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Komm, spiel für mich

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Wenn wir früher nach der Schule ein Spiel gekauft hatten und es bei einem von uns zu Hause zum ersten Mal gemeinsam ausprobierten, wollte jeder zuerst an den Controller. Nur ich hielt mich zurück und überließ den anderen das Feld. Meine Freunde wunderten sich, dass ich sie freiwillig ans Gamepad ließ. „Willst du jetzt nicht auch mal?“, fragten sie, während sie mit Lara Croft und Co. durch die Levels hetzten. Nein, wollte ich nicht. Ich liebte es, bei Spielen nur zuzuschauen.
 

Sollen sich doch die anderen die Finger müde daddeln. Unser Autor lehnt sich einfach zurück.

Das hat sich bis heute nicht geändert. Zuletzt habe ich bei „Uncharted 3“ mitgefiebert, davor beim Krimi „L.A. Noire“. Ich bin immer noch gerne Passivspieler. Das ist bequemer als selbst zu spielen und oft genauso spannend. Ein Bier in der Hand ist besser als ein durchrüttelnder Controller, ich muss keine Finger verrenken und nicht ständig feindlichem Feuer ausweichen. Je schlechter oder schwerer die Spiele, desto lieber bleibe ich passiv. Es gibt dann keinen Pornogucker-Reflex, dieses Gefühl „Verdammt, ich will mitmachen“. Sterbe ich zum Beispiel im Hüpfspiel „Super Meat Boy“ hunderte Male, nervt das. Passiert es jemand anderem, ist es verdammt witzig.
 
Ich lasse die Zocker-Drecksarbeit lieber andere Spieler für mich erledigen. Neuerdings geht das sogar auf Abruf, YouTube sei Dank. Die „Let’s Play“-Videos sind wohl die sinnvollste Filmsparte, die die Videoplattform seit längerem hervorgebracht hat. So werden Clips genannt, in denen Menschen Videospiele durchspielen und das kommentieren – ein ideales Format für jeden, der wie ich irgendwie Lust auf Spiele hat, irgendwie aber auch nicht.
 
Als Zuschauer erfahre ich nicht nur, wie die Geschichte eines Spiels weitergeht, ich lerne auch viel über den Spieler. Über seinen Spielstil, über sein Geschick. Meine Schwester zum Beispiel wollte bei „Die Sims“ meistens nur Wohnungen einrichten, das Geld dafür holte sie sich per Cheat. Mein Kumpel Dennis ist Rollenspiel-Spezialist: Er löst Rätsel, bevor ich überhaupt merke, dass es eines gibt. Manchen Spiel-Abspann hätte ich ohne ihn nie gesehen. Vorspielern wie ihm gilt deshalb mein Respekt: Danke, dass ihr Tausende Monster totklickt und in „Minecraft“ aus Pixelblöcken Paläste baut, während ich auf der Couch entspanne.
 
Bisher habe ich wenige Menschen mit meinem Hobby getroffen. Die „Let’s Play“-Klickzahlen verraten aber, dass es viele Passivspieler geben muss. Manche Videos, wie die von

und

, werden hunderttausendfach geklickt. Mich überrascht das nicht. Je aufwändiger und komplexer Spiele werden, desto naheliegender ist es, sie wie Hollywoodfilme anzugucken. „Uncharted“ ist so filmreif inszeniert, dass man das Spiel um die Zwischensequenzen herum fast hätte weglassen können. Das Spiel zur Serie „The Walking Dead“ besteht vor allem aus schnellem Tastendrücken – da reicht es, sich die Handlung als „Let’s Play“ anzuschauen.
 
Langfristig dürften Videospielfans dieselbe Wahl haben wie beim Sport: Entweder sie probieren sich selbst aus oder sie überlassen das Spiel den Profis und schauen nur zu. In manchen Kneipen gibt es bereits „BarCrafts“. Das sind Abende, an denen sich die Gäste zusammen Partien des Strategiespiels „StarCraft 2“ auf einer Leinwand ansehen. Die Atmosphäre erinnert ans Fußball-Public-Viewing, nur dass keine Tore fallen. Stattdessen machen Kampfeinheiten unter Beifall Gebäude platt. Klingt seltsam, könnte bald aber alltäglich sein. Sogar ZDF.kultur hat schon „StarCraft 2“-Spiele im Fernsehen übertragen.  
 
Trotzdem ist das Zugucken noch immer am schönsten, wenn man live dabei ist. Man hat dann die Chance, auf den Spieler Einfluss zu nehmen, kann mit ungehemmtem Lästern eine Reaktion hervorrufen. Manchmal gehe ich dabei allerdings ein bisschen zu weit: „Du Versager, das könnte sogar ich besser“ sind oft die letzten Worte, bevor der mieseste Shooterspieler Deutschlands sein Comeback gibt. Dann muss ich an den Controller. 



Text: markus-boehm - Foto: sör-alex/photocase.com

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