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Offensive gegen Jugendarbeitslosigkeit

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Die Situation
Im Internet macht gerade ein Meme die Runde, es nennt sich Old Economy Steve. Darauf ist ein Mitglied unserer Elterngeneration zu sehen, als es noch jung war; das Foto sieht aus wie aus einem Uni-Jahresbericht. Die Sprüche auf den Fotos („Graduates from College – gets Hired“, „Bought a house in his 20s with a 9-to-5 job that didn’t require a Bachelor’s degree – says: 'Kid’s these days have it easy'") drücken in immer neuen Varianten ein und dasselbe Gefühl aus: Die Generation unserer Eltern hatte es noch gut. Zukunftsangst, Krise, Massenarbeitslosigkeit – all das brauchte sie nicht zu kümmern und sie verstehen nicht, dass Studenten sich heute sorgen, wie sie je einen lukrativen Job finden sollen.  

Auch wenn das Meme vor allem Anspielungen aus dem amerikanischen Kulturkreis nutzt – es passt sehr gut zur aktuellen Situation in Europa. Die Jugendarbeitslosigkeit ist enorm: Im EU-Durchschnitt sind – nach den jüngsten Zahlen aus dem März – aktuell 23,5 aller Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 25 arbeitslos. In den Krisenländern Griechenland, Spanien und Portugal sieht es besonders düster aus. Hier liegen die Jugendarbeitslosigkeitsquoten weit über dem Durchschnitt: in Griechenland suchen 59 Prozent Arbeit, in Spanien 56 Prozent, in Italien und Portugal je 38 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland und Österreich, den Spitzenreitern am anderen Ende der Statistik, sind es 7,6 Prozent.    

Zum Rumsitzen verdammt - 23 Prozent aller Jugendlichen in Europa haben derzeit keine Arbeit.

Die Folgen
Die Unzufriedenheit in den Krisenländern macht sich schon seit Langem bemerkbar. Vor allem in Spanien gehen die Jugendlichen immer wieder auf die Straße und wenn es so weiter geht, ist zu befürchten, dass eine ganze Generation das Vertrauen in die EU, ihre Institutionen und vielleicht sogar in die Demokratie an sich verliert. Das zumindest sind die Ängste der Arbeits- und Finanzminister Deutschland und Frankreichs. In einem Gastbeitrag für die SZ schreiben Ursula von der Leyen, Wolfgang Schäuble und ihre französischen Amtskollegen: „Die hohe Jugendarbeitslosigkeit ist eine Bedrohung für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Sie unterminiert die Werte der Solidarität, die die Stärke Europas ausmachen. Sie belastet die öffentlichen Haushalte und untergräbt unsere Wirtschaftsstruktur und unser Potenzial an Arbeitskräften. Das damit einhergehende politische Risiko ist nicht weniger beunruhigend. Es besteht die Gefahr, dass eine ganze Generation, die sich im Stich gelassen fühlt, Europa den Rücken kehrt und den Sirenenklängen der Populisten und Extremisten erliegt. Die wirtschaftliche Ausgrenzung ganzer Teile unserer Gesellschaften könnte unsere Demokratien in ihren Grundfesten erschüttern.“    

Der New Deal
Schäuble, von der Leyen und ihre Kollegen äußerten sich nicht nur in der SZ, sie trafen sich am Dienstag auch zu einem Gipfel in Paris, um eine Gegeninitiative zur Jugendarbeitslosigkeit vorzustellen. Der französische Staatschef Hollande mahnte zur Eile, man müsse „noch in diesem Jahr einen echten Plan für Jugendarbeit auf die Beine stellen“. Im Vorfeld war bereits von einem "New Deal" die Rede gewesen, in Anlehnung an eine Serie von Reformen, die US-Präsident Franklin D. Roosevelt nach der großen Depression in den Dreißigerjahren umsetzte. Der Entwurf, so schreiben die Minister in ihrem SZ-Gastbeitrag, fuße auf vier Säulen: „Finanzierung, Ausbildung, Eingliederung der Jugend in das Erwerbsleben und Mobilität“. Klingt leider noch nicht so richtig konkret. Und tatsächlich kam bei der deutsch-französischen Präsentation am Dienstag auch nicht allzu viel Neues zum Vorschein. Es war eher eine Zusammenfassung all der Maßnahmen, die in den vergangenen Tagen schon bei verschiedenen Gelegenheiten vorgestellt wurden:  

