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Pleiten, Pech und Praktikum

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Du bist irgendwo ganz neu, ziemlich verunsichert, verdienst wenig Geld und bist das letzte Glied in der Nahrungskette. Kurz: Du bist Praktikant. Die kommenden Wochen können ganz fantastisch, aufregend und lehrreich werden, aber leider können auch eine ganze Menge Situationen auftreten, in denen du dich unwohl fühlen wirst. Damit du in diesem Fall angemessen reagieren kannst oder, wenn alles schief läuft, wenigstens einigermaßen heile wieder rauskommst, haben wir für dich sieben kritische Momente des Praktikantendaseins und hilfreiche Reaktionstipps zusammengefasst.  

Dir fällt der Name eines Kollegen nicht mehr ein

Die Situation: Du bist der Neuling und musst natürlich gleich ganz dringend einen Kollegen etwas fragen. Wenn du es nicht tust, machst du deinen Job mit Sicherheit sofort falsch. Dein Ansprechpartner quatscht gerade privat mit einem Kollegen, theoretisch könntest du ihn unterbrechen. Leider fällt dir aber partout nicht mehr sein Name ein. Robert? Simon? Dominik?
So kannst du reagieren: Natürlich musst du mit ihm sprechen! Mach also auf dich aufmerksam. Wie du dich hier verhältst, ist reine Typsache. Die Ruhigen, Schamvollen halten sich in unmittelbarer Umgebung der Gesprächspartner auf und hoffen, mit ihrem perfektionierten Die-Frage-Ist-Wichtig-Aber-Ich-Will-Nicht-Stören-Blick Aufmerksamkeit zu bekommen. Das funktioniert aber nur bei wirklichen Profis. Amateure werden oft nicht wahrgenommen, ignoriert oder als unhöflich empfunden und gelten fortan als eigenartige Daneben-Steher, die Kollegen belauschen. Die Selbstbewussten warten einen Themenwechsel oder eine kurze Pause ab und schalten sich dann ein. Entschuldige dich kurz und erkläre, dass du Probleme mit Namen hast. Man wird dir das nicht übel nehmen, sondern schätzen, dass du Schwächen zugeben kannst. Man stellt sich noch einmal vor, du stellst deine Frage, alles gut. Besonders Gewiefte schauen in ihrem E-Mail-Postfach nach, ob der Kollege schon einmal eine Nachricht geschrieben hat - oder fragen ihn erstmal nach seiner E-Mail-Adresse.
Das solltest du jetzt auf keinen Fall tun: Die Frage einfach übergehen und dich ohne Ahnung an die Arbeit machen. Oder einen Zufallsnamen ausprobieren.
Das solltest du auf jeden Fall tun: So viele Kollegennamen wie möglich notieren und am Abend Fotos googeln.
Notnagel: Der Kollege, der von seinem Wochenende erzählt und dabei von sich selbst in der dritten Person spricht. Jetzt kennst du wenigstens einen Namen!

Alle gehen essen und vergessen, dich mitzunehmen

Die Situation: Erster Praktikumstag, 13 Uhr, dein Magen knurrt. Der Kollege, mit dem du das Zimmer teilst, ist vor einer Viertelstunde verschwunden und seither nicht mehr aufgetaucht – er ist wohl doch nicht kurz aufs Klo gegangen, sondern isst in der Kantine gerade einen Teller Spaghetti Bolognese. Vorsichtig lugst du in die anderen Büros auf dem Flur: alle leer! Tatsache: Die anderen sind essen und haben dich vergessen. Du fühlst dich sehr verlassen und außerdem ganz schwach vor Hunger.
So kannst du reagieren: Du willst weinen und kündigen, aber vor allem willst du eins: essen. Am besten atmest du einmal tief durch und gehst dann einfach in die Kantine. Hier hast du zwei Möglichkeiten. Entweder isst du alleine mit sehr geradem Rücken (oder zumindest was zu Lesen) oder du findest die Kollegen und setzt dich wie selbstverständlich daneben. Sie werden dich dafür bewundern, dass du weder verletzt bist noch dich beklagst oder verkriechst, und das Gefühl haben, du seist schon immer dagewesen. Einziges Problem: Wahrscheinlich werden sie auch in Zukunft nicht extra fragen, ob du mitkommst. Denn das schaffst du ja anscheinend auch alleine. Falls du doch schmollend im Büro bleibst, wird der Kollege aus deinem Büro später das extrem laute Magenknurren nicht überhören können. Mit etwas Glück schlägt er sich dann mit der flachen Hand vor die Stirn, ruft: „Oh nein, wir haben dich ja ganz vergessen!“ und macht es am nächsten Tag besser. Mit etwas Pech ignoriert er es.
Das solltest du jetzt auf keinen Fall tun: Wutschnaubend in die Kantine stampfen und den Kollegen schon von Weitem „Man kann übrigens auch mal fragen!“ zurufen. Oder vor lauter Hunger in allen Schubladen nach Pausenbroten und Schokoladenvorräten wühlen.
Das solltest du auf jeden Fall tun: Am nächsten Tag früh genug fragen, wann alle essen gehen.
Notnagel: Immer ein Snickers in der Tasche haben.   





