- • Startseite
- • Redaktionsblog
-
•
Nicht mehr crazy: Unterwegs mit Robert Stadlober
Keiner zückt sein Handy, niemand will ein Autogramm. Keiner nimmt Notiz davon, dass er es ist, der gerade die Bühne betreten hat und sich die akustische Gitarre umbindet. Ein paar Jungs trinken aus Bierflaschen, einige Mädchen nippen an Weingläsern. Sie liegen in Sofas vor der Bühne in der Ulmer Studentenkneipe CAT, in einem mittelalterlichen Turm der Stadtmauer. Niemand hier scheint zu wissen, wer Robert Stadlober eigentlich ist. Oder es interessiert an diesem Abend einfach keinen.
Robert Stadlober, heute 28 (und auf dem Foto in der Mitte), das war vor etwa zehn Jahren noch ein Gesicht aus der Bravo und der Bunten. Nach dem Teenie-Blockbuster Crazy war er für die Rolle abonniert, die heute Daniel Brühl oder Matthias Schweighöfer spielen, die eines Superstars und Mädchenschwarms. Aber heute macht er lieber Musik in Gewölbekellern oder gibt Lesungen in autonomen Jugendzentren. Robert sitzt auf einem dunkelblauen Sofa, vor ihm Zigaretten in einer roten Schachtel und eine Flasche Helles. Geboren ist er in der Steiermark, als Sohn eines Elektrikers und einer Buchhalterin. Als er acht Jahre alt ist, lassen sich die Eltern scheiden, die Mutter geht mit ihm und seiner zwei Jahre jüngeren Schwester Anja nach Berlin. Das Geld ist knapp. Robert sucht mit zwölf Jahren also einen Job, der genug Geld einbringt, um eine Gitarre und Platten zu kaufen. Er hätte auch Zeitungen ausgetragen. Doch es kommt anders. Eine Cousine nimmt in mit in ein Synchronstudio. Schnell kriegt er Rollen wie die des Bamm-Bamm Geröllheimer in Flintstones Die Familie Feuerstein. "Es ging ihm darum, Geld zu verdienen. Die Liebe zur Schauspielerei habe ich erst beim Beruf entdeckt." Mit 13 spielt er Nebenrollen auch vor der Kamera, beispielsweise im Tatort. Mit 15 verdient er bereits genug, um eine WG in Kreuzberg mit einem Kumpel zu beziehen. Mit 17 feiert er seine größten Erfolge im Kino. Sonnenallee und Crazy sehen Millionen. Alles sieht nach einer Superstarkarriere aus, mit viel Geld und einer Villa in Grunewald. Dass er heute immer noch in einer WG in Berlin wohnt, liegt daran, dass er von Blockbuster-Filmen und dem Starrummel schnell genug hatte. Schon zur Zeit seiner größten Erfolge interessiert er sich eigentlich mehr für alternatives Kino. Er spielt Klaus Kinski in einer Kurzfilm-Biographie. Mit Schlingensief arbeitet er an der Video-Installation The African Twin Towers. Er gründet das Label Siluh Records, das Indie- und Punk-Bands betreut. Mit Gary tritt er bei Open-Air Festivals, aber auch in Jugendzentren auf. Immer häufiger kehrt sein Dilemma wieder: Wohinter er steht, ist nicht das, womit er sein Geld verdient. An diesem Abend in Ulm trägt er auf der Bühne ein Second-Hand Sakko, er hat einen Schal umgebunden. So könnte er auch als Dozent in einer Kunstakademie arbeiten. Zwischen den Liedern redet er frei heraus. "Dieser französische Rotwein ist sehr gut. Das Ulrichs-Bier hier auch. Man würde sich nur eine Erklärung auf der Flasche wünschen, was es mit diesem Ulrich auf sich hat. Für den interessierten Trinker wie mich." Er gibt sich locker und unterhaltsam. Manchmal politisch. "Jeglichen Patriotismus" findet Robert "scheiße". Wer das Konzert sieht, glaubt kaum, dass Gary anfangs als Kommerz-Band gegolten haben. "Sie haben am Anfang fast jeden Fehler gemacht, den