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Pille Palle, alle pralle
Es gibt viele Gerüchte zu Drogen. Katzen-Urin schnüffeln soll angeblich total reinhauen - sagen zumindest Leute, die einen kennen, der einen kennt. Bananenschalen erst. Und Weihrauch! jetzt.de wollte wissen, welche Drogenmythen für immer Legenden bleiben werden und an welchen wirklich was dran ist. Geholfen hat uns der Pharmazeut und Drogenexperte Tibor Harrach. Er arbeitet als Lehrbeauftragter für pharmazeutische Chemie an der FU Berlin und hat die Berliner Initiative Drug-Checking Berlin-Brandenburg mitgegründet, die Mitte 2008 aus einer Arbeitsgruppe von Vertretern der Drogenarbeit hervorging. Die Initiative analysiert psychoaktive Substanzen auf ihre Zusammensetzung und Wirkstoffe, um potentielle Konsumenten vor gesundheitsschädlichen Präparaten warnen zu können. Ziel ist es, die Drogenaufklärung vor allem unter Jugendlichen zu verbessern und damit mögliche Gesundheitsschäden, Überdosierungen und Vergiftungen zu vermeiden. Auf den folgenden Seiten zitieren wir, soweit vorhanden, zu jeder vermeintlichen Droge Erfahrungsberichte aus einschlägigen Internet-Foren. Tibor Harrach ordnet anschließend die Wirkung des mythisierten Stoffes ein. jetzt.de rät dringend davon ab, die vorgestellten oder auch andere Stoffe im Selbstversuch zu testen! Tibor Harrach bringt schließlich deshalb Licht ins Dunkel, damit sich kein jetzt.de-Leser die Gesundheit verdirbt. *** Die mythisierte Droge: Muskatnuss
Die Erfahrungsberichte: Unbekannt, 18, Nordrhein-Westfalen: 15.30 Uhr: Ab zum Supermarkt und fünf Nüsse geholt. 15.40 Uhr: Drei davon zerhackt und durch die Kaffeemühle geschossen. 16.00 Uhr: Die gemahlenen Nüsse in ein Glas rein, ein bisschen Wasser drüber und getrunken. 16.30 Uhr: Mein Magen wird langsam immer wärmer...kann aber auch nur ein Placebo-Effekt sein. Lenk mich jetzt ein bisschen ab. Ich lese ein paar andere Erfahrungsberichte und chatte. 17.10 Uhr: Ich gehe zu meinem Kollegen, langsam fühle ich mich, als hätte ich mir einen geraucht. 17.30 Uhr: Stehe an der Haltestelle, das Dichtsein-Gefühl ist weg. Danach kam auch nichts mehr...schade. Das nächste Mal werde ich Salvia Divinorum (Aztekensalbei) ausprobieren. Rene, 22: Im Gewürzschrank fand ich eine 35-Gramm-Dose gemahlene Muskatnuss. Davon hab ich 1/3 mit Wasser runtergeschluckt (ca 12gramm). Den ganzen Abend lang merkte ich nichts, nur kurz bevor ich ins Bett ging wurde mir etwas schlecht. Um zwei Uhr nachts bin ich aufgewacht mit einem wahnsinnstrockenen Hals. In der Küche holte ich mir ein Glas Wasser, ich fühlte mich total benebelt und sah seltsame Ringe vor den Augen. Am nächsten Morgen immer noch. Es war ein Rausch ähnlich dem von Alkohol, nur ohne die Euphorie, ich bekam kaum was mit. Als ich aufstehen wollte, zitterten meine Beine heftig, mir wurde schwarz vor Augen, also zurück ins Bett, aber es wurde immer stärker. Mittags merkte ich auf einmal, wie man Gesicht ganz taub wurde. Der benebelte Zustand dauerte noch bis zum nächsten Tag, das Taubheitsgefühl ging erst nach fünf Tagen weg. Fazit: Ich esse nie wieder Muskatnuss. Unbekannt, 20: Ich habe bisher dreimal Muskatnuss ausprobiert. Die ersten zwei Male war es handelsübliches Muskatpulver, die Wirkung wahr eher schwach und kaum wahrnehmbar. Gestern habe ich dann bei uns daheim echtes, aber relativ altes Muskatnusspulver gefunden. Davon habe ich mir erstmal neun Gramm gegönnt. Nach etwa einer Stunde hatte ich leichte Probleme beim Sprechen, fühlte mich schwer, faul und gleichgültig, war aber ganz gut drauf und fand jegliche Musik auf meinem PC extrem geil. Nebenwirkungen gab es keine, nur ein schwaches Katergefühl. Das sagt der Experte: Muskatnuss kann bei einer Menge zwischen fünf und 30 Gramm eine halluzinogene Wirkung hervorrufen. Der Grund dafür sind Abkömmlinge der Myristinsäure, die in der Nuss enthalten sind und einem Inhaltsstoff von LSD ähneln. Abgesehen davon führt der Verzehr von Muskatnüssen oft zu Übelkeit, Schwindel und Erbrechen.
