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Nicht Lesen, Schmökern! Bücher für anspruchslose Tage
Für Menschen, die zwar sehr gerne lesen, aber bisweilen so gar keine ausreichende Gehirnkapazitäten für hohe Literatur haben, gibt es Zeitschriften und Arzt-Romane. Aber es muss doch noch etwas zwischen den Extremen wertvoller Literatur und Pulp Fiction geben. Lektüre, die man guten Gewissens in sich hineinschlingen kann, ohne gleich an Verdummung einzugehen. Wir haben fünf Autoren zusammengetragen, die man auch in schwierigeren Lebensphasen gut lesen kann und für deren Lektüre man sich trotzdem nicht schämen muss. Hast du auch Empfehlungen für den Kanon der leichten Lektüre? Autor: Die Pfarrerstochter Dorothy L. Sayers war eine der ersten Frauen, die in Oxford studierten (und ihr Studium mit „summa cum lauda“ abschloss). Nach dem Studium arbeitete sie einige Jahre in einer Werbeagentur, bevor sie sich ganz dem Schriftstellern widmete und einen der großartigsten Amateurdetektive des Genres erfand: den adeligen Müßiggänger Lord Peter Wimsey.
In welcher Situation ist das Buch hilfreich: Lord Peter ist immer dann hilfreich, wenn man sich unbedingt und wirkungsvoll vom gerade nicht so schönen eigenen Leben ablenken muss, aber immer noch genug Gehirnkapazitäten frei hat, um den Irrungen und Wirrungen bei der Aufklärung eines Mordes folgen zu können. Warum es gut tut: Lord Peter, sein treuer Diener Mervyn Bunter, seine widerspenstige Angebetete Harriet Vane, die leicht bekloppte Adels-Familie mit Verbindungen zum britischen Königshaus und die aufregenden Mordfälle im England der 1920er Jahre gehören nicht nur zu den besten klassischen Kriminalromanen (und ihre Erfinderin Sayers zur Gründungsgeneration der „British Crime Ladies“), sie funktionieren auch als Sittenbild der damaligen Zeit und die Liebesgeschichte von Peter und Harriet zieht sich schön über gerade so viele Bücher hinweg, dass man nicht die Lust daran verliert. Ist das Buch öffentlichkeitstauglich? Wenn man sich nicht für Krimi-Lektüre schämt, dann unbedingt! Autor: Alles von Jane Austen, ganz besonders jedoch „Stolz und Vorurteil“, „Emma“ und „Sinn und Sinnlichkeit“
In welcher Situation ist das Buch hilfreich: Nicht selten hat man als junge Frau Herzschmerzen, Herz-Langeweile, Herz-Schluckauf und andere Herzbeschwerden. Da bietet sich dann immer der Griff zur Jane Austen-Hausapotheke an. Deren Bücher sind nämlich so schön liebeszentriert und gleichzeitig sehr weit weg von unserer schnöden Welt, dass man sich kurzfristig tatsächlich in ein englisches Seebad um 1800 wünscht, bevor einem wieder einfällt, dass die Karriere-Optionen junger Damen sich damals auf Heirat oder Abhängigkeit von reicher Verwandtschaft beschränkten. Warum es gut tut: Jane Austen zu lesen, ist ein bisschen so, wie ein warmes Fußbad nehmen: sehr altmodisch, aber doch immer noch erstaunlich wirksam. Gleichzeitig gehört Austen zum Kanon hoher Literatur, weshalb man nicht einmal ein schlechtes Gewissen angesichts der Lektüre haben muss. Und kaum eine andere Autorin konnte so schön sehnsüchtige Liebesgeschichten aufbauen, auf die man auch nach der fünften Lektüre noch hinfiebern kann. Und wenn man mal ein bisschen Abwechslung braucht: die Hollywood-, sowie die BBC-Verfilmungen der Bücher sind allesamt sehr sehenswert. Und die Hälfte aller romantischen Komödien der letzten Jahre beruht auf dem einen oder anderen Austen-Plot. Ist das Buch öffentlichkeitstauglich? Absolut, schließlich ist es ja öffentlich anerkannte wertvolle Literatur. Man sollte nur kein Problem damit haben, auch nach außen hin seine feminin-zarte Ader zu zeigen. Autor: Lorrie Moore, ganz besonders ihre Kurzgeschichten-Bände „Pepsie-Hotel“ und „Leben ist Glückssache“ und ja, die Titel der deutschen Übersetzungen sind wirklich schlimm.
