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Meine Zeit als Versuchskaninchen

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Das neue Semester hat begonnen. Verwirrte Erstsemester irren durch die Gänge der Uni, checken noch mal ihren Stundenplan, ärgern sich über volle Hörsäle. Dabei wissen sie aufgrund der ganzen kleinen Problemchen, die sich ihnen in der ersten Woche in den Weg stellen, womöglich gar nicht zu schätzen, dass sie mit einer Sache nicht mehr zu kämpfen haben: den Studiengebühren. Denn die gibt es ab diesem Wintersemester auch in Bayern nicht mehr. Und wer hats geschafft, sie auch im letzten Semester noch zu brav zu bezahlen? Ich!

Trotzdem habe ich, selbstlos wie ich manchmal bin, sogar mit meiner Unterschrift dazu beigetragen, dass die ganzen Neuen ein paar hundert Euro mehr in der Tasche haben – pro Semester! Schöne Sache eigentlich, aber auch etwas ärgerlich, wenn ich bedenke, dass ich meine sechs Semester komplett durchgezahlt habe. Und jetzt ertappe ich mich dabei, wie ich sie ein Stück weit beneide, die ganzen Studenten, die verschont bleiben von der halbjährlichen Zahlung an die Uni. Warum ist eigentlich niemand mal früher auf die Idee gekommen, die Gebühren abzuschaffen? Mit den zusätzlichen 542 Euro pro Semester hätte sich wunderbar ein kurzer Urlaub bezahlen lassen oder noch besser: ein neuer Laptop. Teure Anschaffungen habe ich immer schon gerne aufgeschoben, bis es wirklich nicht mehr zu umgehen war. Meinen ersten eigenen Laptop habe ich mir erst gekauft als es an der Zeit war, meine Bachelorarbeit zu schreiben. Nur die Studiengebühren, die habe ich immer ganz brav und pünktlich bezahlt – auch wenn es weh tat. Jedes einzelne Mal. Immerhin musste ich das Geld ja auch erstmal verdienen.


500 Euro jedes Semester - und für was noch mal genau?
 
Nebenjobs waren deshalb bei mir, wie bei einem Großteil der anderen vermeintlich „faulen“ Studenten da draußen, ein ständiger Begleiter. Das war auch in Ordnung so, ich fand es immer einen guten Ausgleich zu Vorlesungen und Seminaren. Änderte aber nichts daran, dass ich immer wieder angefressen war, wenn ich darüber nachdachte, wie viele Stunden ich darauf verwenden musste, meine Studiengebühren zusammen zu kriegen. Bei einem Stundenlohn von acht Euro im Hotel waren das immerhin fast 68 Stunden Betten machen und Boden wischen, nur um die blöden Gebühren zu bezahlen.

Die meiste Zeit über hatte ich ohnehin zwei verschiedene Nebenjobs gleichzeitig. Ein ganz normaler Wochentag konnte dann schon mal zwölf oder dreizehn Stunden lang dauern. Morgens an die Uni, nachmittags zur Nachhilfe und abends dann noch Texte für die Homepage der Event-Agentur schreiben. Eine ganz normale Woche konnte so aus sieben Arbeitstagen bestehen – das ein oder andere Wochenende war mit Englischunterricht und Hotelbetten beziehen verplant. Aber gut, arbeiten gehört dazu, ich war und bin sehr froh über meine Jobs. Trotzdem stinkt es mir gewaltig, wenn ich mir ausrechne, dass ich insgesamt 3252 Euro (Was man dafür alles kaufen könnte!) in den vergangenen drei Jahren bezahlt habe und die neuen Erstsemester kriegen exakt das gleiche für sehr viel weniger Geld und noch ein Semesterticket oben drauf.

Was mich zudem ziemlich ärgert, ist die Tatsache, dass man nicht wirklich gemerkt hat, wofür man da eigentlich zahlt – zumindest als Geisteswissenschaftler hatte ich immer eher das Gefühl, ausschließlich alle anderen teuren (naturwissenschaftlichen) Studiengänge zu finanzieren. Und nette Extras wie ein Bahnticket gab es bis dato auch nie, das musste man noch monatlich extra berappen. Angesichts der ganzen Ausgaben, haben sich folglich auch einige meiner ehemaligen Mitschüler lieber für eine Ausbildung nach dem Abitur entschieden. Studiengebühren können ja auch abschreckend wirken und wenn man sich ohnehin nicht ganz sicher ist, ob man studieren möchte oder einfach darauf angewiesen ist, möglichst bald eigenes Geld zu verdienen, statt noch mehr davon auszugeben. Ich habe mich trotzdem für Option B „weiter Geld rausschmeißen“ entschieden.

Wäre eigentlich mal interessant zu wissen, wie vielen anderen Studenten es ähnlich ergangen ist? In Bayern wurden von 2007 bis 2013 Studienbeiträge erhoben. Bis zum Wintersemester 2012/13 haben bayerische Hochschulen auf diese Art Gelder in Höhe von 980 Millionen Euro eingenommen, wie mir Herr Freckmann vom Ministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst berichtet. Hochrechnungen oder Schätzungen, wie viele Studenten an der Bezahlung dieser Gesamtsumme beteiligt waren, gibt es nicht, da einige den Studienort gewechselt haben oder aus irgendwelchen Gründen zumindest zeitweise von den Gebühren befreit wurden. Insgesamt - und das hat mich dann doch überrascht - waren es während der letzten sechs Jahre immerhin ein Drittel der Studenten in Bayern, die keine Beiträge bezahlen mussten. Schön für sie, nur ärgerlich, dass mir dieses Vergnügen nicht zuteil wurde.

Jetzt, wo klar ist, dass es tatsächlich keine Studiengebühren mehr gibt, freut es mich zu sehen, dass man eben doch ein gewisses Mitspracherecht hat und vielleicht einfach zu selten wagt, es zu nutzen. Andererseits und da spricht scheinbar doch ein kleiner Egoist aus mir, ärgert es mich, dass die Entscheidung für mich persönlich leider etwas zu spät gefallen ist. Mein persönliches Fazit zu der Sache: Vor drei Jahren wäre mir der Entschluss eindeutig lieber gewesen und ich war nicht wirklich gern ein Versuchskaninchen des kurzlebigen Projekts Studiengebühren aber es bleibt immerhin noch zu hoffen, dass die Uni einen sinnvollen Verwendungszweck für mein gutes Geld gefunden hat.



Text: lisa-freudlsperger - Foto: koli/photocase.com

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