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Langweilen grillt nicht!
Der Kugelgrill-Profi Das Kochen auf offenem Feuer ist für ihn der maßgebliche Quantensprung in der menschlichen und männlichen Evolution, dem er sich bis heute verpflichtet fühlt. Trotzdem liebäugelt er seit langem mit einem Gasgrill, weil bei US-Grillmeisterschaften immer damit gebraten wird. Momentan aber heizt er auf der Teakholz-Dachterasse seines Lofts noch seinen großen roten Kugelgrill (Durchmesser 1,50 Meter) an, und zwar vier Stunden bevor die Gäste zu seinem „Long Island Barbeque“ kommen, weil die Zedernholzkohle erst nach dieser Zeit die optimale Temperatur kriegt. Bis es soweit ist, lässt er sich Grillschürze und Profi-Handschuhe (mit NASA-Temperaturschutz) anlegen und spannt kapitale Red Snapper mit frischen Rosmarinzweigen in Spezialformen. In einer normalen Küche kocht der Kugelgrill-Profi nie, weil es ihm nicht gefährlich genug ist. Nackensteaks und Bratwurstschnecken kommen ihm ebenfalls nie über das Grillbesteck, das er in einem Extrakoffer mit sich führt, sondern nur argentinisches Steaks und neuseeländisches Lamm. Außerdem hat er gelernt, dass die Damen besonders entzückt sind, wenn er ihnen auch Auberginen und Zucchini mit jamaikanischer Spezialmarinade grillt. Abgelöscht wird das Grillgut hier nicht mit Bier, sondern mit einem leichten Riesling. Der besondere Gag des Grillmeisters seit 15 Jahren ist, dass er auch das Dessert auf dem Grill zubereitet und die Ah’s und Oh’s, für die seine gegrillte Honigbanane mit Vanilleeis sorgt, würde er sich am liebsten mit einem Rosmarinzweig einlegen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der spontane Tankstellengriller Bis vor ein paar Minuten wusste er noch nicht, dass er heute grillen will. Bis vor einer Stunde lag er noch im Bett, da war es Mittag und sein Schädel brummte von letzter Nacht. Schnell hat er ein paar von den Leuten, mit denen er gestern Abend noch am Tresen versumpft ist, zusammengetrommelt und sie mit dem Auto eingesammelt. Auf der Fahrt an den See haben sie die kollektive Eingebung: „Boah, Grillen wär jetzt geil“. Also nimmt der Spontangriller die nächste Autobahnausfahrt zur Tankstelle. Jetzt machen er und seine Freunde sich das erste Mal wirklich Gedanken, was man zum Grillen alles braucht. Während der Spontangriller sich für die Deluxe-Ausgabe des Einweggrills entscheidet, kramen seine Freunde die letzten Packungen Schweinswürstel und eingeschweißte Nackensteaks aus den hinteren Reihen des Kühlregals. Außerdem wird mitgenommen: zwei Becher Kartoffelsalat, eine Packung Toastbrot, Ketchup, Steaksoße, Cola, Bier und Zigaretten. Nach einer kurzen Diskussion an der Kasse, ob das jetzt zu viel Fleisch sei oder nicht, wird alles gekauft. Nur als er den Preis sieht, zögert der spontane Tankstellengriller noch kurz, aber was soll’s, die 70 Euro hätte er andernfalls nur einem gierigen Nachtclubbetreiber in den Rachen geworfen. Am See angekommen, lassen der Spontangriller und seine Freunde mit rollenden Augen den überfüllten, offiziellen Grillplatz hinter sich. Die Gruppe schlägt sich durch die Büsche, vorbei an dem Schild, das vor Brandgefahr warnt, bis sie einen lauschigen Platz nur für sich allein gefunden hat. Dort sorgt die Gebrauchsanweisung des Alu-Einweggrill erst mal für Verwirrung. Aber jetzt ist der spontane Tankstellengriller auf den Geschmack gekommen. Es gelingt ihm nicht nur, einen ebenen Untergrund zu finden, sondern auch, den Grill