man machen kann. Sie waren bei demselben Label wie Britney Spears", sagt Linus Volkmann, Plattenkritiker des Intro Magazins. Für ihr größtes Makel konnte die Band allerdings nichts: Das Image von Robert als Mädchenschwarm und Boulevard-Promi. Für die Fans von Tocotronic oder The Notwist, die Gary potentiell mögen könnten, Grund genug, sich gar nicht erst mit deren Musik zu beschäftigen. "Inzwischen versperren sich der Band aber nur noch hartgesottene Gralshüter der Indie-Szene. Den Respekt haben sich Robert und seine Kollegen auch verdient", sagt Volkmann. Vor allem das aktuelle Album findet der Kritiker "auffallend gut". Eigentlich ist die Gruppe zu dritt, aber Rasmus Engler, der Drummer, ist beim Konzert in Ulm nicht dabei. Sänger und Gitarrist Robert Stadlober und Astrid Noventa am Pianet spielen unplugged. Ihre Songs klingen ein bisschen nach den Lemon Heads. Dass einer wie Robert einmal glaubwürdige Indie-Musik machen würde, hat ihm lange Zeit niemand zugetraut. Zu der Zeit von Sonnenallee und Crazy gab er noch Interviews in der Bravo, was er inzwischen als jugendliche Verwirrung abtun möchte. Mit Cowboyhut und lackierten Fingernägeln zog er damals durch die Clubs in Berlin Mitte. Starallüren hatte er, das gibt er zu. Aber er wertet sie heute als Zeichen von Verunsicherung und Überforderung. "Dieser Hype war einfach nicht gesund für mich. Glücklicherweise habe ich schnell genug gemerkt, dass nur wieder der nächste kommt, der im Durchlauferhitzer hochgekocht wird." Robert macht es irgendwann krank, dass Mädchen im Hausflur vor seiner Tür übernachten, oder dass ihm wildfremde Menschen ins Ohr säuseln, was für ein toller Schauspieler er sei. Zwei Jahre nach Sonnenallee hat er "einen richtigen psychischen Hau". Konkret überfallen ihn Angstattacken, wenn er sich in einer großen Menschenmenge aufhält. Es liegt wohl daran, dass er seitdem nicht mehr in bunten Magazinen auftaucht. Home-Stories von ihm, wird man nicht finden. Von seiner Freundin, weiß so gut wie keiner etwas. Wenn es nach ihm geht, dann bleibt das auch so. "Mir ist schon klar, dass ich erfolgreicher sein könnte, wenn ich diesen Quatsch mitmachen würde. Aber das will ich und kann ich auch einfach nicht." Robert findet, dass er auch ohne den ganz großen Erfolg luxuriös lebe. "Ich mache nur noch Dinge, hinter denen ich stehe und ich kann davon leben. Das ist, denke ich, das Größte, wonach man fragen kann." Sein Leben zu finanzieren - ein Leben ohne Auto und größere Anschaffungen - wäre allerdings nicht möglich, ganz ohne jeden Kompromiss. Derzeit ist er in Jud Süß Film ohne Gewissen zu sehen, davor gab es größere Rollen in Berlin am Meer, Peer Gynt, Krabat. Das sind kommerzielle Filme, mit denen er gut leben kann. Es sind dennoch nicht die Projekte, an denen sein Herz hängt. Der Regisseur Hans-Christian Schmidt hat Roberts rasanten Aufstieg miterlebt. Er hat ihn für die Rolle des Benni in Crazy ausgewählt. Er kann verstehen, dass Robert nicht mehr mit dem Jungstar von damals in Verbindung gebracht werden möchte. "Er ist da nicht der einzige. Julia Hummer beispielsweise hat sich vorübergehend sogar ganz gegen das Filmgeschäft entschieden. Sie spielt momentan, so weit ich das verfolgt habe, in irgendeiner Band mit." Die Musik bleibt auch für Robert das zentrale Thema. Im neuen Jahr plant er in Klagenfurt ein Musical mit Texten von Kafka uraufzuführen.