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Praise! Wie die Cardigans oder Bright Eyes Religion in ihre Songs packen
LIEBER ALKOHOL DRUNK KID CATHOLIC von Bright Eyes & NEVER WENT TO CHURCH von The Streets
Böse Zungen würden an dieser Stelle behaupten, der Titel des hier vorliegenden Songs der amerikanischen Folk-Band Bright Eyes sei ein Platzhalter für den Namen des Interpreten. Schließlich ging Conor Oberst sein Leben lang auf eine katholische Schule und ist bekanntlich dem Rotwein gegenüber nicht sonderlich abgeneigt. Doch ausnahmsweise geht es in dem Song einmal nicht um das Ego des Künstlers, sondern um die beiden großen Volksdrogen Religion und Alkohol. Davon erzählt Drunk Kid Catholic. Davon, wie diese beiden Phänomene oft gemeinsam Hand in Hand gehen und der Masse Erlösung oder Trost versprechen und viel zu selten einhalten: „The drunk kids, the catholics / They’re all about the same / They’re waiting for something / Hoping to be saved.” Auch Mike Skinner schlägt in seinem blasphemischen Weihnachtslied Never Went To Church eine ähnliche Richtung wie sein Musikerkollege ein. In dem Song verarbeitet der sonst nicht gerade für sentimentale Töne bekannte Vorzeige-Geezer den Tod seines kürzlich verstorbenen Vaters und spricht offen über die Rolle Gottes in der schwersten Zeit seines bisherigen Lebens und Religion als Trostspender in den Stunden der Not: „I never cared about God when life was sailin' in the calm / So I said I'd get my head down and I'd deal with the ache in my heart / And for that if God exists I'd reckon he'd pay me regard / Mom says me and you are the same from the start”. Auch wenn der Song, wie Skinner in einem Interview bekannt gab, „um all das geht, was uns Religion immer gegeben hat”, sieht er keine Rettung im Opium für die Massen („Man kann Family Values haben, ohne ein Christ zu sein“) und greift parallel zu Oberst lieber zu seiner Ersatzreligion namens Alkohol – wie der Brandy-Liebhaber bereits in den ersten Zeilen seines Songs erklärt: „Two great European narcotics: alcohol and Christianity / I know which one I prefer”...
ERLÖSE UNS VON DER RELIGION GODSPELL von The Cardigans
Das charmante Quartett aus Schweden war bisher weniger für politische Statements als für das süße Aussehen ihrer Leadsängerin Nina Persson bekannt. Genau diese sprach in einem Interview auch ihr Bedauern darüber aus, dass sie nie über andere Dinge als Herzschmerzangelegenheiten in ihren Texten schreiben könne, da sie sonst nicht mit dem Ergebnis zufrieden sei. Auf ihrem letzten Album macht sie mit einem Song dann aber doch die viel gerühmte Ausnahme und schrieb zur Abwechslung den ersten und vermutlich auch letzten politischen Song ihrer Karriere, in dem sie die dunkle Seite der Religion beleuchtet und anprangert. Im für die Schweden ungewohnt lauten und ruppigen Godspell kriegen Religionsfanatiker ihr Fett weg: „I’ve heard about a great big swindle / I read about it in a book / The book flew out the window / Was later found by thieves and crooks.“ Es geht um die Macht von religiösen Institutionen und um den Missbrauch ihrer Anhänger, die guten Gewissens im Namen des Glaubens über Leichen gehen „It’s not murder, it’s an act of faith“.
VERGIB UNSEREN KINDERN HOLD ON von Normal Generation
Simon, Steve, Marc und Rebecca sind das Gegenteil der verteufelten „Jugend von heute“. Als Normal Generation und mithilfe der Evangelischen Kirche Deutschlands wollen sie Gott in die Charts hieven. Das funktioniert natürlich nur, wenn man die handelsüblichen Harmonien auf der Akustikklampfe in der geselligen Bibelkreisrunde gegen flotte Dance-Pop-Rhythmen auf der Bühne eintauscht. Das Konzept geht auf. Mit Gelfrisur und frechen Tanzeinlagen wählen die Zuschauer die vier Schwaben 2002 auf den dritten Platz des Grand-Prix-Vorentscheids und den Song Hold On gleich mit in die Charts. Die Band selbst kommentiert ihr Image folgendermaßen: „Wir werfen keine Bibeln ins Publikum. Unser Ziel ist es nicht, Menschen mit unserem Glauben zu erschlagen. Unsere Songs sind wie ein Tagebuch, wir schreiben, was uns bewegt, was wir erleben und was wir glauben“. Und das klingt dann so: „Everybody needs a friend who cares and holds him / everybody needs someone to believe / everybody needs a shoulder to support him (to support him) / everybody needs one to share the dream.” Den Song selbst wollen die vier als Reaktion auf den 11. September verstanden wissen („Steve und Simon haben den Song wegen der Attentate des letzten Jahres geschrieben. Steve sagt immer „Wenn es Menschen gibt, die Flugzeuge in Hochhäuser steuern, ist es genial zu wissen, dass eines immer bleibt und das ist Gottes große Liebe zu uns.“) In diesem Sinne: Hold on!
DENN DEIN IST MANNHEIM DER GEIST IST WILLIG von Xavier Naidoo
Gottes Wege sind unergründlich. Oder warum darf Moraltrompeter Naidoo weiterhin noch seine selbsternannten göttlich inspirierten Parolen mit stetig wachsender Fangemeinde in die Welt hinausposaunen? Der Mannheimer Soulsänger machte zu Beginn seiner Karriere nicht nur durch seine fragwürdige Imagekampagne von sich reden, Mannheim in die Stadt des Herrn zu verwandeln, sondern vor allem durch sein spezielles Gottesverhältnis. Diesem widmet er sich auch in aller Ausführlichkeit auf seinem 2002 erschienenem Doppelalbum Zwischenspiel/Alles für den Herrn, dessen erste Hälfte aus weltlichen und zweite aus christlichen Themen besteht. Auf letztgenannter CD befindet sich auch das hier vorliegende Stück, in dem Saviour inbrünstig seine bedingungslose Hingabe an den Heiland besingt: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach / Ich werde alles tun, damit ich es gefügig mach / Ich halt mich tagelang wach, um in der Bibel zu lesen / Wenn ich mein Heil gefunden hab, dann hab ich Zeit zu genießen“ Das ewige Leben hätte Naidoo auch gerne, natürlich aus altruistischen Gründen: „Verwesen will ich nicht, nicht sterben / Hab Gnade mit mir Gott / Erhalt mich meinen Erben / Denn die Toten können nicht für dich werben.“ Als hätte Gott nicht so schon alle Hände voll zu tun. Fotos: ap, rtr, oh +++
Den Text entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung der aktuellen Ausgabe des Online-Magazins daheim, die sich mit dem Thema "Religion" befasst. "daheim" versteht sich als "unabhängiges Online-Magazin, die Redaktion arbeitet in München. Jede Ausgabe widmet sich einem Thema und beleuchtet dieses aus verschiedenen Perspektiven. Das Magazin möchte Denkanstöße geben und sich dabei die Zeit nehmen, aktuellen Debatten und Fragestellungen auf den Grund zu gehen." Ein Porträt des Daheim-Magazins erschien auf bereits auf jetzt.de.