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Mythos und Beziehung

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Der Diplom-Psychologe und Persönlichkeitsforscher Doktor Lars Penke ist Fachmann in Sachen Beziehungen und Partnerwahl. Im Rahmen seiner Forschung hat er sich unter anderem intensiv mit dem Phänomen des Speed-Dating auseinandergesetzt. Für jetzt.de nahm er einige der verbreitetsten Liebes- und Beziehungsmythen unter die Lupe.

Er ist der Beziehungsfachmann 1. Gleich und Gleich gesellt sich gern, sprich, zu große Unterschiede in Bildung, Finanzen etc. lassen eine Beziehung unweigerlich scheitern. Paare ähneln sich tatsächlich in der Regel in gewissen Eigenschaften, dazu zählt Bildung, Einkommen, sozialer und kultureller Hintergrund, Attraktivität und Intelligenz. Diese Ähnlichkeiten scheinen sowohl darauf zurück zu gehen, dass wir diese Eigenschaften gezielt in Partnern suchen, aber auch darauf, dass wir uns generell meist mit Menschen umgeben, die uns in diesen Eigenschaften ähnlich sind (z.B. an der Uni, bei der Arbeit, in der Freizeit), und einige davon sind dann auch potentielle Partner. In mancherlei Hinsicht mag Ähnlichkeit in gewissen Eigenschaften der Partnerschaft auch förderlich sein, z.B. wenn nicht sofort einer finanziell abhängig vom anderen ist oder so viel mehr Wirkung auf das andere Geschlecht hat, dass der andere ständig Angst haben muss, verlassen zu werden. Unweigerlich scheitern muss eine Beziehung deswegen aber nicht. In vielen anderen Eigenschaften – von Ordentlichkeit über Schüchternheit bis hin zu Verträglichkeit – gibt es übrigens keine Anzeichen, dass Gleich und Gleich sich gern gesellt oder dass der Beziehung förderlich ist.


