- • Startseite
- • Redaktionsblog
-
•
"Liebe CD" - zum Geburtstag sechs Glückwunsch-Schreiben
Sehr geehrte Frau Compact, oder darf ich doch, hallo Disc, schreiben? Wir haben uns so lange schon nicht mehr gesehen und ich weiß nicht mehr genau, wie wir damals auseinander gingen. Klar, ganz am Anfang, da hatten wir noch ein enges Verhältnis, wir waren sogar Freunde. Ich habe viel von dir gelernt, habe Zeilen, die du mir vorgespielt hast, sogar nachgesprochen, mitgesungen. Aber mit der Zeit lebten wir uns auseinander. Erst wolltest du nicht mitkommen in die weite Welt. Im Auto zum Beispiel hast du einfach den Dienst verweigert. Kopierschutz hieß das und du bliebst stumm. Ich habe einiges versucht, dich doch zu überreden, aber mit der Zeit war mir das zu kompliziert. Und dann kam der MP3-Player. Er sah futuristischer aus als du und seine kleinen Freunde, die MP3s, waren auch nicht so zickig wie du. Dachte ich jedenfalls. Mit der Zeit begannen auch sie – genau wie du – mit diesem Kopierschutz. Trotzdem wäre ich nicht auf die Idee gekommen, zu dir zurückzukehren. Ehrlich gesagt, ich hätte auch gar nicht gewusst, wo ich dich hätte finden können. In die Orte, an denen wir uns damals trafen, gehe ich schon lange nicht mehr. Da ist alles irgendwie teurer und langweiliger geworden. Stattdessen bin ich jetzt oft online unterwegs. Treffe mich mit Leuten aus aller Welt. Hätten wir damals auch nicht gedacht, dass es mal so kommen wird. Jetzt also wirst du 25. Das ist ein schönes Alter. Herzlichen Glückwunsch. Bestimmt bist du mittlerweile glücklich, lebst in Ravensburg oder vielleicht im Emsland und spielst schöne Lieder von PUR oder Hansi Hinterseer. Vielleicht treffen uns wir uns ja bei Gelegenheit mal wieder. Dann könnten wir ja - wie in den alten Zeiten - was brennen. Das wäre doch nett. Möge es dir dort wohlergehen, Wünscht dir dein dirk-vongehlen
Danke, CD! Du weißt es nicht, aber ich bin mit dir aufgewachsen. 1992 bekam ich einen CD-Player, da waren wir beide fast gleichaltrig, aber du schon viel erfolgreicher. Ich habe seitdem ziemlich viel Zeit mit dir verbracht, denn du hattest immer Musik dabei. Und immer warst du mir zu teuer. Anfangs, als ich ganz schnell ganz viel Musik haben musste, weil ich ja noch gar nichts hatte, machte ich lange Finanzpläne, um dich nach und nach einzukaufen. Wenn ich pleite war, gab es nur überspielte Kassetten von Freunden, wenn ich viel Geld hatte gab es CDs vom WOM, schön eingeschweißt und noch mit ganz glattem Plastik. Aber meistens wühlte ich in Secondhand-Läden, zwischen tausenden fremder CDs nach solchen, die unbedingt mit mir mussten. Es gab immer welche. Und der Pegelstand meines Plattenstapels schwoll immer höher an, wie ein gutes Hochwasser. Ich fuhr sehr weite Wege, um zu den Secondhand-Läden zu kommen. Es ist übrigens bis heute schön, dich als neue Platte in ein Regal zu den anderen sortieren, ganz viele von dir nebeneinander zu stellen, oder auf hohe Stapel zu schichten, die irgendwann natürlich umfallen. Als ich einen Meter von dir hatte, wurde es, wie du weißt, üblich, dass die Musikzeitschriften kostenlose CDs beilegten, die ich aus der Bücherei klaute. Man konnte sie nicht so schön auf Stapel schichten, aber dafür waren sie billiger. Damals musste es auch gewesen sein, dass ich auf einem Festival sah, wie ganz viele Gratis-CDs im Schlamm lagen. Das war ein ganz unrichtiger Anblick - dein immer modernes Glitzern da im Dreck. Aber das war die Zeit. Plötzlich gab es überall CDs, um jeden Computer lagen welche rum, bei Saturn konnte man sie 100-stückweise kaufen und selbst meine Oma benutzte sie ganz selbstverständlich. Ich arbeitete immer noch an meinen CD-Pegelständen, war in eine kleine eigene Wohnung gezogen und das erste, was ich dort auspackte, waren die CDs. Damit