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Kunst Kauf Rausch: Die Suche nach dem perfekten Bild - Teil1: Die Wand
Kunst ist was für alte Säcke mit zu viel Geld. Und zu großen Wohnungen. Zumindest dachte ich das immer. Es ist nicht so, dass ich noch nie auf einer Vernissage oder in einem Museum gewesen bin – im Gegenteil: Solche Ereignisse bereichern meinen Alltag und sorgten schon oft für manchen krönenden Abschluss eines zuvor gar nicht viel versprechenden Tages. Aber Kunst echt kaufen? So richtig, für Geld? Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Vor kurzem bin ich umgezogen. Mit Frau. Das bedeutet nicht nur die Erwachsenwerdung des Lebensentwurfs, sondern auch die stilistische Neuanordnung des Wohnraums. Im Klartext: Fotokollagen mit bekifften, Fratzen schneidenden Freunden in Wechselrahmen müssen raus. Ebenso die selbst gemachten, nachdenklichen Fotografien à la Brand-eins: „Frau im weißen Raum am Fenster von hinten im Sechs-mal-sechs-Format“. Überhaupt, diese ganzen Kleinigkeiten - Edgar-Karten in Minirahmen, „kultige“ Kinderfotos aus den Siebzigern, dazu die Warhol-Supermarkt-Edition samt Suppendosen und James Dean – ich kann das alles nicht mehr sehen. Deckenhöhe dreivierzig - da muss flächendeckend erneuert werden. Der Einzug ist vollbracht. Möbel stehen an ihrem vorläufigen Reiseziel. Die Wohnung hallt nicht mehr so arg, doch die Wände sind nackt. Und ich sitze vor DER Wand, also jener, die als makellos alpinaweiße Fläche im Wohnzimmer aufragt und von ablenkenden Möbelstücken verschont geblieben ist.
Und vor lauter Bildern keine Welt: einen Gerhard-Richter kann sich keiner leisten. Aber was dann? „Irgendwie find ich das geil, so eine weiße Riesenwand“, sage ich zu mir selbst. „Irgendwie hast du sie nicht mehr alle“, sagt die mitwohnende Geliebte, plötzlich neben mir stehend, und betrachtet schrägen Kopfes die Wand. „Das sieht ja aus wie im Krankenhaus. Es muss etwas dort hängen. Etwas Großes. Die Wand ist wie geschaffen für etwas Großes.“ Etwas Großes. In meinem Kopf geht das Leuchten los. Ich sehe Farben, wild und ausdrucksstark, leuchtend und beweglich. Ein Foto? Ein Ölgemälde? Nein, jetzt hab ich’s: ein Plakat! „Was hältst du von einem Plakat?“, frage ich. „Oh ja, toll, ein Plakat, wow“, sagt sie tonlos. „Ein CDU-Plakat vielleicht? Oder doch lieber ein Mediamarkt-Plakat? Nein, lass mich raten: ein Johnny-Cash-Plakat, stimmt’s?“ „Eigentlich dachte ich an ein altes Filmplakat. Du weißt schon, so ein Original aus den Vierzigern oder so was.“ „Also eins sag ich dir, mein Lieber“, entrüstet sie sich. „Ich habe ü-ber-haupt keine Lust jeden Tag dem Heinz Rühmann in seine verkniffene Fresse zu schauen, mit Ava Gardner kannst du mich zum Mond jagen, und überhaupt finde ich Filmplakate total prätentiös! Außerdem – weißt du, was so ein originales Kinoplakat aus den Vierzigern kostet?“ Nein, das weiß ich in der Tat nicht. Überhaupt ist das ein Punkt, den ich bisher gar nicht berücksichtigt habe: Was kostet eigentlich ein Bild? „Dreineunzich, in dem Copyshop bei mir unten im Haus“, verrät mir ein lieber Freund. „Echt. Ich hab da schon ein paar mal Sachen zum Ausdrucken auf A1 hingebracht. Funktioniert super. Und sieht gar nicht mal schlecht aus.“ Ich kenne seine Wohnung und weiß, was er meint mit „sieht gar nicht mal schlecht aus“: Photoshop-Phantasien für Cyberhippies – gesamtspektrale, Augenkrebs erzeugende Weltraumimpressionen mit vielen weichen Farbverläufen, die mich immer beunruhigen, weil sie aussehen wie der bildgewordene Alptraum eines LSD-Astronauten. „Nimm es mir nicht übel“, sage ich meinem Freund, „aber ich glaube, ich möchte das auf keinen Fall!“ „Dann lad dir doch was aus dem Internet“, beharrt er. „Du könntest dir doch so `ne total abgefahrene Mona Lisa mit Sonnenbrille oder so was…“ „Ich muss jetzt leider gehen“, unterbreche ich. Ich gehe heim und suche im Internet nach Bildern. Beziehungsweise nach Preisen für Bilder. „Kunstgalerie online“ lautet meine Suchanfrage – kunstonline.net heißt das erste Suchergebnis. Die Kölner Kunstagentur produkt17 bietet hier Erzeugnisse aus den Disziplinen Fotografie, Malerei und Bildnerei an. Sehr schön. Mal sehen.
Erster Versuch. Ein unscharfes Foto (Piezo Druck) einer Topfblume (circa Stiefmütterchen) des Künstlers Ingo Helmes mit dem Titel „Präsenz“, 32 mal 48 Zentimeter: 160 Euro. 32 mal 48 Zentimeter? Zu klein. Ich will etwas Großes, kann aber kein Foto finden, das über eine Seitenlänge von 80 Zentimetern hinausgeht. Also lieber was Gemaltes.
Zweiter Versuch: Ein aufgeräumtes Ölgemälde aus geschwungenen Linien, die in pflanzenartige Formen münden. Der Künstler Markus Johne gab ihm den Titel „Schlafender Adonis“. Zwei mal zwei Meter – jetzt kommen wir der Sache schon näher. Doch was steht da noch? Preis: 3300 Euro! Bei den anderen Bildern aus dem Hause produkt17 sieht es preislich kaum anders aus. Sollte es wahr sein, dass mein Kunstprojekt „Heimverschönerung“ an der Finanzierung scheitert? Oder muss ich einfach genauer suchen? Ich werde jedenfalls nicht aufgeben, bis meine Wand das imposante Kunstwerk ziert, das sie verdient hat. Dafür werde ich Ausstellungen besuchen, Künstler und Galeristen nerven, Sammler befragen und vielleicht selbst Malstunden nehmen. Irgendwie muss man doch an Kunst rankommen, verdammt. Fortsetzung folgt. Fotos: produkt17 (2), ddp