Die mythisierte Droge: Gegrillte Bananenschalen
Die Erfahrungsberichte: Keine zu finden Das sagt der Experte: In den 1960er Jahren kam das Gerücht auf, dass durch das Rauchen von Bananenschalen eine dem Cannabis ähnliche Wirkung erzielt werden könne. Die Annahme verbreitet hat der Folkrock-Sänger Donovan in seinem Lied „Mellow Yellow“. Sogar das „Time Magazine“ veröffentlichte 1967 einen Artikel mit dem Titel „Tripping on banana peels“. Das Gerücht ist wissenschaftlich jedoch nicht haltbar, da Bananenschalen keine psychoaktiven Substanzen enthalten.
Die mythisierte Droge: Peyote-Kaktus
Die Erfahrungsberichte: Unbekannt: Im Netz habe ich mir einen Kaktus geholt. Das gute Stück stand etwa einen Monat bei mir rum, bis ich mich letztendlich zum Konsum überredete. Ein gutes Pfund vom schleimigen, bitteren Kaktus würgte ich herunter. Dann geschah erstmal eineinhalb Stunden gar nichts. Um mich abzulenken, spielte ich ein wenig mit dem Laptop herum. Und dann: kleine Blasen und Verwirbelungen auf dem Monitor, der ganze Film dauerte etwa fünf Stunden. Leider hatte ich keine Idealbedingungen, ich war allein und auch die Wirkstoffmenge hätte größer sein können, obwohl ich keinen Bissen mehr runter bekommen hätte. Am nächsten Tag fühlte ich mich angenehm erholt und ausgeglichen. Unbekannt, 22: Vor etwa einem Jahr haben mein Freund und ich einen Kaktus auf einem Festival geklaut. Niemand von uns wusste, wie man das dosieren sollte, also entschieden wir, uns das Zeug nach und nach, in kleinen Schritten reinzuziehen. Es schmeckte erstmal ultra widerlich, klebrig und bitter. Nach gut einer Stunde fing das Ding dann an sich voll zu entfalten. Ich war in einem großen Zelt und dachte ich wäre am tanzen, doch als ich die Augen aufmachte, stellte ich fest, dass ich noch saß. Da habe ich mich ganz schön erschrocken. Unbekannt, 19, Nordrhein-Westfalen: Gestern habe ich mit einem Freund 25 Gramm getrockneten Kaktus gegessen. Jeder hat zuerst ein Viertel gegessen und aus dem Rest haben wir Tee gekocht. Die Dosis war relativ niedrig, hat aber trotzdem irre viel Spaß gemacht. Neben traumähnlichen Reisen und typischen Meskalineffekten wie das vermehrte Interesse an Gegenständen und ein intensiveres Musikerlebnis, hatten wir auch dauernd Lachflashs. Wir waren über acht Stunden total gechillt und irre gut drauf. Das sagt der Experte: Der Peyote-Kaktus (Lophorora williamsii) ist eine der besterforschten psychoaktiven Pflanzen überhaupt. Der psychoaktive Hauptinhaltsstoff ist das Meskalin. Er verursacht eine psychedelisch-visionäre Wirkung, die meist nach 45 bis 120 Minuten einsetzt. Davor kommt es oft zu Übelkeit und Erbrechen, der „Kater“ tritt also vor der Wirkung ein.
Die mythisierte Droge: Krötensekret
Die Erfahrungsberichte: Keine vorhanden Das sagt der Experte: Verbreitet hat sich die Theorie durch eine Folge der Simpsons, in der Homer auf einer einsamen Insel ist und high davon wird, dass er an Fröschen leckt. Krötensekret wird seit der Antike als Liebesmittel verwendet und war früher Bestandteil von Hexensalben bzw. Hexengebräuen. Chinesische Krötensekrete enthalten das halluzinogene Bufotenin. In Australien verwendet man angeblich die aus Amerika stammende Meereskröte (Bufo marinus) als psychoaktive Droge (toad licking), die aber kaum Bufotenin enthält. Dort nimmt man auch den eingedickten Saft ausgekochter Tiere als Halluzinogen und Aphrodisiakum ein. Folgende Krötenarten enthalten Bufotenin in wirksamen Dosen: Bufo alvarius, Bufo americanus, Bufo arenarum, Bufo calamita, Bufo chilensis, Bufo crucifer, Bufo formosus, Bufo fowleri, Bufo paracnemis, Bufo viridis.