war die kleine Wohnung ein Zuhause. Ich kaufte eine richtige Stereoanlage, noch bevor die in den Elektromärkten in eine dunkle Ecke verbannt wurden. Ich mag das sehr, wenn sie die Schublade ausfährt und ich dich darauf lege, wie ein Koch ein fertiges Gericht auf den Teller: vorsichtig und erwartungsvoll. Es ist ein schöner, technischer Vorgang, ich drücke richtige Tasten und höre das säuselnde Geräusch kurz bevor die Musik losgeht. Mädchen kamen in die kleine Wohnung und sie gingen vor deinen Stapeln auf die Knie und sagten ganz lange nichts, sondern schauten nur und nahmen ab und zu eine Platte und lächelten. Ich musste gar nichts machen, du hast das irgendwie für mich erledigt. Immer noch ging ich in die Secondhand-Läden, kaufte aber weniger. Es beruhigte mich einfach, die CD-Reihen vor und zurück zu klappen, sie klack-klack-klack mit drei Fingern durchzuschippen und dabei die immer gleichen Typen zu treffen, die sich stundenlang neben mir durch die Reihen wühlten. Irgendwann später lag plötzlich eine richtige CD in der Post, eine, die ich nicht bestellt hatte, sondern die noch gar nicht erschienen war. Ein glücklicher Moment, in dem du, liebe CD, bedeutet hast, dass ich so eine Art Job hatte. Einen bei dem ich CDs hören konnte, den ganzen Tag. In diesem Job traf ich Menschen, die hatten ein Büro, das ein Labyrinth aus CD-Stapeln war, durch das man die Pfade wissen musste. Um sie kennen zu lernen, musste man über CDs sprechen, tagelang, und ich war froh, dass ich das konnte, weil ich so viel Zeit mit dir verbracht habe. Du wurdest jetzt immer wichtiger für mich: wenn eine Band eine neue CD hatte, durfte ich um die halbe Welt fliegen, um sie ein bisschen früher auszupacken. Wenn Freunde ihre erste CD im Arm hielten wie einen Säugling, durfte ich glücklich mit ihnen Bier trinken. Und wenn in einer meiner wechselnden Wohnungen endlich alle CDs ausgepackt waren, durfte ich immer wieder denken: Zuhause. Natürlich ging es bei all diesen Sachen gar nicht um dich, sondern um die Musik auf dir drauf. Aber du warst immer dabei, hast die Klappe gehalten und funktioniert, bist in Alukoffern mit durch die Nacht gezogen oder in der Tasche in den Urlaub gefahren, hast es nicht allzu übel genommen, wenn ich es in schlechten Phasen wochenlang nicht schaffte, dich wieder in die Hülle zu stecken oder dir ein paar Plastik-Zähne ausgeschlagen wurden. Es ging nicht ohne dich. Du gehörst für mich dazu. Und du sollst bitte noch ein bisschen bleiben. max-scharnigg
Liebe CD, du bist nur einen Monat älter als ich. Ich musste aber neun Jahre alt werden, bis wir uns begegneten, denn mein Papa kaufte erst 1991 eine Stereoanlage mit Extraschubfach. Dazu, es war Weihnachten, erhielt ich - dich. Du warst bunt eingepackt und ich hoffte, du wärst Schokolade. Als du dich als Doppelalbum von Harry Belafonte entpupptest, war ich enttäuscht und ratlos. Musik bedeutete mir damals nicht viel, und heute kriege ich eh ständig mp3, die laufen einem so zu. Neulich habe ich die paar Varianten von dir, die ich mir als Teenager jemals selbst gekauft habe, wiedergefunden und war tief beschämt. Den Großteil stellten Singles von Boyzone. Was tun? Mittlerweile hab ich die optimale Lösung gefunden: Handarbeiten! Mit Boyzone drauf schützt du jetzt meinen Küchentisch vor Kaffeeflecken - verkehrt herum, versteht sich – aus Lucilectric und Konsorten habe ich einen total tollen Klimpervorhang gebaut, und alle meine kleinen Cousinen kriegen ab jetzt schicke silberne Mobile, die aus dir und etwas Angelschnur bestehen. Fenster- und Gartenschmuck für die Tante ist auch kein Problem, so eine Knabenkapellensingle lässt sich sogar mit der Haushaltsschere in Schneekristallform bringen. Für die ganz Ausgefuchsten empfehle ich den Materialmix: www.handarbeitsfrau.de