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Neue Ticketsteuer: Franzosen fliegen ab 1. Juli für Entwicklungsländer
Internationale Steuern stehen schon geraume Zeit in der Diskussion. Die Gegenbewegung zur Globalisierung, ATTAC, trägt die Forderung nach internationalen Steuern sogar im Namen: Zu deutsch stehen die fünf Großbuchstaben für „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger“. Unter anderem verficht die Nichtregierungsorganisation eine Steuer auf internationale Finanztransaktionen, die Entwicklungsländern zu Gute kommen soll. In Frankreich tritt nun am 1. Juli 2006 ein Gesetz in Kraft, mit dem zu Gunsten der Entwicklungsländer eine Steuer auf alle Flugtickets erhoben wird. Mindestens für zwei Jahre zahlen Fluggäste in Frankreich für innereuropäische Flüge in der Economy Class einen Euro mehr je Ticket, in der Business Class kostet der Aufschlag zehn Euro und transkontinentale Flüge werden mit bis zu 40 Euro zusätzlich belastet. Die Einnahmen, das ist der Clou, sind zweckgebunden. Sie fließen in einen internationalen Fonds für Entwicklungsländer. Mit dem Geld sollen Medikamente gekauft und der Kampf gegen AIDS, Malaria oder TBC gefördert werden. Die französische Regierung rechnet mit Einnahmen von 200 Millionen Euro je Jahr. Damit wird die Forderung vieler Nichtregierungsorganisationen nach einer Solidaritätsabgabe wirklich – in Teilen zumindest. Auf einer Konferenz zur Finanzierung von Entwicklungshilfe im März konnten die Initiatoren der Ticket-Steuer, Brasilien und Frankreich, immerhin 11 Länder* überzeugen, es ihnen gleich zu tun. 25 weitere Länder*, darunter auch Deutschland, wollen die Abgabe nicht erheben, sich aber finanziell an dem Programm beteiligen. Die Ansichten zu solch einer Flugticketabgabe sind kontrovers, teilweise wird den Staaten unterstellt, sie würden mit Einführung der Ticket-Steuer den Forderungen nach einer weit unbequemeren Steuer auf Finanztransaktionen bewusst den Wind aus den Segeln nehmen. Und selbst afrikanische Staaten finden die Idee der „taxe Chirac“, wie die Steuer schon genannt wird, nicht besonders dienlich. jetzt.de hat die verschiedenen Positionen zusammengetragen und nachgefragt. Es ergibt sich: Ein Mosaik zum Thema internatonale Steuern. 1. Zitat in der Einladung des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac zu oben genannter Konferenz: „In einer Zeit, da die Globalisierung die Schaffung von neuen Reichtümern in nie da gewesenen Maßen ermöglicht, sind die wachsenden Ungleichheiten zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern inakzeptabler denn je.“ 2. Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy nach der Konferenz: „We are creating something that is completely new and revolutionary“.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
3. Thilo Hoppe, Grüne, Vorsitzender des Entwicklungsausschusses im Bundestag: „Berlin muss mindestens dem Beispiel Frankreichs folgen.“ 4. Auszug aus einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Entwicklung und Zusammenarbeit: "Die Bundesregierung hat sich beim Europäischen Rat im Juni 2005 verpflichtet, die Mittel für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen des EU-Stufenplans zu erhöhen. Deutschland wird die so genannte ODA-Quote bis 2010 auf 0,51 Prozent und bis 2015 auf 0,7 Prozent erhöhen. 2005 lag diese Quote bei 0,35 Prozent und 2004 bei 0,28 Prozent. Noch hat die Bundesregierung keine Entscheidung über die Einführung eines bestimmten innovativen Finanzierungsinstruments getroffen. International werden eine Reihe von Instrumenten diskutiert. Aus unserer Sicht ist eine Entwicklungsabgabe auf Flugscheine ein mögliches Instrument, das wir prüfen."
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
5. Lufthansa-Sprecher Stefan Schaffrath Ende 2005 in der taz: „Genauso könnte man den Aufschlag auch auf CDs oder Kühlschränke erheben. Bei den Tickets träfe es ausgerechnet eine Branche, die den Welthandel sicherstellt und damit auch den Handel mit der Dritten Welt.“ 6. ATTAC hat eine Unterschriftenaktion ins Leben gerufen. Sie trägt den Titel: "Flugticketabgabe in Deutschland jetzt". Mehr als 100 Abgeordnete des Deutschen Bundestages haben unterschrieben. Selbst von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ist ein unterstützendes Zitat überliefert: Sie unterstütze das politisches Anliegen und Engagement „sehr“. 7. Auszug aus einem Leserbrief von Torsten Kirstges und Christian-Uwe Behrens, beide Professoren an der Fachhochschule Wilhelmshaven: „Die finanzielle Belastung von Flugtickets zugunsten der Bekämpfung von Aids und anderen Krankheiten halten wir für absolut falsch, weil sie weder markt- noch verbraucher- oder verursachungsgerecht ist (...).Die Bekämpfung von Krankheiten und die Förderung der Entwicklungshilfe sind ohne Zweifel sinnvolle staatliche Aufgaben. Ebenso kann die steuerliche Belastung des Flugverkehrs richtig sein, wenn es darum geht, so genannte externe Kosten wie Umweltbelastungen durch Emissionen oder Lärm durch Belastung des Verursachers zu mindern. Doch wird durch die nicht kausal nachvollziehbare Verknüpfung dieser beiden Bereiche lediglich ein – wie die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit es umschreibt – „innovatives Finanzierungsinstrument“ geschaffen, denn es dürfte kaum möglich sein, eine Kausalität zwischen Flugreisen und solchen Krankheiten herzuleiten. Ebenso gut könnte man auf den Verkauf jedes Autos, auf jedes Kilogramm Hühnerfleisch oder auf jeden Arztbesuch eine „Solidaritätssteuer zur Bekämpfung von Krankheiten“ erheben.“ 8. Zitat von Kofi Annan, UN-Generalsekretär: „Frankreich zeigt echte Führungsstärke in den Bemühungen, innovative Finanzierungsquellen im Kampf gegen die Armut in der Welt zu finden“. 9. Italien, Griechenland und auch die Ministerkonferenz der afrikanischen Staaten sind gegen eine solche Abgabe: Sie fürchten Einbußen im Tourismus. 10. Zitat von Peter Wahl, Mitarbeiter der NGO WEED und von ATTAC: „Mit der Ticketabgabe versucht die französische Regierung vor allem, Luft aus der Diskussion über die wesentlich effektivere Tobin-Steuer zu nehmen“ (Anm. d. Red.: Steuer auf Währungsspekulation). 11. Schweden ist nach Frankreich der zweite Staat, der die Abgabe einführt: ab dem 1. August 2006 zahlen Reisende für innereuropäische Tickets 10 Euro Aufschlag, für außereuropäische Tickets 20 Euro. *Frankreich führt die Ticketabgabe am 1. Juli ein, Schweden im August. Diese zwölf weiteren Länder haben es vor: Großbritannien, Norwegen, Luxemburg, Zypern, Jordanien, Kongo, Elfenbeinküste, Madagaskar, Mauritius, Nicaragua und Chile; Fotos: ap und dpa