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"Oh-ho-hooo – ARSCHLOCH!"

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 Eigentlich war der Song ja nie so richtig weg. Er lief immer wieder auf Klassenpartys in der Grillhütte zu später Stunde, alle sprangen dazu herum, blieben auf einmal stocksteif stehen, erhoben die Bierflaschen und grölten gemeinsam: "Oh-ho-hooo – ARSCHLOCH!" In der Grillhütte war "Schrei nach Liebe" von Die Ärzte also all die Jahre präsent, in den Charts allerdings seit dem Erscheinungsjahr 1993 nicht mehr.

Das will Gerhard Torges ändern. Der Musiklehrer aus Niedersachsen hat vergangenen Sonntag die "Aktion Arschloch!" gegründet. Mission Statement: "Die Aktion Arschloch! will auf einfache Weise dazu beitragen, ein Zeichen gegen die in Deutschland grassierende Fremdenfeindlichkeit zu setzen. Dazu haben wir uns vorgenommen, das Lied ‚Schrei nach Liebe’ von Die Ärzte wieder in die Charts und ins Radio zu bringen."

Der Zusammenhang ist klar. Hoyerswerda, Rostock-LichtenhagenMöllnund Solingen. Es war auch das erste Lied, mit dem die Band, die eigentlich immer auf Spaßmusik gesetzt hatten, eine klare politische Aussage traf. "Schrei nach Liebe" erreichte damals die Menschen und immerhin Platz 9 der deutschen Charts. 2015, mitten in der Flüchtlingskrise, fühlen sich viele an 1993 erinnert, wieder gibt es rassistisch motivierte Ausschreitungen, wieder brennen Asylbewerberheime, die Orte heißen diesmal zum Beispiel Freital und Heidenau.Und darum will Gerhard Torges diesen Song wieder in den Charts sehen.

"Ich will Aufmerksamkeit erzeugen", sagt Torges. "Es gibt gerade viele Menschen, die ‚Das wird man ja wohl noch sagen dürfen’ rufen und klar, wir haben hier Meinungsfreiheit und jeder darf sagen, was er will – aber die Meinungsfreiheit hat Grenzen, wenn jemand dadurch bedroht und verletzt wird."

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
Am Sonntag hatte ein Bekannter von ihm die Idee zur "Aktion Arschloch", Torges setzte sie sofort um, mit Seiten bei Google + und Facebook und einer Homepage(als Hintergrundbild sieht man dort eines der ausgebrannten Häuser in Mölln). Er erstellte eine Liste, wie man den Song pushen kann. Zum einen natürlich, indem man ihn kauft und danach positiv bewertet, aber auch durch Klicks auf Youtube oder, indem man ihn sich bei Radiosendern wünscht (den Tipp, das Lied bei Streaming-Diensten anzuklicken, musste Torges zurückziehen – die Ärzte sind dort nämlich nicht vertreten).

Kritiker sagen, mit der "Aktion Arschloch!" mache man höchstens Die Ärzte reicher

Auf der Homepage gibt es laufend kurze Updates, zum Beispiel, dass "Schrei nach Liebe" gestern bei Google Play Platz 1 erreichte und Platz 12 im "Aufsteiger des Tages"-Ranking bei Amazon. Die Facebook-Seite zur Aktion wurde bisher etwa 7.700 Mal geliket, es gibt viele positive Reaktionen und Kommentare. Ob ein Einstieg in die Charts wirklich gelingt, ist schwer einzuschätzen, weil sich die Verkaufszahlen nicht genau nachvollziehen lassen und weil weder die GfK noch Labels Angaben dazu machen, wie hoch diese überhaupt sein müssen, damit ein Song weit vorne platziert wird. Aber möglich ist es schon. Das beweist eine Geschichte aus dem Jahr 2009, als eine Facebook-Gruppe es schaffte, den Song "Killing in the Name of" von "Rage Against the Machine" zu Weihnachten auf Platz 1 der britischen Charts zu bringen – aus Protest gegen die Casting-Show-Sternchen, die dort seit Jahren zu finden waren.

Kritiker sagen, mit der "Aktion Arschloch!" mache man höchstens Die Ärzte reicher. "Klar, das ist ein Nebeneffekt", sagt Torges, "aber wenn man zu einer Demo fährt, muss man sich auch ein Zugticket kaufen und unterstützt die Deutsche Bahn." Auf der Homepage betont er, die Aktion sei keine Werbeveranstaltung für die Band. Er hat Die Ärzte allerdings um ein Statement gebeten, bisher ohne Rückmeldung. Auch auf unsere Anfrage, wie die Band zu der Aktion steht, hat das Label bisher nicht reagiert.

Auch wenn "Schrei nach Liebe" heute wieder aktuell ist, eins zu eins in die Gegenwart übertragen lässt sich der Song natürlich nicht. Wenn man das Musikvideo anschaut, muss man über die Neunziger-Jahre-Ästhetik schmunzeln und auch dem Text merkt man ab und zu an, dass er aus einer anderen Zeit kommt: Der Song-Neonazi ist ein Neunziger-Skinhead mit Springerstiefeln, heute erkennt man Neonazis und Rechtsextreme nicht mehr ganz so eindeutig an solchen modischen Merkmalen – und die "besorgten Bürger", die vor Asylbewerberheimen Parolen rufen und Schilder hochhalten schon gar nicht. Aber die Gesinnung, die ist leider nicht aus der Mode gekommen. Und die wird man auch nicht mit einem gemeinschaftlichen "Oh-ho-hooo – ARSCHLOCH!" weggrölen können. Aber besser als schweigen ist das allemal.

Update 3.9., 20:08 Uhr:  Mittlerweile wurde ein offizielles Statement der Band veröffentlicht:  "Die Ärzte finden es gut und wichtig, dass im Radio Stellung bezogen wird. Die Aktion wäre auch mit jedem anderen Anti-Nazi-Song cool. Wenn es unser Lied sein soll, unterstützen wir das aber natürlich gern. Wir wollen an dieser Sache definitiv nichts verdienen und werden alle Einnahmen von 'Schrei nach Liebe' (auch aus der GEMA) an Pro Asyl spenden. Wir wünschen allen Nazis und ihren Sympathisanten schlechte Unterhaltung. Bela, Farin, Rod."

Update Nummer 2, 4.9. 9:04 Uhr: Der Schrei nach Liebe wird heute in den Download-Charts auf Platz 1 gelistet. 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Text: nadja-schlueter - Foto: Screenshot

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