zeigt Eins A Häkelanleitungen zum umrunden von Silberlingen mittels einfachen Maschen, die dann als Zierelement im Sommertop oder als lustig raschelnder Rockbesatz Verwendung finden. Vorausgesetzt, man stanzt vorher Löcher rein. Die Verwendungsmöglichkeiten sind so vielfältig wie du, und wenn dein Coveraufdruck nicht gefällt, kriegt man ihn super ab mit Benzin. Kein Thema. Langsam geht mir der Stoff aus, ich musste schon auf Gratisexemplare von AOL und ungewollte Hörbücher umsteigen. Also, CD, mach dir mal keine Sorgen um deine Zukunft. Tonband kann man sich höchstens um den Hals wickeln, mp3 gibt es gar nicht wirklich, aber du - du bist eine Inspirationsquelle. Gratuliere! Mit besten Grüßen und auf bald, eva-bader
Liebe Kompaktscheibe, zum 25. will ich Dich herzlich drücken und Dir sagen: Ich habe immer an Dich geglaubt. Ich kann mich gut erinnern, wie unsicher Du warst bei unserer ersten Begegnung. Alle hackten auf Dir rum, nur weil Du "die Neue" warst. Ständig hielten Dir irgendwelche DJs Deine angeblichen Schwächen vor, dabei hatten sie in Wirklichkeit nur Schiss, dass sie ihre schicken Koffer und Taschen in Zukunft gegen quadratische Kunstleder-Etuis eintauschen müssten und fortan nicht mehr mit ihren Scratchereien angeben könnten. Ich dagegen fand Dich immer faszinierend. Deine Handlichkeit, deinen keimfreien Klang, und vor allem dieses regenbogenfarbene Schimmern, wenn Du sanft in die Schublade meines mühsam ersparten Abspielgeräts glittest (Onkyo, weißt Du noch?). Wie ich es liebte, in Sekundenschnelle Deine Songs anzuwählen anstatt wie bisher metallbeschichtete Bänder hin und her zu spulen. Es stimmt – wir haben uns inzwischen etwas auseinandergelebt. Irgendwann musstest Du Dir mit riesigen Scheiben aus Schellack und Acetat einen Schrank teilen, weil sie etwas haben, was Du nie hattest: warmes Kratzen. Das war sicher nicht leicht für Dich. Aber weißt Du, jede Beziehung verändert sich. Das heißt nicht, dass sie schlechter wird, sondern einfach eine neue Ebene erreicht. Frag mal Deine Eltern - die fallen heute sicher auch nicht mehr jeden Tag auf dem Küchentisch übereinander her, haben sich aber trotzdem noch lieb. Und lass Dich nicht von neumodischen Erscheinungen erschrecken. Ganz ehrlich – an Dein makelloses Format reicht kein Mp3 der Welt heran, diese jungen Dinger reizen doch nur mit Oberflächlichkeiten. Für mich bist und bleibst Du eine Errungenschaft und auf ewig der glänzende, zuverlässige Stern meiner Mediensammlung. Also dann: Alles Gute zum Geburtstag – auf die nächsten 25! Dein Fan, henrik-pfeiffer
Liebe CD, ich war sehr grob zu Dir. Ich habe Dich in die Ecke geschmissen, wenn ich einen schlechten Tag hatte. Tagelang bist Du dort gelegen, ohne dass Dich jemand aufgehoben hätte. Frieren musstest Du, denn Deine Hülle habe ich als Bierdeckel missbraucht und manchmal sogar als Aschenbecher benutzt. Du hast mir immer wieder verziehen. Kurze Zeit schien alles, wieder wunderbar zwischen uns zu sein. Doch dann ist mir wieder die Hand ausgerutscht. Irgendwann musste das Spuren auf deinem zarten, filigranen Körper hinterlassen. Eines Tages, als wir es wieder miteinander versuchen wollten, konntest Du plötzlich nicht mehr. Du hast Dir wirklich Mühe gegeben, es immer wieder und wieder probiert, um dann doch wieder am selben Punkt zu scheitern. Es war grausam, das mit anzuhören. In diesen Momenten habe ich mein Verhalten sehr bereut. Ich habe mir Vorwürfe gemacht und geschworen, mich zu bessern. Von nun wollte ich Dich anständig behandel. Doch es war zu spät. Unsere Beziehung hatte einen Knacks bekommen, der sich nicht mehr reparieren ließ. Im Nachhinein muss ich auch etwas zu meiner Entschuldigung sagen: Als wir uns kennen lernten, war ich gerade einmal zwölf Jahre alt. Ich war einfach zu jung, um