Die mythisierte Droge: Weihrauch
Die Erfahrungsberichte: Keine vorhanden Das sagt der Experte: Der echte Weihrauch (Olibanum) ist das goldgelbe, wohlriechende Harz des strauchartigen Weihrauchbaums (Boswellia). Aus Olibanumharzen stellte man seit der Antike Räucherwerk, Kosmetika und Parfüm her. Seit der frühen Neuzeit werden dem Olibanum psychoaktive Wirkungen zugeschrieben und behauptet, dass beim Räuchern von Weihrauch der Hauptinhaltsstoff von Hanf entstehe. „High durch Weihrauch“ titelte auch die Süddeutsche Zeitung im Oktober 1993. Auslöser war eine Studie des Linzer Chemikers Georg E. Friedrich, in der er behauptete, beim Verbrennen des Räucherstoffes entstehe Tetrahydrocannabinol (THC), ein Inhaltsstoff von Haschisch. Die FPÖ schlug daraufhin Alarm, weil die Droge in Österreich verboten ist. Die Behauptung hielt einer wissenschaftlichen Untersuchung allerdings nicht stand.
Die mythisierte Droge: Tollkirschen
Die Erfahrungsberichte: Rene, 22: Beim Spazierengehen im Wald habe ich eine Lichtung gefunden, auf der es nur so gewimmelt hat von Tollkirschen. Leider waren die Beeren noch nicht annähernd reif, also entschied ich mich, stattdessen ein Blatt zu verwenden. Das habe ich, wieder zuhause, eine ganze Weile gekaut und dann runtergeschluckt. Nach einer Weile kam es mir so vor, als wären die Farben in der Umgebung intensiver, irgendwie leuchtender und zugleich düster – so, als würde sich ein Schatten über die Umgebung legen und gleichzeitig alles von innen her zum Leuchten bringen, schwer zu erklären. Obwohl das Düstere in der Wahrnehmung etwas überwogen hat, fühlte sich das Ganze nicht bedrohlich an, sondern sogar sehr angenehm, ich kann diese Wahrnehmung eigentlich nur als wunderschön beschreiben. Den ganzen nächsten Tag hatte ich einen extrem trockenen Mund und habe bestimmt fünf Liter Wasser getrunken. Unbekannt, 23: Neulich habe ich mit einem Freund Tollkirschen gegessen. Die Hauptwirkung waren Sehstörungen, einmal haben sich auch Sachen bewegt. Danach war ich mehrere Tage lang extrem erschöpft, hatte irgendwie ein verändertes Zeitempfinden und extrem erweiterte Pupillen, außerdem komische Träume und Visionen. Unbekannt, 21, Saarland: Ich habe nur einmal Tollkirschen gegessen, zwei Stück. Kann’s aber nicht empfehlen, davon wird man zum Tier, total aggressiv! Und hinterher weiß man nichts mehr davon. Geil war, dass ich einen Tag lang, glaube ich zumindest, im Bett lag und das Gefühl hatte, über meinem Körper zu schweben und mir beim drauf sein zuzuschauen. Das sagt der Experte: Die Tollkirsche (Atropa belladona) wird vermutlich seit dem Altertum zu rituellen Zwecken verwendet, sie gilt als eine der klassischen Hexendrogen. So soll sie Bestandteil der Hexensalbe gewesen sein und als Räucherstoff Verwendung gefunden haben. Die Pflanze enthält Atropin, das einen drei- bis vierstündigen Rausch auslöst. Dieser ist gekennzeichnet durch starke Erregung, innere Unruhe, Rede- und Bewegungsdrang, Euphorie und Halluzinationen. Wichtig: Die Tollkirsche kann bei übermäßigem Genuss tödlich wirken.
Die mythisierte Droge: Mohnkuchen
Der Erfahrungsbericht: Keiner vorhanden Das sagt der Experte: Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnte im April 2005 vor gesundheitlichen Schäden durch Backmohn. Durch neue Erntemethoden können Mohnprodukte höhere Mengen der psychoaktiven Opiumalkaloide, insbesondere Morphin und Codein, enthalten. Dadurch lassen sie sich zur Drogenherstellung verwenden. Wie hoch jedoch der Morphingehalt ist, hängt von Anbaugebiet, Erntetechnik und Backverfahren ab, relativiert die Zeitschrift "Neon" in einem Artikel. *** Die mythisierte Droge: Katzen-Urin
Der Erfahrungsbericht:
Keiner vorhanden
Das sagt der Experte: Auch das Gerücht, Katzen-Urin zu schnüffeln würde total prellen, basiert auf einer Zeichentrickserie. In einer Folge von „South Park“ nämlich werden Kenny und Co. von der Duftmarke des Urins high. Die Wahrheit sieht aber – zum Glück – anders aus: Katzen-Urin ist per se nicht psychoaktiv. Sollte der Katze jedoch eine psychoaktive Substanz verabreicht worden sein, die noch aktiv über die Niere in den Urin ausgeschieden wird, kann auch Katzen-Urin high machen.
Text: petra-ebenschwanger - Illustrationen: Katharina Bitzl