anzuzünden. Weil keiner 20 Minuten warten will, bis die Kohle heiß genug ist, wird das Fleisch sofort auf den Grill geworfen, leider hat nur die Hälfte davon Platz. Erst da fällt auf, dass sowohl Besteck als auch Teller vergessen wurden. Der Spontangriller versucht, das Fleisch mit seinem Haustürschlüssel zu bewegen und kommt den Flammen dabei gefährlich nahe. Jetzt herrscht große Langeweile und Ungeduld, alle schielen zum Grill. Stimmung will keine aufkommen, das Hauptgesprächsthema sind Spekulationen, wie lange das Fleisch noch braucht und weil alle heute noch nichts gegessen haben, tunken sie das Brot schon mal in den Kartoffelsalat. Nach kurzer Zeit ist das Fleisch schwarz und wird vom Grill genommen, was sich ohne Teller und Besteck schwierig gestaltet. Alle kauen an ihren kleinen, zähen Fleischfransen, die innen irgendwie noch ein bisschen sehr rot sind und keiner weiß so genau, ob die schlechte Qualität des Tankstellenfleisches oder die des Tankstellengrills für das enttäuschende Ergebnis verantwortlich ist. Am Schluss wirft der Spontangriller das restliche Fleisch und den Grill, an dem er sich dummerweise auch noch die Finger verbrennt, zurück in die Einkaufstüte. Erst daheim fällt ihm ein, dass er ganz vergessen hat, das Geld für Fleisch und Grill von seinen Freunden einzusammeln. Aber lustig war es schon.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der ohne Grill Er kommt etwas zu spät, weil er noch dringend was zu erledigen hatte. Deshalb hat er jetzt –Sorry - ziemlich Hunger und leider – noch mal Sorry - kein eigenes Fleisch dabei. Bier und Pappteller hat er aber bereits gefunden, wenn er die Gastgeber entschuldigend begrüßt. Den Grill hat er natürlich ebenfalls schon entdeckt und nähert sich den bratenden Würsten mit höflicher Zurückhaltung. Wenn der Grillprofi (über den er sich heimlich ein bisschen lustig macht) dann kurz Pause macht, bekommt der ohne Grill seinen großen Auftritt: „Wenn die hier keiner mehr will,“ ruft er und hebt die Würste mit einem leisen „würde ich sie nehmen“, auf seinen Pappteller. Meist kommt der ohne Grill allein und redet davon, dass man unbedingt auch mal ein richtiges Spanferkel grillen müsste. Seine Freundin ist entweder verreist, verhindert oder seit Jahren nicht existent. Wohl auch deshalb ist die sozialste Tätigkeit, die er im Laufe eines Grillabends vollbringt, ein verhuschtes „Willste auch noch eins“, zu der netten Blondine, neben die er sich mit dem zweiten Steak gesetzt hat. Wenn es gut läuft, darf er ihr ein Bier mitbringen. Wenn nicht, wird der ohne Grill den ganzen Abend nur sich alleine bedient haben.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der Grill-Papa Seit er sich vor acht Jahren im Garten einen Mauergrill aus Leichtbetonziegeln gebaut hat, veranstaltet er von April bis Oktober jeden zweiten Sonntag im Monat ein Grillfest. Dann kauft Mutti Papierservietten und Plastikwimpel. Für die Freunde seiner Kinder steckt der gute Papa eine Sackhüpfen-Rennbahn im Vorgarten ab, legt Hula-Hoop-Reifen bereit und spannt das Federballnetz nach, kriegt dann aber auch postwendend eine dicken Hals, wenn der Federball in der Glut landet oder der Fußball das Bierfass umwirft. Außerdem trägt er den ganzen Abend einen Cowboyhut und eine Schürze mit lustigen Spruch drauf - so eine bekommt er mindestens zweimal im Jahr von wohlmeinenden Gästen geschenkt. Neben Bierdeckelsammeln und Angeln ist Grillen sein Lieblingshobby, hier lässt er sich von niemandem