Verantwortung zu übernehmen. Die ganze Situation überforderte mich. Heute ist das anders; für eine Langzeitbeziehung fühle ich mich zwar immer noch zu jung, aber mittlerweile traue ich mir zu, Dich so zu behandeln, wie Du es verdienst. Leider bist Du jetzt schon ziemlich alt. Ich fasse Dich immer noch gerne an und Du hast nichts von Deiner Schönheit verloren. Aber mittlerweile gibt es überall diese jungen Dinger. Die haben natürlich keine Klasse, gegen Deine Grandeza sind sie nur billige Flittchen. Aber ich eben auch nur ein Mann: Und manchmal brauch ich was Billiges und Unkompliziertes. Und die neuen haben auch mal Lust auf eine schnelle Nummer, ohne das man sie gleich kaufen muss. Mir gefällt das! Bei aller Liebe, wir sollten den Tatsachen ins Auge blicken: All diese Annehmlichkeiten, die ein Mann manchmal so braucht, kannst Du mir einfach nicht geben. Du wirst für ewig meine Erste bleiben, aber in Zukunft werden wir uns wohl immer weniger sehen. In tiefer Anerkennung philipp-mattheis
Liebe CD, alles Gute zum Geburtstag, no hard feelings und so. Aber richtig sympathisch bist du mir nie gewesen. Wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich nichts, aber auch wirklich gar nichts mit dir zu tun. Ich weiß, ich verhalte mich wie ein sehr altmodischer und starrköpfiger Mensch, aber wenn ich die Wahl zwischen dem Album einer Lieblingsband auf Vinyl und auf CD habe, entscheide ich mich ohne nachzudenken für Ersteres. Das hat (neben dem oberflächlichen Coolness-Aspekt) ein paar vernünftige Gründe: Erstens: Vinyl kann nur ich kaputt machen. Auf dich kann ich mich da nicht ganz so verlassen. Keiner weiß, wie lange die Daten auf dir gespeichert bleiben. Manche meinen sogar, du könntest schon jetzt, mit 25 Jahren schlapp machen. Zweitens: Mit dir hat man nie, nie das Gefühl, einen Schatz gehoben zu haben. Wegen dir werde ich nie eine Tagesreise auf mich nehmen, neben schweigsamen Nerds einträchtig durch staubige Kartons wühlen, lange suchen und dann einen ganz leisen und unterdrückten Juchzer tun, weil ich einen Schatz gehoben habe. Denn du bist endlos reproduzierbar. Das Gefühl aber, eine Originalpressung einer seltenen Aufnahme zu finden, genau zwischen James Last und der Schlümpfe-Schlagerparade, dieses Gefühl ist unbeschreiblich. Ich verbringe meine Wochenenden damit, in Second-Hand-Läden zu wandern, mir den Rücken krumm zu biegen, um alle Stapel durchzuwühlen, weil ich weiß, dass es sich lohnt. Und mal ehrlich, hast du schon mal eine ordentliche Musik-Sammlung gesehen, die nur aus deinesgleichen besteht? Eben. Drittens: Es ist unbestritten nur ein kleiner Unterschied, aber es gibt ihn: die unterschiedliche Tonqualität. Alte Aufnahmen, die auf LP gepresst wurden, hat man (auch weil man es damals nicht konnte) nicht komprimiert, nicht digitalisiert und nicht bis zum Verrecken abgeschleift. Es gibt hohe Höhen, tiefe Tiefen, mittige Mitten. Bei dir dagegen wird digital nachgebessert ohne Erbarmen. Aber ich will gar nicht so böse mit dir sein, denn gegen deinen Nachfolger mp3 bist du ein Waisenkind. Viertens: Du bist im Normalfall hässlich und aus Plastik. Du gehst kaputt, wenn man dich nur schief anschaut, deine Hülle bekommt Knackse und das Booklet wird wellig, weil man einmal darin gelesen hat. Das Plattencover dagegen bleibt, wenn es nicht gerade unter Wasser gesetzt wird, sehr lange sehr schön. Fünftens: Die Musik, die mich interessiert, interessiert dich nicht besonders und schon alleine deshalb kommen wir uns kaum ins Gehege. Aber vielleicht ist genau diese Oberflächlichkeit, mit der du (beziehungsweise deine Bosse) sich der Musik jenseits des Mainstream widmen, der Grund, warum auch du mir ziemlich wurst bist. Trotzdem nur das Beste und mindestens weitere 25 Jahre wünscht dir christina-kretschmer