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Lass den Klappskalli trinken

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Zum Baukasten handelsüblicher Comedyshows gehört der Außenreporter. Man schickt einen, der sich ein bisschen trottelig gibt, los zum FDP-Parteitag – mit der eigentlichen schönen Absicht, dort ein wenig herumzupöbeln. Vielleicht bekommt man dann endlich mal eine Reaktion, die noch nicht professionell durchgeskriptet ist. Das passiert natürlich nie. Der Außenreporter findet entweder die letzte 67-jährige FDP-Parteitagsabgeordnete, die Fernsehcomedy nicht kennt, und von dem Quatsch verständlicherweise überfordert ist, weil sie ja bloß freundlich sein möchte. Oder aber man bekommt doch mal kurz einen Höherkaräter vors lustige Außenreportermikrofon, der die Gelegenheit nutzen kann, sich von seiner humorvollen Seite zu zeigen: ein bisschen Quatsch mitmachen, aber nicht zu viel, und sich erfreut darüber geben, dass auch der Comedysektor einen als interessante Person wahrnimmt: „Ach, da sind ja unsere Fans von der ‚Heute Show‘“! Am Ende ist man also so subversiv wie ein Furzkissen auf einem Kindergeburtstag.  Wenn es etwas gibt, für das den Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf zu danken ist, dann dafür, dass sie eine Außenreporterstelle mit dem Musiker und Entertainer Olli Schulz besetzt haben. Er war schon für „neoParadise“ als Bukowski-inspirierte Figur Charles Schulzkowski unterwegs, als intellektueller Trinker am falschen Ort, zwischen falschen Leuten. Für die gestrige erste Folge von „Circus Halligalli“, der neuen Show von Joko und Klaas, hat man ihn wieder auf eine Berlinale-Party geschickt.

Olli Schulz alias Charles Schulzkowski mit Matthias Schweighöfer auf der Berlinale-Party

Einen Außenreporter als gescheiterten Trinker zu verkleiden, das gab‘s natürlich schon: Jörg Diernberger als Gero Schorch für „Stuckrad Late Night“ und natürlich Hape Kerkeling als sogenannte Kultfigur Horst Schlämmer. Aber Charles Schulzkowski trotzt dem Genre ab, was von ihm nicht mehr zu erwarten gewesen wäre: ein paar sehr schöne Fernsehmomente. Dass das klappt, liegt am Tausendsassa und Gesamtkunstwerk Olli Schulz. Der hat sich in letzter Zeit ein Standbein als Talkshow-Gast aufgebaut. Er sitzt bei Markus Lanz und erzählt ein paar seiner lustigen Backstage-Geschichten aus seinem fast gescheiterten Leben, und Lanz und die anderen lachen und klopfen ihm auf die Schulter: dem Olli, der Stage-Hand, den man jetzt auch mal kurz ans große Buffet lässt. Lass den Klappskalli tanzen, wie er es mal selbst gesungen hat. Diese Olli-Schulz-Auftritte verursachen Beklemmungen, weil sie verlogen sind. Man lässt ihn Quatsch machen, aber bitte nicht zu viel, nicht zu wild, nicht zu betrunken, sonst nervt es, und zu nerven ist der Todfeind der geölten Unterhaltungsmaschine. Verlogen ist das, weil die Kunstfigur Olli Schulz nun mal genau der lustige Typ ist, der irgendwann auch nervt, weil es zu viel wird. Als Charles Schulzkowski rächt er sich jetzt für diese Zumutung. Seine Waffe ist nicht eine alberne Verkleidung wie die von Horst Schlämmer oder das Spielen eines Borat-mäßigen Volltrottels, sondern viel banaler und deswegen so wirksam: Er ist einfach ungefähr der gleiche wie immer, nur total besoffen. Und er möchte mit den Stars den Whiskey teilen, den er mitgebracht hat.

Damit kriegt er dann auch die Reaktionen, die andere Außenreporter nicht bekommen. Die Pressekollegen beschweren sich über ihn, statt ihn in professioneller Routine gleich mit in die Show einzubauen. „Können wir bitte mal nen anderen Nachbarn haben?“ sagen die abgezockten Fotografen neben ihm am roten Teppich, „Ih“, sagen die jungen Frauen vom Privatradio, angeekelt von seiner Fahne. In der gestrigen Ausgabe spielten sogar die Promis ihre unfreiwilligen Rollen so gut, dass die ganze Schulzkowski-Story wirklich aufging: Matthias Schweighöfer als der Kumpel, der einem auch noch mal einen Geldschein zusteckt, wenn das Budget zum Trinken durchgebracht ist; Jörg Thadeusz, der väterliche Freund, der ihm gut zuredet; und Til Schweiger. Schulzkowski: „Til, früher in Hamburg-Niendorf, wir beide, ham‘ Fusi zusammen gespielt.“ Schweiger (genervt, geht): „Ja, super, dann sollten wir mal wieder…“ Dazwischen labert Olli Schulz einfach betrunken vor sich hin („Das ist ne riesige Maschinerie, das Ding hier ist größer als McDonalds!“). Dem Security-Mann, der ihn schließlich fast vor die Tür tragen muss , sagt er noch zärtlich: „Du erinnerst mich ein bisschen an meinen Vadder.“ Am Ende will er dann einfach nur in den Arm genommen werden – bei anderen Comedytypen würde man das als doofe Strategie durchschauen, ihr Gegenüber durch Körperkonakt zu verunsichern. Dem betrunkenen Olli Schulz glaubt man’s.

 

In Zukunft also mehr Alkohol für die lustigen Außenreporter? Nein, auf keinen Fall. Andere werden davon nur noch unsympathischer, als sie eh schon sind. In Zukunft aber bitte mehr von Olli Schulz, dem besten Klappskalli, den wir haben.

 
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