Du machst einen Witz und keiner lacht

Die Situation: Die Stimmung ist gerade so gut und da willst du nicht außen vor sein. Alle blödeln herum, sogar der Chef macht einen Scherz und dir fällt auch was Witziges zum Thema ein. Okay, eventuell denkst du einen Moment zu lange darüber nach („Soll ich? Soll ich nicht? Ist das jetzt doof oder kann ich einfach?“), aber dann rutscht er dir eben einfach so raus, der Witz. Und alle starren dich an. Zwei lächeln ein bisschen gequält , eine runzelt die Stirn und der Chef sieht ganz und gar verständnislos aus. Sein Mund steht sogar ein bisschen offen.
So kannst du reagieren: Wahrscheinlich erst mal gar nicht, weil die Situationen allen gleich unangenehm ist. Also mach aus der Not eine Tugend, die da lautet: Augen zu und durch. Am besten ist es, zu schlucken und einfach weiterzumachen. Denn eines ist sicher: Selbst wenn du dich noch in zehn Jahren mit rotem Kopf an diesen Moment erinnern wirst – deine Kollegen haben das Ganze spätestens am nächsten Tag wieder vergessen und sicher wird niemand jahrelang „Weißt du noch, als der eine Praktikant damals diesen blöden Witz gemacht hat?“ sagen. Immerhin bist du ja nicht zum Witzemachen hier (außer du machst Praktikum in einer Gagschmiede).
Das solltest du jetzt auf keinen Fall tun: In der entstandenen Stille selbst sehr laut über deinen Witz lachen. Aus Verlegenheit noch drei weitere Witze machen. Ganz schlimm: den Witz erklären.
Das solltest du auf jeden Fall tun: Nicht aufgeben! Witze machen schadet nie. Man muss nur die richtige Dosis finden.
Notnagel: „Ja, okay, der war nicht so gut“ sagen.    


Du musst in der ersten Woche Urlaub nehmen

Die Situation: Omas Geburtstag kommt jedes Jahr so plötzlich und diesmal ausgerechnet in der ersten Woche deines Praktikums (und dann wird sie auf einmal auch noch 80)! Weil du weißt, dass Oma dicke Tränen weint, wenn du nicht kommst, deine Eltern dich für deine Vergesslichkeit rügen werden und deine Geschwister dich anmaulen, dass du sie in der Verwandtenhölle allein lässt, musst du also einen Tag Urlaub nehmen. Du hast natürlich große Sorge, dass sich das negativ auf dein Zeugnis oder ganz generell deinen Ruf und die Arbeitsatmosphäre auswirkt. Klassische Praktikantensorgen eben.
So kannst du reagieren: Falls du einigermaßen organisiert bist und schon vor Antritt deines Praktikums weißt, dass du in der ersten Woche fehlen musst: Auf jeden Fall anrufen und nachfragen. Falls du eher schusselig bist und dir erst montags einfällt, dass du freitags nicht da sein kannst, bedenke kurz deine Situation: Du bist hier, weil du das möchtest, und du hast das Recht auf Urlaub. Grund genug nicht allzu scheu zu sein, sondern sich diplomatisch um einen spontanen Urlaubstag zu bemühen. Also: Zum Chef gehen und fragen anstatt nichts zu tun und zu leiden (und Omas Tränen am Telefon zu ertragen).
Das solltest du jetzt auf keinen Fall tun: Zu forsch sein und direkt einen Urlaubsantrag in der Personalabteilung einreichen.
Das solltest du auf jeden Fall tun: Kommunizieren. Mit den Kollegen, dem Chef, der Personalabteilung. Und mit Oma.
Notnagel: Durchfall vortäuschen.


 

Allein mit deinem Chef im Aufzug

Die Situation: Du steigst in den Aufzug und läufst fast in deinen Chef. Der möchte natürlich in den gleichen Stock. Geredet habt ihr bisher nicht viel, aber vorgestellt hast du dich ihm schon am ersten Tag. Du schwitzt, beginnst wie zu Schulzeiten im Büro des Direktors leicht verschämt auf deine Füße zu starren und willst dabei doch ganz normal aussehen. Du wartest, aber außer euch beiden steigt niemand ein. Du bist ihm schutzlos ausgeliefert! Musst du jetzt mit ihm reden?
So kannst du reagieren: Vertraue auf dein Gehirn, das dir keinerlei Idee liefert, was du sagen könntest. Es hat schon recht damit: Sei einfach still. Sag freundlich Hallo und Tschüß, zupf im Aufzug nicht an deinen Haaren oder deinem Hemd herum, wie du es sonst immer tust, schluck deinen Kaugummi so unauffällig wie möglich runter und versuche so zu wirken, als wäre dir schon immer klar gewesen, dass du irgendwann einmal mit deinem Chef im Fahrstuhl stehen würdest. Ein besonderer Härtefall ist das Zuspätkommen. Hier einfach noch höflicher sein und noch netter lächeln und ein bisschen gehetzt wirken.
Das solltest du jetzt auf keinen Fall tun: Selbst ein Gespräch beginnen! Generell. Und ganz besonders eines über das Privatleben.
Das solltest du auf jeden Fall tun: Entspannen und dich freuen, dass ihr Aufzug fahrt und nicht gemeinsam Treppen steigen müsst.
Notnagel: Daran denken, dass auch dein Chef ab und an mit seinem Chef im Aufzug stehen muss.


