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Krieg und Frieden an der Uni
Zivilklausel-Demonstration an der Uni Bremen im Januar
In Braunschweig rollt zum 1. Mai zwischen den demonstrierenden Studenten ein Panzer durch die Straßen. Einen Tag später winden sich auf dem Bibliotheks-Vorplatz der Uni Kassel blutüberströmte Körper auf dem Boden, umringt von Kriegsmaschinerie. Was zunächst nach Ausnahmezustand und brutaler Staatsgewalt klingt, ist allerdings rein friedlicher Protest und Teil einer bundesweiten Aktionswoche.
Bei genauerem Hinsehen erkennt man auf der Pappmacheehaut des Panzers bunte Buttons mit Aufschriften wie „Rüstungsforschung in den Müll“ und „Für die Zivilklausel“, in Kassel wird ausschließlich Kunstblut vergossen. Mit solchen Aktionen, Vorträgen, Diskussionen und Filmvorführungen versucht eine Initiative von Studenten, Gewerkschaften und Verbänden noch bis 8. Mai, auf den wachsenden Einfluss von Militär- und Rüstungsindustrie an deutschen Unis hinzuweisen.
Eine Diskussion über die Thematik werde bislang „viel zu wenig geführt“, meint Dominik Bennett, Mitinitiator und Asta-Vorstand in Braunschweig. Er koordiniert die Aktionen in Braunschweig und hält Kontakt zu den anderen Universitäten, zum Beispiel in Köln, Göttingen, Gießen und Heidelberg. Zu den „kreativen Köpfen“, die sich die öffentlichkeitswirksamen Ideen mit Kunstblut und Panzern einfallen lassen, zählt er sich aber eher nicht.
Die von Bennett angesprochenen Vorgänge sind mittlerweile an vielen deutschen Unis gang und gäbe. Das Verteidigungsministerium bekennt sich offen zur Förderung eines „sicherheitspolitischen Dialogs in Forschung und Lehre“ und fordert einen „dauerhaften, praxisorientierten und wissenschaftlichen Austausch zwischen Wirtschaft und Bundeswehr“ an den Unis. Die Bundesregierung gab allein im Jahr 2008 1,1 Milliarden Euro für Rüstungsforschung an Universitäten aus.
Rüstungskonzerne richten Stiftungsprofessuren ein oder erschaffen gleich ganze Fakultäten wie Munich Aerospace, einen Zusammenschluss von TU, Bundeswehruniversität und der Bauhaus Luftfahrt. Um solchen Praktiken entgegenzuwirken, fordert die Initiative die Einführung von Zivilklauseln, welche die Universitäten zu einer rein zivilen Lehre und Forschung verpflichtet.
Eine solche Klausel wurde erstmals 1986 an der Universität Bremen durchgesetzt. Fortan war „jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung“ abzulehnen. Es folgten weitere deutsche Universitäten wie die TU Berlin, die Universität Dortmund, Konstanz oder Oldenburg. Zuletzt ließ sich die Universität Tübingen 2010 eine Zivilklausel in die Grundordnung eintragen. Im Land Niedersachsen war die sie von 1993 bis zu ihrer Aufhebung 2002 sogar Bestandteil des Landeshochschulgesetzes.
Eine gesetzliche Verpflichtung der Hochschulen, die über ein freiwilliges Bekenntnis hinausgeht, steht derzeit in Bremen und Baden-Württemberg zur Diskussion. Die rot-grüne Regierung in Bremen stieß im März mit ihrer Forderung allerdings bei den fünf staatlichen Hochschulen auf Widerstand. „Warum muss immer alles gesetzlich geregelt werden, warum lässt die Politik die Hochschulen nicht selbst entscheiden?“, meinte Wilfried Müller, Rektor der Universität Bremen gegenüber dem Weser Kurier.
Auch in Baden-Württemberg ist es bisher nicht zur Eintragung einer Zivilklausel am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gekommen, obwohl sich beide Parteien der grün-roten Koalition in ihren Wahlprogrammen für eine Einführung ausgesprochen hatten.
Kritiker der Regelung weisen auf zwei Probleme des Konzepts hin: Zum einen widerspricht sie laut einer Vielzahl von Professoren und Hochschulräten der Freiheit der Wissenschaft, die durch eine Beschneidung ihrer Forschungstätigkeit durch die Klausel in vielen Fachrichtungen eingeschränkt würde.
Das andere Problem ist die fließende Grenze zwischen ziviler und rüstungstechnischer Forschung, die sogenannte Dual-Use-Problematik. Wenn zum Beispiel eine technische Universität an Satellitensystemen forscht, könnten diese später sowohl für zivile Navigationstechnik als auch zur Steuerung von Drohnen dienen. "In einer Zeit, in der alles militärisch verwendet werden kann, kann eine solche Grenze gar nicht gezogen werden, wenn man das Wissenschaftssystem aufrechterhalten will", argumentierte der Bremer Rektor Müller im August letzten Jahres gegenüber dem Spiegel.
Das Unternehmen OHB, welches eben auch Satelliten für die Bundeswehr produziert, sollte in Bremen eine Stiftungsprofessur für Raumfahrttechnik mitfinanzieren. In den Augen der Studierendenvertretung ein klarer Bruch der Zivilklausel, die letztendlich gegen die Widerstände aus dem Präsidium beibehalten wurde. Die Stiftungsprofessur wurde somit abgelehnt
Nach welchen Indikatoren sollen die verantwortlichen Kräfte nun unterscheiden, wann die Forschung den zivilen Rahmen verlässt? „Zum einen muss man sicherlich immer schauen, wer das Ganze in Auftrag gegeben hat“, meint Dominik Bennett, gesteht aber auch ein, dass die Unterscheidung bei „zweigleisigen“ Unternehmen wie EADS und VW, die neben dem zivilen auch im rüstungstechnischen Sektor mitmischen, alles andere als leicht fällt.
Und wer soll im Einzelfall verantwortlich für die Einhaltung der Klausel sein? Dominik sieht hier alle in der Pflicht, sowohl die wissenschaftlichen Kräfte und die Verwaltung als auch die Studierenden selbst. Wichtig sei die allgemeine Akzeptanz, schließlich könne „jede Klausel irgendwie umgangen werden“.
Daher hält er landesweit verpflichtende Klauseln im Hochschulgesetz zwar für wünschenswert, sieht voreilige Entscheidungen über den Kopf der Hochschulen hinweg aber skeptisch. Freiwillige Verpflichtungen könnten die Akzeptanz für Zivilklauseln vorerst besser garantierten als eine „von der Politik aufoktroyierte“ Variante. Erst wenn die Bereitschaft der Universitäten zu einer rein friedensorientierten Lehre und Forschung garantiert sei, könne eine Umsetzung im Gesetz forciert werden.
Text: quentin-lichtblau - Bild: Die Linke, Landesverband Bremen