- • Startseite
- • Redaktionsblog
-
•
Olympiasiegerbesieger
daniel-erk Der 18. Mai 1991 war ein schöner, sonniger Frühsommertag. Ich erinnere mich sehr genau. Es war der Tag, an dem ich Geschichte schreiben sollte, aber das wusste ich natürlich nicht, schliesslich war ich damals zarte zehn Jahre alt - und Leichtathlet. An zwei Tagen der Woche ging ich zum Leichtathletiktraining, das wir einfach nur "Leichti" nannten und die Wochenenden verbrachte ich im Dress des TSV Wendlingen auf den Tartanbahnen der umliegenden Dörfer und Gemeinden rund um Stuttgart. Für diesen Freitagabend war ein Wettkampf im benachbarten Nürtingen angekündigt. Im Wörth-Stadion sollten "dr Elsässer", "dr Wieser", Denis, "dr Unger" und ich unseren ersten Wettkampf über 60 Meter Hürden laufen. Wir hatten wochenlang trainiert: Schritt, Schritt, Sprung, Bein strecken, das andere anwinkeln, Schritt, Schritt, weiter. Unser Trainer Wolfgang wartete bereits mit seinem alten Benz vor der Lauterturnhalle. "Dr Unger" und sein Vater, der Sportlehrer der örtlichen Realschule und besonders stolz auf die guten Leistungen seines Sohnes, waren auch schon startbereit. Hürdenlauf fiel mir, da ich für mein Alter recht groß gewachsen war, relativ leicht. Ich war sonst nie besonders als Sporttalent aufgefallen, und ich witterte meine Chance. Und sie kam. Im Endlauf lief einfach alles wie so trainiert: Meine Schritte passten perfekt zwischen die Hürden, ich streckte mein Bein und das andere folgte ganz automatisch. Und am Ende war ich Erster geworden, vor all den anderen Jungs und vor allem vor "dm Unger", dessen Vater mit hochrotem Kopf über die Tartanbahn tobte, die Schiedsrichter das Eine ums Andere mal fragte und doch seine Sohn deklassiert sah. Von mir. Es sollte der einzige Sieg, die einzige Goldmedallie meiner Karriere als Leichtathlethik-Ass bleiben. Aber gestern Abend, als Tobias Unger als bester Deutscher seit 1984 im Finale über 200 Meter Männer stand, da fühlte ich mich gut, so als - nun ja, fast: Olympiasiegerbesieger.