Das Telefon klingelt!

Die Situation: Das Telefon an deinem Platz klingelt zum ersten Mal und erschreckt dich fast zu Tode. Bisher hast du es kaum wahrgenommen, aber nun lässt es sich leider nicht mehr ignorieren. Der Ton wird immer schriller und alle Augen sind erwartungsvoll auf dich gerichtet, während dir tausend Gedanken durch den Kopf schwirren: Soll ich rangehen oder wird ein anderer es übernehmen? Wie soll ich mich melden und vor allem: Warum? Wird ja sowieso nicht für mich sein, oder?
So kannst du reagieren: Durchatmen, Gedanken sortieren und dann abheben und vor allem: mit fester Stimme den Anruf entgegennehmen. Falls du den Namen der Firma, bei der du gestern begonnen hast, gerade nicht auf dem Schirm hast, melde dich zumindest mit deinem vollen Namen und höre dir an, was der Anrufer von dir wissen möchte. Sag ihm zur Not einfach, dass du neu angefangen hast und mal eben deinen Kollegen fragen musst. Bitte ihn, zu warten und erkundige dich beim nächsten Kollegen, wie du dem Anrufer weiterhelfen sollst und kannst oder an wen du ihn verbinden kannst. Wichtig dabei: die Sprechmuschel zuhalten.
Das solltest du jetzt auf keinen Fall tun: Ein teilnahmsloses Gesicht machen und das Telefon ignorieren. Oder verzweifelt „Das Telfon klingelt. Was soll ich tun?" in den Raum rufen.
Das solltest du auf jeden Fall tun: Dir ein Kärtchen mit allen wichtigen Informationen schreiben: Name, Anschrift und Mailadresse der Firma, Telefonnummern und Namen deiner Kollegen. Immer griffbereit haben oder direkt ans Telefon kleben. Und dir ein paar Floskeln für alle Fälle zurecht legen (zum Beispiel „Der zuständige Kollege ist gerade nicht am Platz").
Notnagel: Das Telefonkabel in einer unbemerkten Minute abstöpseln.


Du bekommst eine Aufgabe, auf die du überhaupt keine Lust hast

Die Situation: Eine Woche ist bereits vorbei und trotzdem wirst du schon wieder mit einer typischen Praktikantenaufgabe abgespeist, auf die du absolut keine Lust hast. Kaffee kochen und Kopieren wären ja schon lästig genug, aber nun sollst du massensweise alte Akten schreddern. Langsam fragst du dich wirklich, was du hier eigentlich tust, und wünschst dich in den Hörsaal zurück. Am liebsten würdest du die Aktem deinem Chef um die Ohren hauen, aber dann wird das wohl nie was mit dir und den verantwortungsvollen Tätigkeiten, die in der Praktikumsbeschreibung versprochen wurden. Aber was dann?
So kannst du reagieren: Auf jeden Fall solltest du die gestellte Aufgabe erstmal erfüllen und deine Sache so gut wie möglich erledigen. Trotzdem ist es keine Dauerlösung, wenn du dich jeden Tag unterfordert fühlst. Also versuch möglichst bald, mit deinem Betreuer oder einem netten Kollegen über deine Situation zu sprechen. Erkundige dich, welche Aufgaben sonst für dich in Frage kommen oder mache selbst Vorschläge, welche Tätigkeiten du übernehmen und was du beisteuern kannst.
Das solltest du jetzt auf keinen Fall tun: Dem Chef lauthals die Meinung geigen. Den Kopierer oder Kaffeekocher mutwillig zerstören.
Das solltest du auf jeden Fall tun: Versuch, eine Aufgabe zu finden, der du dich gewachsen fühlst und beweise so, was du eigentlich alles drauf hast, außer kopieren und schreddern.
Notnagel: Weiterhin kopieren oder ganz auf Kaffeekochen umsteigen und die eigenen Milchschaumkünste perfektionieren. Dann bist du nach dem Praktikum zumindest fit für den Nebenjob als Barista.

Text: johannes-drosdowski - lisa-freudlsperger und nadja-schlueter; Illustration: Yi Luo

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