschwand, als der Student merkte, dass er mit 65.000 anderen Bewerbern um 200 Jobs kämpfen musste. Auch die Erfahrung mit den vermittelten Praktika war negativ: Der Student wurde in erster Linie als Handlanger eingesetzt. Danach hatte er noch immer keinen Job, was eigentlich das Ziel des Talente-Pools war. Von den 23.000 Bewerbern aus dem Raum Manchester hatten es lediglich 233 geschafft, eine Anstellung zu bekommen.
Eine andere Geschichte im Heft handelt von dem schwierigen Weg eines Fotografie-Praktikanten vom Studium in die Selbstständigkeit und der damit verbundenen Existenzangst. Begleitet wird die Geschichte von den ziemlich beeindruckenden schwarzweiß Modefotographien des Erzählers.
Und auch andere Beiträge im Heft lösen dieses Erstaunen aus. „Intern“ zeigt, dass Praktikanten mehr sind als nur kaffeekochende Mädchen für alles. Längst sind sie zu einer eigenen, unsichtbaren Arbeiterklasse geworden, die sich von anderen dadurch abhebt, dass sie nicht als „richtige Arbeitnehmer“ wahrgenommen wird und es dennoch sind. Die Frage, die sich an dieser Stelle auftut, ist aber nicht nur, ob die Außenwelt ihr eigentliches Potenzial erkennt, sondern sie das auch selbst tut. Mit „Intern“ wächst die Hoffnung, dass das langsam passiert.
Text: simone-groessing - Fotos: privat