reinreden. Deshalb tarnt er es als seine Gastgeber-Pflicht, die ganze Zeit am Grill zu stehen. Obwohl ihm seine Frau jedes Mal, wenn die Gäste gegangen sind, sagt, dass das Fleisch total versalzen war, lässt er sich nicht von seiner Spezialmethode abbringen, das Fleisch vor dem Grillen in Salz zu wenden und später mit Bier abzuspülen. Aus Sicherheitsgründen benutzt er nur harte Paraffin-Grillanzünder und hat stets einen vollen Eimer Wasser neben dem Grill stehen. Darauf klebt ein Post-It, auf das er geschrieben hat: „Niemals auf heißes Fett kippen!!!“ Alle vier Minuten ruft er in Richtung Tisch, ob jemand noch ein Würstchen oder ein Nackensteak möchte. „Es soll ja niemand verhungern“, ist sein Lieblingsspruch, weshalb er auch vorsichtshalber zwei Schweinekoteletts, vier Rostbratwürstchen und drei Käsekrainer pro Person einkalkuliert. Dass er nach jedem Grillabend ein Drittel der Fleischplatte an seinen Labrador verfüttern muss, stört ihn nicht. Was ihn hingegen wieder auf die Palme bringt: Wenn die Kinder nach dem Essen Zeitungsfetzen und Tannenzapfen in die Glut werfen. Das raucht so stark, und der Nachbar hat abends immer sein Fenster offen. Wenn dann gegen halb elf alle Gäste weg sind, sitzt er alleine im Garten, putzt den Grillrost mit einer Messingbürste und verstaut ihn wieder im Keller, im Schrank neben der Modelleisenbahn.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der Einkaufswagen-Punkgriller Superidee, einen Einkaufswagen als Grillrost zu benutzen! Dem Punkgriller wäre die Idee nicht selber gekommen, aber er hat sie bei Polylux gesehen und muss das jetzt unbedingt mit seinen Freunden nachmachen - die gucken nämlich nie Polylux und halten ihn für den kredibelsten Punker jenseits der Gleise. Erwartungsgemäß ist die ganze Posse davon auch angetan, allerdings hat niemand einen Einkaufswagen. Den muss der Punkgriller wohl oder übel jetzt besorgen und hat dabei doch höllisch Angst, von der Lidl-Kassiererin gestellt zu werden. Geht aber alles gut, ist nur echt sorry um den Euro, der im Einkaufswagen steckt - hätte man doch schon wieder zwei Dosen Bier für gekriegt. Am Fluß unter der Eisenbahnbrücke ist der richtige Platz zum Punkgrillen, bis der Wagen dort ist, scheppert es aber ganz schön und die Gardinen im kleinen Städtchen des Punkgrillers werden eifrig gerückt. Dafür müssen die anderen aber das Fleisch mitbringen, denkt der Punkgriller. Das tun sie auch, allerdings ist der erstandene Rollbraten nur bedingt geeignet – egal erst mal ein Feuerchen machen und den Wagen drüber legen. Gar nicht so einfach mit dem feuchten Holz das am Flussufer rumliegt und eine Glut entsteht dabei irgendwie auch nicht. Das Bier schmeckt aber super wie immer, der Rollbraten kommt auf das Einkaufswagenrost und es ist richtig geil gemütlich. So lange jedenfalls, bis der Braten vom Wagen rollt und sich am Flussufer eine Kruste aus Schmutz und Rinde holt. Der Punkgriller quittiert den Zwischenfall mit einem „Jetzt wird’s erst richtig schön asi“ und alle finden das auch. Der Rollbraten wird natürlich nie durch, immerhin die erste Schicht kann man essen und die hätte bestimmt auch gut geschmeckt, wenn die Punkgriller irgendwelche Gewürze gehabt hätten. So aber lassen sie den restlichen Braten lieber im Fluß schwimmen, pinkeln das Einkaufswagenfeuer aus und sind sich trunken einig: Grillen ist super und der Punkgriller der Held der Woche. Illustrationen: dirk-schmidt Texte von lisa-goldmann, jan-stremmel, dirk-vongehlen und