In welcher Situation ist das hilfreich: Auch Lorrie Moore hilft gegen depressive Verstimmungen, allerdings ein bisschen so wie homöopathische Medikamente: sie behandeln genau die Themen, vor denen man eigentlich gerade entfliehen wollte, aber in so kleinen Dosen, dass man es gut aushalten und sogar davon profitieren kann. Warum es gut tut: Lorrie Moores Bücher erschienen in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren und sie alle handeln mit Vorliebe von komplizierten New Yorker Schriftstellerinnen ohne Erfolg, die sich mit mittelmäßigen Männern herumschlagen müssen, oder wegen eines Stipendiums für drei Monate in einem Kaff im mittleren Westen untergekommen sind, und sich ganz in ihrem New Yorker Neurotiker-Dasein ergeben wollen. Klingt irgendwie langweilig, ist aber unglaublich schön und zart und lustig aufgeschrieben und hat mitunter das Zeug zum Augenöffnen – aber nicht auf die Hau-Drauf-Hammermethode der Lebensverbesserer-Lehrer, sondern mit sehr viel zarteren Maßnahmen Ist das Buch öffentlichkeitstauglich? Klar, schließlich kennt die Autorin kaum jemand und die Bücher sind in einem respektablen Verlag erschienen. Auf der nächsten Seite: ein reformierter Countrymusiker und die Königin der Chick Lit.
Autor: Alles von Kinky Friedman, dem einzigen jüdisch-texanischen Countrymusiker, den die Welt je sah. Dem Mann, der die Rolling Thunder-Tour mit Bob Dylan heil überstand und sogar eine erfolglose Kandidatur zum Gouverneur von Texas. Und der auf seine alten Tage zum Schriftsteller wurde, einen Privatdetektiv namens Kinky Friedman erfand, der einst sein Geld als jüdisch-texanischer Countrymusiker verdiente...
In welcher Situation ist das hilfreich: Wenn man so gar keine Lust auf wertvolle Literatur oder intelligente Unterhaltung hat, aber nicht gleich in den totalen Schund-Abgrund stürzen will, dann kann man sich die Romane Kinky Friedmans vornehmen. Aber Vorsicht: die Lektüre könnte zu Verwirrungen führen. Warum es gut tut: Der Romanheld Kinky Friedman ist einer der faulsten und erfolglosesten Privatdetektive, die das Genre je sah. Er hat ein bis zwei Katzen, zwei Telefone, aber nur einen Anschluss, eine teure Espressomaschine und viele Freunde, die ihm auf die Nerven gehen, bisweilen aber auch bei der Aufklärung von ausnehmend wirren Kriminalfällen behilflich sind. Man sieht: Die Lektüre von Friedman-Krimis ist nicht ganz so leicht, wie man vielleicht annehmen möchte. Aber sie hilft beim Ablenken, weil man sich ganz auf diesen kleinen New York-Kosmos konzentrieren muss, um überhaupt zu kapieren, wer jetzt wen entführt hat oder ob es sich bei dem beschriebenen Fall überhaupt um ein Verbrechen handelt, oder doch nur um einen verlegten Schlüssel. Ist das Buch öffentlichkeitstauglich? Selbstverständlich! Kinky Friedman hat in seinem kleinen Finger mehr „street credibility“, als die versammelten deutschen Feuilletons gemeinsam. Autor: Marian Keyes, die Mitbegründerin des britischen „chick lit“-Genres.
In welcher Situation ist das hilfreich: Wenn man wirklich raus muss aus dem eigenen Leben und dafür auf ein Buch angewiesen ist, dann ist einer der zehn Keyes-Romane genau das richtige. Jeder ist so dick, dass man ein Wochenende durch lesen kann, alle sind ausgesprochen raffiniert aufgebaut und bis zum Ende so spannend, dass man auch wirklich durchhält. Und sie sind – für den Anspruch, den man an das Genre hat – gut geschrieben. Warum es gut tut: Keyes kann schreiben, sie weiß, wie man einen Plot aufbaut, wie man seine Leser unterhält und die Spannung bis zum Ende durchhält. Und sie kann herzzerreißend traurige Geschichten erzählen. Und manchmal braucht man herzzerreißende Geschichten, die aber nie stattgefunden haben, um sich vom eigenen Lebens-Elend (oder der eigenen Lebens-Langeweile) zu erholen. Dann sind Keyes’ Romane empfehlenswert. Allerdings nutzen sich einige der Keyes'schen Überraschungseffekte nach einem Buch ziemlich ab. Ist das Buch öffentlichkeitstauglich? Nein, dieses Buch muss man leider zuhause lassen oder in Zeitungspapier einwickeln. Oder man schert sich einfach nicht um die gute Meinung wildfremder S-Bahn-Mitfahrer. Welche Bücher für die leichte Muse kannst du empfehlen? Was braucht ein Buch, um dir über härtere Zeiten in deinem Leben hinwegzuhelfen? Schreib deine Lektüre-Vorschläge in die Kommentare.