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Pleiten, Pech und Pannen: Mit dem Bus durch Polen (4)
Die Vögel zwitschern, die Luft ist lau, die Bäume grün und ich frage mich, was ich denn hier bloß mache. Denn ich stehe vor unserem Bus auf einer Ausfallstraße und warte auf Annas Koffer. Auf uns liegt ein Fluch, denke ich: Wir sollen Lodz nicht verlassen. Vor der Abfahrt hatte ich nicht geschlafen. Zwar war kein Club in Lodz zu finden, aber letztlich haben zwei der Regisseure, Anna, Hannes, Beata und ich bis zum Morgengrauen geschnackt. Und dann hatte es auch keinen Sinn mehr, ins Bett zu gehen. Hannes und Anna haben sich jedoch schnell nochmal hingelegt und dann prompt verschlafen. Hannes reagiert nicht auf mein Klopfen an der Hoteltür und ich muss das Telefon minutenlang klingeln lassen, bevor er merkt, dass er endlich aufwachen sollte.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Wir sind also sowieso schon spät dran, und dann streikt auch noch der Hotel-Drucker. Beim Zahlen an der Rezeption kann keine Rechnung ausgedruckt werden. Zwei Angestellte des Hotels fummeln wie wild am Drucker herum, die eine unterbricht dafür sogar ihren Frisörbesuch und die Alufolien in ihrem Haar wippen hektisch, während sie versucht das Problem zu lösen. Danach kann auch noch das Kreditkartengerät Annas Karte nicht lesen. Inzwischen hat Anna wirklich schlechte Laune. Als einzige Muttersprachlerin erledigt sie alle offiziellen Geschäfte. Das wäre an sich schon anstrengend genug, aber mit zu wenig Schlaf und Kopfschmerzen, einem kaputten Drucker und einem nicht funktionierenden Kartenlesegerät ist das nur sehr schwer zu ertragen. Geplant war die Abfahrt für 10.30 Uhr. Um 12 Uhr ist die Rechnung endlich bezahlt und auch das Taxi ist aufgetaucht, das uns aus Lodz herausführen soll, indem es vor dem Bus herfährt. Der Taxifahrer hat dazu aber keine Lust und erklärt Anna fünfzehn Minuten lang, dass wir den Weg auch alleine finden. Als Anna ihn dann doch überzeugt hat und es endlich losgehen soll, setzt er zurück und rammt dabei einen BMW. Auch dieses Problem lässt sich erst nach einiger Zeit lösen. Mit zwei Stunden Verspätung kommen wir endlich los.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Anna und der Taxifahrer Als wir fast aus Lodz raus gefahren sind, stellt Anna fest, dass ihr Koffer im Hotel geblieben ist. Als der Drucker streikte hat ein hilfreicher Hotelangestellter den Koffer freundlicherweise aus dem Weg geräumt und niemand hatte ihn mehr gesehen, weswegen alle davon ausgingen, dass er schon im Bus sei. Er wird jetzt mit einem weiteren Taxi nachgeliefert. So lange müssen wir warten. Wolfgang zieht Anna auf, dass sie einige Bier ausgeben müsse. Anna ist die Panne sichtlich peinlich. Mit nur drei Stunden Verspätung sind wir dann wirklich unterwegs. Wir fahren weiter in den Osten. Wälder aus Kiefern und Birken prägen die Landschaft, später wird die Umgebung hügeliger. Zwischen den neu gebauten Einfamilienhäusern stehen windschiefe Hexenhäuschen aus Holz, das vor Alter und Dreck schon dunkelgrau ist. Ein riesiger Hahn mit einem auffälligen bunten Schwanz stolziert durch einen Garten. In einem Dorf findet ein Volksfest statt, Familien stehen neben der Hüpfburg, warten an einem Imbissstand. Wir nehmen zwei Anhalter mit, die aber nur zwei Kilometer bei uns bleiben – zu wenig Zeit, um sie kennenzulernen. Die Kruzifixe am Straßenrand sind nicht nur mit Blumen sondern zusätzlich mit bunten Bändern geschmückt, die in der Sonne leuchten. Nacheinander schlafen Hannes, Anna und ich im Bus ein. Wolfgang weckt uns, als er zum Essen anhält. Der Eingang der Raststätte ist mit rotem Samt geschmückt, Hannes erinnert dies an einen Puff. Essen kann man aber hervorragend. Hannes lernt auch, was türkischer Kaffee ist. Er hat noch nie gesehen, dass man einfach Kaffeepulver mit heißem Wasser in einer Tasse aufbrüht. Die Häuser in der Gegend sind mit polnischen Fahnen geschmückt. Außerdem hängen noch Flaggen in weiß und hellblau. Die Häuser erinnern an Italien. Nach einigem Nachdenken komme ich darauf, dass es an der Form der Dächer liegt. Sie haben einen sehr flachen Winkel und vier Seiten, statt wie üblicherweise in Deutschland zwei. Die neueren Häuser sehen jedoch genauso aus wie in Deutschland. Als wir endlich in Lublin ankommen, packen wir nur noch unseren Kram aus. Morgen müssen wir um acht an einer Schule sein. Wolfgang und Anna gehen sofort schlafen, Hannes und ich trinken noch einen Tee. Zum ersten Mal haben wir keine Künstler oder Kuratoren oder sonstige Kulturschffenden dabei. Nach den vielen Veranstaltungen und Treffen fühlt es sich merkwürdig an, ist aber auch dringend nötig. Lublin werde ich morgen erkunden, wenn ich genug Energie habe, um mich auf die Stadt einlassen zu können. Lublin habe ich als sehr angenehm in Erinnerung, ich freue mich schon.