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Lebe wohl, Pete!

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“We're sitting on the hillside Contemplating our careers […] We won prizes for our youth In the days gone by Now we're waiting for Pete Doherty to die” Aus: “Waiting for Pete Doherty to die” von The Indelicates (2006)

Happy Birthday, Pete. Es haben dir in den letzten Jahren nicht viele zugetraut, dass du diesen Tag noch erleben würdest. Der Countdown lief, die Zeitbombe tickte. Wir zündeten sie kurz vor deinem 27. Geburtstag, wir behaupteten, du würdest den ehrenhaften Rock’n’Roll-Tod sterben, wie andere aus der ewigen Ruhmeshalle des Rock’n’Roll, wie Jimi Hendrix, Janis Joplin und Kurt Cobain. Wir hatten dich auf dem Todesradar. Scheiß drauf. Die Bombe ging nie hoch. Du hast es geschafft, du bist gestern 30 geworden. 30 ist ein entscheidendes Alter. Mit 30 kommen Leute an den Punkt im Leben, an dem sie sich fragen: Wo stehe ich? Was habe ich erreicht? Du Pete, Spiegelbild von Genie und Wahnsinn unserer Zeit, du hast dich immer in Sphären jenseits dieses Koordinatensystems bewegt. Bei dir hatten wir das Gefühl, du bist irgendwie einfach draußen. Und alle schauten wir dabei zu. Wir kramten kollektiv in jenem Abgrund, der dein Leben war, wir versuchten, aus den Tiefen deiner Seele zu fischen und erbeuteten doch nur erloschene Crackpfeifen und blutige Heroinspritzen. Und, ganz selten, Zeilen wie diese: “I'm in love with a feeling I know that it shows I'm in love with a feeling And I don't care who knows” Aus dem Babyshambles-Album “Down in Albion” (2005) Wenn wir uns also mal wieder an dir und deinem Pete-Sein ergötzten, wenn wir über deine drogensüchtige Katze sprachen, darüber, dass du wieder pleite und obdachlos warst, wenn wir uns also inmitten einer dieser Pete-Gespräche befanden, die in jeder Uni-Caféteria und auf jeder WG-Party geführt wurden, schüttelten wir zwar fasziniert den Kopf. Insgeheim bewunderten wir dich aber auch ein kleines bisschen, wie wir es eben immer tun, wenn einer auf der Bühne steht und aus tiefer Überzeugung „Fuck Forever!“ schreit. Wir bewunderten dich umso mehr, wenn du überhaupt auf die Bühne kamst. Meistens warteten wir vergeblich. Dennoch: Die Bad Boy-Schiene kauften wir dir nie so richtig ab, auch nicht, als du deinen besten Freund Carl beklaut hast, auch nicht, als du Kate Moss zum Weinen brachtest. Wir wussten, dass du sensibel bist, ein Getriebener, und wir sagten es auf die Art, mit der man kleine Jungs tadelt, die Böses tun, es aber nicht so meinen. Pete als 17-jähriger Oasis-Fan

Heute ist dein allererstes Soloalbum erschienen. Auch hierfür Glückwunsch. Ruhig ist es in den letzten Monaten um dich geworden und es kommt uns so vor, als hättest du dich in dieser Zeit verändert. Du möchtest, dass wir dich von nun an Peter nennen, nicht mehr Pete, so steht es jedenfalls auf dem Albumcover: Peter Doherty – „Grace/Wastelands“. Du sagst mit einem Mal Dinge wie „Ich habe keine Lust mehr, mich hinter einer Crackpfeife zu verstecken“ (diese Woche in einem Sun-Interview). Du sagst, diesmal ernst gemeint, dass du wirklich keine Drogen mehr nimmst. Du sagst, dass du glücklich bist als Single, dass du dich zurzeit von Frauen fernhälst, weil du den Pete in dir keinem Mädchen antun willst. Du willst sogar wieder mit deiner alten Band, den Libertines auftreten (und mal ganz ehrlich, das war deine beste Zeit!). Du klingst geläutert. Und schwermütig: „Sie werden zehn Dinge über mich, oder jemandem, mit dem ich zusammen war, aufzählen können, bevor sie auch nur einen Song von mir nennen können. Und das ist wirklich traurig.“ Machst du dir etwa Gedanken darüber, wo du, jetzt mit 30, stehst? Was du erreicht hast? Gräme dich nicht. Du bist jetzt, für deine Verhältnisse, erwachsen. Es gibt kein Zurück mehr. Gibt es ein Zurück? Ach, Pete. Nein, entschuldige: Peter. An deinen neuen Namen müssen wir uns erst noch gewöhnen.



Text: xifan-yang - Foto: Parlophone

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