Die Kredit-Offensive
Unternehmen brauchen einen Anreiz, damit sie Ausbildungsplätze für Jugendliche schaffen. Und was könnte ein besserer Anreiz sein als Geld? So dachte man und plant deshalb ein Milliarden-Kredit-Programm. Die Europäische Investitionsbank (EIB) wird 60 Milliarden Euro für günstigere Kredite für kleine und mittlere Unternehmen zur Verfügung stellen. Die Logik dahinter erklärte von der Leyen damit, dass der Mittelstand das „Rückgrat der Wirtschaft in Europa“ sei. Wenn es diesem Wirtschaftssektor gut gehe, so die Schlussfolgerung, würden dort die Ausbildungsplätze sprießen.  

Die duale Ausbildung
In Deutschland ist es längst Gang und Gäbe: ein Ausbildungssystem, das praktische Arbeit und Theorieunterricht im Klassenzimmer vereint. Jetzt soll es in ganz Europa als Vorbild dienen.  

Die Mobilität
In Spanien herrscht Massenarbeitslosigkeit, in Deutschland sind mehr als 30.000 Ausbildungsplätze nicht besetzt. Zwei Probleme, die wie ein Deckel und ein Topf zusammenpassen. Aber nicht jeder Spanier findet sich auf Anhieb in Ingolstadt oder Jena zurecht. Dort soll die Initiative ansetzen. Von der Leyen sprach davon, Reisekosten zu erstatten und Sprachkurse zu finanzieren.

Der deutsch-spanische Ausbildungspakt
Junge Spanier nach Deutschland zu locken – dieser Plan steht nicht erst seit der Vorstellung der Initiative in Paris auf der Agenda: Ursula von der Leyen unterzeichnete in Madrid mit ihrer spanischen Amtskollegin bereits vor einer Woche ein Ausbildungsabkommen. In den kommenden vier Jahren sollen 5000 Spanier einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildungsstelle in Deutschland bekommen. Die Bundesregierung und die Bundesagentur für Arbeit, die das Programm auf deutscher Seite tragen, haben dafür bis 2016 etwa 140 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.  

Der Job Gipfel
Kurz nach von der Leyens Offensive folgten Kanzlerin Merkel und der französische Regierungschef Hollande und machten das Thema Jugendarbeitslosigkeit zur Europäischen Chefsache: Am Donnerstag wollen die beiden sich bei einem Treffen über die Initiative unterhalten. Und für den 3. Juli kündigte Merkel einen Job-Gipfel an: Die EU-Arbeitsminister, Merkel und Hollande werden sich dann mit Experten zusammensetzen, um weiter über die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu beraten. Das härt sich zunächst mal nicht falsch an. Oppositionspolitiker befürchten allerdings, dass solche Gipfel vor allem viel Gerede und Papier produzieren, die Situation aber nicht wirklich verbessern.    

Die Jobgarantie
Schon vergangenen Dezember wurde bekannt, dass die EU eine Jobgarantie für Unter-25-Jährige plant. Spätestens vier Monate nach dem Ende ihrer Ausbildung oder dem Beginn einer Arbeitslosigkeit sollen sie wieder eine Stelle haben. Im Februar stimmten die EU-Arbeitsminister dem Vorschlag zu. Arbeitsmarkt-Ökonom Holger Schäfer vom Institut für Wirtschaft in Köln hält nicht viel von dieser Idee, in einem Interview mit jetzt.de erläuterte er seine Zweifel. Zu befürchten ist, dass diese Garantie vor allem die Zahlen schönt: Denn auch, wer ein schlecht bezahltes Praktikum macht, taucht nicht in der Arbeitslosenquote auf.  

Das Geld
„Das Geld ist da“, sagte Ursula von der Leyen in Paris. Damit meint sie die sechs Milliarden Euro, die im EU-Budget von 2014 bis 2020 bereits für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eingerechnet sind. Außerdem kann eventuell weiteres Geld abgezwackt werden: von der Leyen stellte in Aussicht, 16 Milliarden Euro aus europäischen Strukturfonds zu verwenden.

Text: christian-helten - mit Material von afp und dpa; Foto: zululord / photocase.com

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