2. „Sei ein Star, mach dich rar“: Sieh zu, dass sich der andere deiner nie zu sicher ist. Stimmt bedingt, das ist eine Gratwanderung. Wir verlieben uns dann am dollsten, wenn wir jemanden attraktiv finden, uns seiner Zuneigung aber nicht zu sicher sind. Wenn wir jemanden sofort haben können, wird das schnell langweilig. Wenn wir merken, dass wir uns anstrengen und beeindrucken müssen, unsere beste Seite zeigen und Zeit investieren, dann kreisen unsere Gedanken plötzlich um nichts anderes mehr als um diesen einen Menschen. Solche Vernarrtheit ist gerade am Anfang nur förderlich für eine Beziehung, und ein wenig Unsicherheit gehört dazu – oft ist die aber ganz automatisch da und muss nicht noch künstlich dadurch herbeigeführt werden, indem man sich rar macht. Und nach einiger Zeit zusammen ist es dann sowieso viel wichtiger, dass man beim Vertrauen und Sicherheit aufbaut, das Gegenteil von Unsicherheit also.
3. Liebe auf den ersten Blick ist ein Märchen, allenfalls gibt es eine starke Anziehung auf den ersten Blick. Liebe ist ein irreführender Begriff, denn anfängliche Verliebtheit und die wahre, innige Liebe sind zwei ganz verschiedene Dinge. Auch auf den ersten Blick kann man stark von jemanden angezogen und total auf diese Person fixiert sein, das ist Verliebtheit. Entgegen der weitläufigen Meinung ist das übrigens nicht nur ein positiver Zustand, denn man ist dann extrem empfindlich gegenüber kleinsten Anzeichen von Zurückweisung: Bin ich wirklich interessant für sie? Wann ruft er endlich an? Wahre Liebe ist die feste Bindung, die sich mit der Zeit in einer Partnerschaft entwickeln kann, das volle Vertrauen, das aufeinander eingespielt sein, das Gespür für die Bedürfnisse des Anderen. Liebe in diesem Sinne kann es tatsächlich nicht auf den ersten Blick geben (auch wenn sie aus Verliebtheit erwachsen kann), man sagt wahre Liebe braucht mindestens ein Jahr.
4. In einer gut funktionierenden Beziehung sollte man keine Geheimnisse voreinander haben. Stimmt weitestgehend, aber auch das ist eine Gratwanderung: Wichtig in einer guten Beziehung ist Vertrauen, das Gefühl, im Partner einen sicheren Hafen zu haben. Das setzt natürlich in den meisten Dingen Offenheit und Ehrlichkeit voraus. Aber wozu sollte man dem Partner bedingungslos jede unwichtige Kleinigkeit erzählen, die sie oder ihn vielleicht nur unnötig verletzt, misstrauisch macht, das Vertrauen untergräbt? Jemanden spontan attraktiv finden, etwas flirten, das kann mal passieren – wenn es für einen selbst aber keine tiefere Bedeutung hatte, kann man das auch für sich behalten. Und ein wenig schlechtes Gewissen ist dann vielleicht auch ganz heilsam. Aber Vorsicht: Am schlimmsten für das Vertrauen ist natürlich, wenn der andere etwas merkt oder herausfindet, was er nicht hätte wissen sollen.
5. Wenig Sex ist gleichbedeutend mit schlechter Beziehung bzw. kontinuierlich nachlassender Sex ist ein Zeichen für das nahende Ende der Beziehung. Stimmt nicht. Die Häufigkeit sexueller Kontakte, wie auch das sexuelle Interesse generell, ist in den meisten Beziehungen am Anfang am stärksten und nimmt mit der Zeit deutlich ab. Darin unterscheiden sich gute und schlechte Beziehungen fast überhaupt nicht. Und obwohl eine befriedigende Sexualität zu einer guten Beziehung gehört muss das nicht heißen, dass man oft Sex hat. Ein paar Nächte getrennt voneinander steigern übrigens bei vielen Paaren das sexuelle Interesse kurzfristig wieder.
6. Wenn man die Macken des anderen nicht mehr liebenswert, sondern nervig findet, ist die Beziehung am Ende. Muss nicht sein. Die „rosarote Brille“ von Verliebten, die jede Macke liebenswert macht, ist ein reales Phänomen, sie ist aber nie von Dauer. Nach etwa den ersten ein, zwei Jahren sieht man den Partner realistischer und da fallen einem dann die Macken mehr auf. Aber niemand ist perfekt und im Idealfall hat man sich bis dahin schlicht an die Macken gewöhnt und sieht immer noch genug positive Seiten. Wenn man allerdings nur noch die Macken sieht, kann man sich zumindest mal fragen, ob das noch zu den guten und schlechten Zeiten einer jeden Partnerschaft gehört oder tatsächlich nicht mehr tragbar ist.
7. Das „verflixte siebte Jahr“ kann eine Gefahr für Beziehungen sein. Stimmt nicht, statistisch gesehen ist es das vierte Jahr. Aber kein Grund an Zahlenmystik zu glauben - bei manchen ist es etwas früher, bei anderen etwas später. Nur in etwa nach so vielen Jahren merken Paare oft , dass sie sich nicht mehr so stark sexuell zueinander hingezogen fühlen, entwickeln dann aber ab und an erotische Gefühle für andere Personen. Das ist ganz normal und liegt einfach daran, dass erotisches Verlangen viel mit dem erregenden Gefühl des Unbekannten, Verbotenen und schwer Erreichbaren zu tun hat – und der eigene Partner ist inzwischen halt bekannt, erlaubt und verfügbar. Wichtig ist an dieser Stelle nur, dass man weiß, dass dieses Phänomen mit jedem Partner irgendwann auftreten wird und man richtig mit den Gefühlen umgeht: Gibt man sofort jeder verbotenen Anziehung nach wird man nie eine lange solide Partnerschaft haben und man riskiert jedes mal alles, was man in die bisherige Partnerschaft investiert hat.

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